Marcus Scholz

23. Dezember 2017

„Ja, iss denn heut scho’ Weihnachten?“ Nein. Das ist erst morgen. Und deshalb haben wir hier und heute noch ein wenig Zeit und Platz, um uns ein paar Dinge zu wünschen. Wenn es für Euch okay ist, würde ich gleich mal damit anfangen, und mir vom HSV wünschen, dass sie es in diesem Jahr schaffen, das zumindest anfänglich umzusetzen, was sie (nicht erst) seit der Ausgliederung proklamieren: Professionellere Strukturen. Denn wenn ich heute lese, dass der HSV für seine Probleme in Sachen Torgefahr wieder auf alte Bekannte wie den 26-jährigen Admir Mehmedi setzt, dann zieht mich das gleich wieder runter. Nicht, weil es ein schlechter Fußballer ist, absolut nicht! Vielmehr, weil er nicht der Kreative ist, der dem HSV fehlt. Mehmedi ist ein Spieler, der über die Außen kommt – und da hat der HSV durch die Verletzung von Nicolai Müller und der Konkurrenzlosigkeit Filip Kostics zwar Bedarf – aber nachrangig gegenüber der zentralen Position.

Okay, meine Kollegen von der „BILD“ spekulieren dabei heute lesbar. Nichts ist also in Stein gemeißelt – daher mein Wunsch: Bitte, liebe HSV-Offizielle, bevor sie den ersten Cent für irgendetwas Neues oder irgendeinen Neuen ausgeben, schauen Sie ganz genau, ob es auch in die notwendigste Position ist. Also komplett anders als im Sommer, wo man vier Millionen Euro für eine ganz tolle Investition in Julian Pollersbeck steckte, und diese vehement verteidigte. Ergebnis: Bis heute hat der U21-Europameister kein Erstligaspiel bestritten. Im Gegenteil: Er war zwischendurch sogar nur noch dritter Keeper. Und das, obwohl ihm kein arrivierter Adler sondern „nur“ – und bitte, lieber Christian, lieber Tom, das soll bitte nicht respektlos klingen – keine gesetzte Nummer eins vorsteht...

Nein, wenn man schon so gar kein eigenes Geld hat, dann muss man genau kalkulieren. Noch deutlich genauer als alle anderen. „Findiger, fleißiger, kreativer“ sein wollte man – seit Jahren. Stattdessen setzte man immer darauf, dass am Ende schon irgendein bzw. DER Mäzen einspringt. Gemütlicher ist’s, ganz klar. Aber es wird dringend Zeit, dass die Verantwortlichen um den selbst ernannten Vorzeigesparer Heribert Bruchhagen endlich mal lernen, mit den eigenen Mitteln etwas zu schaffen. Und für den nahezu sicheren Fall, dass in diesem Moment eigenständig noch nichts umsetzbar ist, dann müssen zumindest die Weichen dafür gestellt werden.

Auf unserer Facebookseite Rautenperle.com habe ich eine Umfrage gestartet, ob Ihr Neuzugänge holen oder es mit dem vorhandenen Potenzial bis Saisonende versuchen würdet.

Immerhin hatte der HSV seit Ende der Transferphase im Sommer gut vier Monate Zeit, sich über Lösungen für die schöngeredeten Fehlplanungen Gedanken zu machen. Vier Monate, in denen man scouten, sprechen und sogar mit Geldgebern neue Strategien für eine erfolgreichere Zukunft hätte verhandeln können. Und da kann das Ergebnis schwerlich ein Mehmedi sein, der es in 17 Spielen der Hinrunde auf acht Startelfeinsätze gebracht hat, wovon er nur vier spiele auch über die kompletten 90 Minuten auf dem Platz blieb.

Wobei, schrieb ich gerade „das kann nicht sein“? Ich meinte natürlich: Das DARF NICHT sein. Denn in der langen Zeit hätte man alle unteren Ligen ebenso abklappern können/müssen wie mit den Spielern sprechen können, die woanders keine Rolle spielen und auf der gesuchten Position – also mit Torgefahr ausgestattet auf der zentralen Mittelfeldposition – zu Hause sind. Sollte diese Position endlich gefunden sein, kann man sich noch immer Gedanken machen, ob auch ein (zweifelsfrei guter) Spieler wie Mehmedi interessant ist...

Wobei, wenn ich schon dabei bin, die Kaderzusammenstellung mit Wünschen zu belegen, dann muss ich einen Wunsch voranschieben: Die Scoutingabteilung. Sechs Mann sind es aktuell, teilweise fest angestellt, teilweise nicht. Und ich muss hier keine Vergleichszahlen anderer Bundesligisten heranziehen, damit jeder erkennt, dass so eine Abteilung in der Form nicht mal im Ansatz konkurrenzfähig ist. Weshalb das so ist? Ich weiß es nicht. Es wurde einfach nichts investiert, weder Zeit noch Geld. Und Heribert Bruchhagen zählt bekanntermaßen nicht zu den Vorsitzenden, die eine Scoutingabteilung für besonders nützlich und noch weniger als wichtig erachten. Meinem geschätzten Kollegen Alexander Laux sagte er vor einem Jahr im Interview beim Hamburger Abendblatt:

 

Bruchhagen: Zum Thema Scouting kann nur jeder Verein seine eigene Philosophie und Notwendigkeit entwickeln.

Sie weichen aus.

Bruchhagen: In keinem Bereich gibt es solch eine Differenz zwischen der Bewertung des Scoutings in der Öffentlichkeit und der Realität in der Bundesliga.

Ist es naiv, eine Liste mit potenziellen Kandidaten zu erstellen und bei Bedarf einen Berater zu kontaktieren?

Bruchhagen: Die Realität sieht doch so aus, dass die Vorstände ein Netzwerk mit zehn, zwölf Beratern betreiben, denen sie vertrauen. Die kommen dann zu Besuch, um über einen unter Vertrag stehenden Spieler zu sprechen, und sagen dann: Ich hätte da noch den einen oder anderen Spieler im Angebot. Dann setzt das Scouting ein.

 

Und ganz ehrlich, eine derartige Sicht des Bundesligageschäftes macht mir Angst. Insbesondere, wenn in dem Zusammenhang heute beim HSV ein Geldgeber steht, der wiederum im direkten Austausch mit dem vielleicht mächtigsten deutschen Spielerberater steht. Das gepaart mit einer recht wirkungslosen Scoutingarbeit sowie einem Sportchef, dem seine Entscheidungen mehr oder weniger vorgegeben werden können, spricht nicht dafür, dass man hier unabhängig und vernünftig entscheiden kann. Und so bekannt das alles auch schon ist, dass MUSS geändert werden.

Nur wie? Wer kann das ändern? Erster Ansatz: Der Aufsichtsrat. Okay, der aktuelle Rat sicher nicht mehr. Die Hälfte der Kontrolleure ist nach komplett wirkungsloser Suche nach strategischen Partnern bereits informiert, dass es für sie nicht weitergeht. Teilweise gegen ihren Willen, da ist keine Motivation mehr vorhanden, plötzlich das zu schaffen, was man die knapp vier letzten Jahre nicht (versucht?) geschafft hat. Und der neue Rat ist noch nicht inthronisiert. Nicht einmal der Vorsitzenden steht, da sich aller Wahrscheinlichkeit nach im Februar Gegenkandidaten aufstellen werden. Zumindest einer, der durchaus Chancen haben dürfte: Bernd Hoffmann. Ich hatte sein Comeback bzw. die Chance darauf als logische Konsequenz der HSV-Misswirtschaft genannt – und es wird immer deutlicher, dass dem so ist...

So viel zu meinen Wünschen. Viel mehr habe ich gar nicht. Zumindest für den Anfang nicht. Denn wenigstens dieser Anfang muss schnellstens gemacht werden, wenn man nicht sehenden Auges die Ligazugehörigkeit aufs Spiel setzen will. Und zu den langfristigen Wünschen habe ich in den letzten Tagen und Wochen an dieser Stelle schon einiges gesagt, daher möchte ich die Gelegenheit hier und heute nutzen, um auch Euch noch einmal ganz herzlich zu danken! Obwohl – nein, das behalte ich mir für den Jahreswechsel vor. Ich will ja das Jahr nicht vor dem Silvester-Abend loben...

Von daher, bis morgen! Da beginne ich mit der statistisch untermalten Hinrundenbilanz, die ich angesichts des Weihnachtswunsches von heute noch einmal um einen Tag schiebe. Sonst wäre das hier zu lang geworden. Daher all denen, die deutlich cleverer als ich sind und die drei Weihnachtstage nicht vor dem Rechner sitzen, schon jetzt ein paar schöne Feiertage!

Allen anderen: Bis morgen!

Scholle

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