Marcus Scholz

3. Dezember 2017

Es wird nur ein kurzes Wort zum Sonntag. Versprochen.

Der Matthias Sammer also. Der Mann, der den HSV schon einmal mächtig versetzt hat. Der Mann, der dem HSV seine feste Zusage als neuer Sportchef gegeben hatte und diese dann auf fragwürdige Weise wieder zurückzog. Dieser Fußballexperte legt mit seiner ihm ebenso zustehenden wie extremen Meinung ein Störfeuer beim HSV und alle springen auf. Sogar ein Streit wird hochgeschrieben, obwohl Gisdol hör- und sichtbar gelassen reagierte und nur sagte, er könne und wolle auf derart populistische Aussagen nicht reagieren. Nein! Entschudligt bitte, dass ich hier trotz der überall in die Höhe schnellenden Klickzahlen nicht weiter auf dieses Thema eingehen will. Das muss nicht für Euch und andere gelten, ganz klar. Aber eben für mich. Denn ein, zwei Tage – das ist mehr als genug Sammer-Theater.

Zumal ich weiß, dass Sammers Anspruch an diesen HSV zwar absolut erstrebenswert ist – aber eben einfach noch nicht zu erfüllen. Ich kann trotz der zwar berechtigten, aber zum falschen Zeitpunkt bzw. zu scharf formulierten Kritik nicht mitgehen. Ich sehe den HSV nicht "plötzlich" wieder unten. Gefühlt steht er ja seit Freitag 22.35 Uhr ca. sogar ganz unten, wo ich ihn tatsächlich noch weniger sehe. Da wurde aus dem zuvor verbreiteten und genau so falschen „Der HSV will seine Serie ausbauen“ (welche „Serie“??) nach einem fußballerisch dürftigen 0:0 in Freiburg ein „Offenbarungseid“ geschustert. Also schwenkte man eben mal von dem einen Extrem ins andere. Typisch HSV eben.

Beziehungsweise, typisch für das noch immer zu hohe Anspruchsdenken einiger, die einfach die Fehler der letzten Jahre ausblenden und so tun, als könne der HSV mit diesem Kader plötzlich konstant dominanten Fußball spiele. Aber auch wenn ich mich hier wiederhole:

SO WEIT IST DIESE MANNSCHAFT LANGE NICHT

Gerade mal vier Wochen sind es noch bis zur nächsten Transferphase. Dafür weilt auch ein Jens Todt aktuell für eine Woche in Argentinien. Er macht sich vor Ort ein Bild „für künftige Tranferphasen“, wie er sagt. Dass im Winter etwas passiert, schließt der HSV-Sportchef zwar nicht aus. Aber er versucht deutlich zu machen, dass das eher nicht angedacht ist. „Wir sind in einer Phase, wo wir uns sportlich stabilisieren wollen und können. Ich habe uns eh nie so schlecht gesehen und sehe uns auch jetzt auf einem besseren Weg als im Vorjahr.“ Für Panik sei inzwischen jedenfalls nirgendwo mehr Platz in Hamburg. Und sportlich betrachtet gebe ich ihm da sogar Recht, ohne daraus zusätzliche freie Tage, falsche Sicherheiten und vor allem Sorglosigkeit abzuleiten. Denn dieser HSV ist und bleibt aller Wahrscheinlichkeit noch lange im Abstiegskampf. Aber er ist auch nicht die schlechteste Mannschaft in selbigem - im Gegenteil: Da werden noch andere Mannschaften wieder reinrutschen, die jetzt noch nicht wissen, dass es so ist. Mainz zum Beispiel, die ich schon vor Wochen genannt hatte. Oder auch Stuttgart – das sind Mannschaften, die sicher nicht besser sind. Zumindest nicht auf dem Platz. Der größte Qualitätsunterschied liegt eher daneben. Eben dort, wo die Ansprüche realistischer formuliert werden.

Oder was bzw. wer genau lässt uns davon ausgehen, dass wir diese Saison besser sind als in der vergangenen? Ich glaube, es liegt daran, dass ein Douglas Santos plötzlich funktioniert, ein Dennis Diekmeier seine vielleicht beste Saison spielt. Oder daran, dass Gotoku Sakai auf der Sechs wieder gute Leistungen zeigt und Kyriakos Papadopoulos nicht so oft verletzt ist? Oder vielleicht sogar daran, dass inzwischen Youngster wie Tatsuya Ito, Jann-Fiete Arp und ein Rick van Drongelen die Erste Liga angreifen? Ja, sagen viele. Auch hier. Und sie können auf lange Sicht sogar richtig liegen, das will ich niemandem absprechen. Allerdings ist das noch immer gefährlich. Und wenn Sammers Ausbruch etwas bewiesen hat, dann, dass gerade in Hamburg der Grat zwischen der Freude über Verbesserung und zu früher Zufriedenheit sehr schmal ist.

Ich bin weit entfernt davon, schwarz zu malen. Aber ich sehe einfach noch mindesten genau so viele Probleme, wie Indizien für Verbesserung. Zum Beispiel, dass der Kader in der Breite nicht ausreichend gut besetzt ist. Hinzukommt, dass Eckpfeiler Gisdols wie Albin Ekdal einfach nicht langfristig einplanbar sind und die Erwartungshaltung gegenüber den jungen Nachwuchskräften Ito und Arp nicht zu hoch geschraubt werden darf. Bobby Wood stapft trotz der (zweckmäßig gewählten) Komplimente Gisdols noch immer weit hinter seiner Form hinterher, Sven Schipplock ist keine Konkurrenz. Aber am schwierigsten sehe ich es defensiv, wo ein Rock van Drongelen offenbar weiter auf die Lange Bank geschoben wird, während sich Mergim Mavraj gegenüber den ersten zehn Spielen zwar weniger Böcke erlaubt – aber noch immer ein Unsicherheitsfaktor ist.

Nein, von echter Stabilität können wir zwar träumen, wir dürfen auch an eine positive Entwicklung glauben. Aber wir dürfen davon noch nicht ausgehen. Zumal nicht, wenn Spiele wie gegen Hoffenheim noch die (positive) Ausnahme sind. Und deshalb sollten wir alle mal ein halbes Jahr zurückgehen, uns unsere Kommentare von damals durchlesen, wo wir immer Demut gefordert und vor zu frühen Erwartungshaltungen gewarnt haben. Damals wären zweifellos alle mit einem Punkt in Freiburg zufrieden gewesen. Zurecht. Warum also nicht auch heute...?

 

In diesem Sinne, das war mein kurzes Wort zum Sonntag.

Bis morgen!

Scholle

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