Marcus Scholz

2. September 2018

Eigentlich sollten heute und eventuell auch morgen noch (je nach Themenlage) Blogpausen eingelegt werden. Und bis zum Spiel des FC St. Pauli gegen Köln, das ich mir heute live angesehen habe, war ich auch fest davon überzeugt, dass das ginge. Geht aber nicht. Denn das Spiel der Kölner hat gezeigt, wie man in der Zweiten Liga aufsteigt: Wenn man auch in den brenzligsten Situationen die Ruhe bewahrt und seiner Überzeugung folgt. „Wir haben am Anfang nicht gut gespielt, viele Lücken gelassen und schlecht gegen den Ball gearbeitet“, sagte Doppeltorschütze Simon Terodde im Anschluss an den 5:3-Auswärtssieg, „aber wir haben auch nach dem 0:2 die Ruhe bewahrt und nicht angefangen, plötzlich lange Bälle zu spielen.“ Stattdessen hat man den von Neutrainer Markus Anfang vorgegebenen Weg konsequent weiter verfolgt. Terodde: „Wir haben unser Spiel konsequent durchgezogen und deshalb am Ende auch verdient gewonnen.“

Stimmt.

Was das mit dem HSV zu tun hat? Sehr viel! Denn beim HSV wird seit Jahren der Begriff Konstanz auf die unterschiedlichsten Arten und Weisen missbraucht. Er wurde beispielsweise oft von denen gefordert, die im Hintergrund versuchten, schon wieder neue Weichen zu stellen. Und sobald etwas mal nicht funktioniert, ist es hier gleich falsch. Beispiel Pierre Michel Lasogga. Der Angreifer hat beim HSV vor seinem Wechsel nach Leeds nicht gut performt. Nein, er hat sogar wirklich schlecht gespielt. Zugegeben. Er hat auch nicht getroffen. Und deshalb wurde er so hart kritisiert, wie es gerade noch vertretbar war. Selbst der Managementfehler (Lasoggas völlig überzogenes Gehalt) wurde ihm vorgeworfen und es war eigentlich nur logisch, dass sich der Spieler einen anderen Verein sucht, um wieder Spaß zu haben.

Jetzt ist er zurück, trifft gegen einen Fünftligisten ebenso doppelt wie gegen Arminia Bielefeld im letzten Heimspiel. Dass er zuvor 70 Minuten lang gnadenlos wirkungslos war, vergessen. Zumindest von einigen Außenstehenden, die plötzlich die Konjunktivdiskussion aufmachen, dass Lasogga gegen Dresden wahrscheinlich draußen gewesen wäre. Wobei, um das deutlich zu sagen: Diese Diskussion kann man sportlich betrachtet absolut führen. Man muss da nicht einer Meinung sein. Aber niemand sollte hier die Weisheit allein auf sich vereinen. Und wenn man mit dieser Diskussion versucht, eine grundsätzliche Debatte um den Führungsstil des Trainers aufzumachen, dann macht man einen großen Fehler. Zumal man – im Gegensatz zu Köln nach dem 0:2-Gegentreffer – noch nicht einmal etwas falsch gemacht hat, sondern maximal etwas hätte falsch machen können.

Was ich sagen will: Es gibt in Hamburg viele Zeitungen, Radio- und TV-Sender, und eben auch viele freie Journalisten, die sich regelmäßig über den HSV äußern. Ich mache das ja auch. Und auch ich kann nicht behaupten, nie über das Ziel hinauszuschießen. Aber ich vergesse nicht, was ich gestern gefordert habe, wenn ich heute kritisiere. Auch ich habe immer wieder Konstanz gefordert und gesagt, der HSV müsse endlich einen klaren Weg vorgeben, von dem er überzeugt ist und ihn dementsprechend konsequent verfolgen. Selbst dann, wenn er von außen mal angezweifelt wird. Und genau das macht der HSV gerade mit Christian Titz, der seinerseits konsequent seinen Spielstil durchzieht. Wie Köln heute gegen den FC St. Pauli.

Und dazu gehört es auch, Dinge umzustellen, wenn es seiner Meinung nach besser passt. Also auch, einen Doppeltorschützen rauszunehmen, wenn der Trainer der Meinung ist, dass dessen Qualitäten zu Beginn des Spiels eher nicht passen – dafür aber gegen Ende wichtig werden könnten.

Der HSV hat nicht zuletzt durch Hwang inzwischen eine Qualität im Kader, die allemal zum Aufstieg reichen kann, nein: sollte. Defensiv muss sicher noch einiges verbessert werden, das ist klar. Aber offensiv ist man immer in der Lage, die Anzahl der Gegentreffer um mindestens ein Tor zu übertreffen. Nur eine Qualität hat man hier in Hamburg leider noch immer nicht, obwohl sie so leicht herzustellen wären: Vertrauen in die eigenen Führungskräfte und deren Entscheidungen.

Dabei haben die aktuell Handelnden das allemal verdient. Schon allein mit den Entwicklungen und den daraus resultierenden Ergebnissen. Von daher wäre es wünschenswert, dass meine Kollegen und ich sowie das gesamte Umfeld der Mannschaft und besonders das des Trainers genau die gesunde Mitte aus konstruktiver Kritik und Vertrauen finden, die die Kölner Spieler offenbar gefunden haben. Auch wenn es sicher viele Wege zum Erfolg gibt, einer muss ihn vorgeben. In Köln scheint man dafür den „Anfang“ gemacht zu haben – und so steigt man auf.

Absolut indiskutabel ist für mich, was hier in Hamburg aktuell zwischen einigen HSV- und St.-Pauli-Fans abgeht. Gegen Bielefeld hatten einige HSV-Fans die Anhänger des FC St. Pauli ziemlich direkt zum Schlagabtausch aufgefordert. Gestern marschierten sogar Fan-Gruppen beider Klubs mit jeweils knapp 200 Leuten über die Reeperbahn, skandierten Hass-Tiraden („Tod und Hass dem HSV“, „Scheiß St. Pauli“) und mussten von der Polizei voneinander ferngehalten werden. Und das vier Wochen(!) vor dem Derby am 30. September. Peinlich. Ich kann nur hoffen, dass diese Hohlbratzen von den restlichen HSV- und St.-Pauli-Fans ebenso massiv isoliert, wie es mit den Pyro-Idioten am letzten Erstligaspieltag gegen Gladbach gemacht wurde...

In diesem Sinne, bis morgen! Da ist übrigens trainingsfrei. Die nächste Einheit findet erst am Dienstag statt. Bis dahin,

Scholle 

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