Lars Pegelow

3. Oktober 2018

Auch heute war es wieder eine sehr freundliche Stimmung beim HSV-Training im Volkspark. 300 Zuschauer guckten zu am Feiertag bei der einzigen öffentlichen Einheit in dieser Woche. Die Spieler schrieben geduldig Autogramme und posierten für Selfies mit den Fans. Die Sonne schien, und auch Trainer Christian Titz hatte wieder für jeden ein offenes Ohr und eine ehrliche Antwort für Fragen. Ein schöner Spätsommertag – aber auch ein Trainingstag, der noch keine Antworten auf DIE entscheidende Frage bringen konnte. Erst am Freitag beim Auswärtsspiel in Darmstadt wird es neue Entwicklungen geben in der Trainerfrage.

 

Es ist mittlerweile eine Trainerfrage geworden. Und zwar nicht, weil Zeitungen diese Frage aufgeworfen hätten, sondern weil bislang das klare Bekenntnis ausgeblieben ist. Dieses klare Bekenntnis könnte eine deutliche, öffentliche Ansage von Vorstands-Boss Bernd Hoffmann oder Sportvorstand Ralf Becker sein. Oder es könnte eine Antwort der Mannschaft auf dem Platz sein, die am Böllenfalltor überzeugt, nach einer schlechten englischen Woche wieder gewinnt, und damit die Diskussionen um Titz beendet oder doch wenigstens abschwächt. Klare Zeichen der Fans gibt es immer wieder. Auch heute beim Training wurde in Gesprächen mit den Zaungästen immer wieder deutlich, dass die Mehrheit der HSV-Anhängerschaft Kontinuität auf dem Trainerstuhl haben möchte – und zwar Kontinuität mit Christian Titz. Auf einem kleinen Plakat am Zaun wurde „Pro Titz“ votiert. Doch reicht das am Ende?

 

Den Beweis, dass das Titz’sche System in dieser Saison zum Wiederaufstieg in die Bundesliga führen wird, hat die Mannschaft noch nicht erbracht. Von acht Saisonspielen war eigentlich nur ein einziges souverän – das 3:0 auswärts beim SV Sandhausen. Alles andere war nicht souverän, und deswegen geht es beim HSV um Vertrauen. Vertraut die Mannschaft den Vorgaben des Trainers und spielt wieder mutig nach vorn, spielt damit ihre Stärken aus und traut sich zu, über die eine oder andere Wackeligkeit in der Defensive hinweg zu gehen und die eigene Offensivpower auf den Platz zu bringen. Und: Vertraut der Vorstand darauf, dass dies in der Mannschaft passiert – wenn noch nicht in Darmstadt, dann doch vielleicht etwas später? Oder fürchten Hoffman/Becker schon jetzt, dass bereits im Herbst der Zug Richtung Erste Bundesliga verpasst werden könnte?

 

Christian Titz hat mit seinen Aussagen am Montag nach der Nullnummer im Stadtderby versucht, sich etwas Zeit zu kaufen. Man sei sich bewusst gewesen, dass es Durststrecken geben könne. Und dass man nach zehn bis 15 Spiel erst eine ernsthafte Zwischenbilanz ziehen könne. Mindestens zehn also. Das heißt, der Trainer wünscht sich durch die Blume zumindest noch die Gelegenheit, in Darmstadt und zwei Wochen später gegen Bochum überzeugende Spiele auf den Rasen zu zaubern. Soweit der Wunsch, auf der anderen Seite kann nun ja bekanntlich gerade eine Länderspielpause ein guter Einstieg für einen neuen Mann sein.

 

Warten wir ab, was passiert. Wobei vor allem die Etablierten in der Pflicht stehen. Christian Titz vertraut auf Hunt/Holtby/Sakai, sein erfahrenes Trio, das gegen St. Pauli verwachst hat. Nimmt man das heutige Training als Maßstab, dann werden diese drei auch gegen Darmstadt wieder in der Startelf stehen. Auch Fiete Arp war wieder in der vermeintlichen A-Elf, trotz seines unglücklichen Auftritts im Derby. Heute gelang ihm im Trainingsspielchen zumindest mit einem Weitschuss ein sehenswerter Treffer, der gleich lauten Beifall der Zuschauer nach sich zog. „Fiete braucht Spielpraxis“, sagte Christian Titz am Montag zur Leistung seines jungen Angreifers am Tag zuvor. Es sieht nun so aus, als ob Titz Arp diese Spielpraxis geben möchte, und Pierre Michel Lasogga zunächst wieder draußen sitzt. Um das durchzuziehen, müsste Fiete Arp (null Tore) langsam an die Torquote Lasoggas (fünf Tore) herankommen. Ansonsten hört die Debatte um den Mann im Sturmzentrum nicht auf. Was ja auch wieder auf der Hand liegt, wenn einer, der erwiesenermaßen häufiger trifft als andere dennoch um seinen Stammplatz zittern muss.

 

Was das Darmstadt-Spiel angeht, war heute auch wieder Tatsuya Ito in der Startelf über die linke Seite. Über rechts kam Hee Chan Hwang, und Khaled Narey fand sich in der B-Elf wieder. Generell gibt es gute Gründe, skeptisch zu sein was die aktuelle Entwicklung des Teams angeht. Auf der einen Seite ist da die spürbare Verunsicherung der vergangenen Spiele. Viele technische Fehler, einfache Fehlpässe und die mangelhafte Anzahl eigener Tormöglichkeiten sind drei deutliche Symptome. Der Ausbruch Lewis Holtbys nach dem Derby ein weiteres. Es ist Holtbys gutes Recht, zu beklagen, was er um den HSV herum wahrnimmt. Gleichzeitig liegt der Verdacht nahe, dass Holtby den inneren Zusammenhalt, die interne Stabilität als so brüchig ansieht, dass dieser Appell bzw. diese Beschwerde an Außenstehende loswerden musste. Unabhängig davon, ob diese Haltung nun den Tatsachen entspricht oder nicht, ist es doch ein Zeichen dafür, in welcher Alarmstimmung sich das Team befindet und dass es offenbar einen Mangel gibt an eigenen Lösungsansätzen.

 

Alles in allem ist die Lage bedauernswert. Der Trainer ist geschwächt, die Mannschaft verunsichert. Die Verantwortlichen mögen eine klare Haltung haben, zeigen sie aber nicht oder zumindest unzureichend. Das Positive an der Sache ist, dass der HSV all dies auf dem vierten Tabellenplatz erlebt, tabellarisch mitten drin im Rennen um einen Aufstiegsplatz, und dass nicht einmal ein Viertel der Saison absolviert ist. Es ist – theoretisch – alles noch zu kitten. Aber Klarheit in den Entscheidungen und Vertrauen in die Handelnden ist der Schlüssel, wer immer diese Handelnden dann auch sind.

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