Lars Pegelow

15. Februar 2018

Als Bernd Hoffmann am 29. Januar offiziell sein Team für die Präsidentschaft im HSV e.V. vorgestellt hat, da kündigte er an: „Der HSV wird drei Wochen Wahlkampf bestimmt überstehen.“ Nun sind die drei Wochen fast um, und der Tag der Entscheidung naht. Tatsächlich hat der Wahlkampf den Club nicht in den Untergang gestürzt, aber abgesehen davon, dass es in der Zwischenzeit mit dem 1:1 gegen Hannover und dem 0:2 in Dortmund sportlich bescheiden lief, ist auch wieder eine Spaltung im HSV deutlich geworden. Die beiden Protagonisten, also Hoffmann als Herausforderer und Jens Meier als Amtsinhaber, haben ihren Ton verschärft und stehen für zwei verschiedene Richtungen im HSV. Aber für welche eigentlich?

 

Jens Meier setzt auf Kontinuität und darauf, dass er nach drei Jahren soliden Wirtschaftens für den e.V. nun das Vertrauen und das Mandat erhält, auf seine Weise auch offensiver in der AG zu wirken. Bernd Hoffmann hält sich mit der Bilanz Meiers im HSV e.V. nicht auf und setzt gleich voll auf die Karte AG – er strebt kurzfristig den Aufsichtsrats-Vorsitz und mittelfristig wohl eine Umbesetzung des Aufsichtsrates an. Beide Kandidaten haben ihre Erfahrungen mit dem HSV, und beide haben zu unterschiedlichen Zeitpunkten Erfolge und Misserfolge mit zu verantworten. Sicher ist es von Hoffmann zu kurz gesprungen, wenn er die wirtschaftlich angeschlagene Situation des HSV zum Ende seines Vorsitzes 2011 leugnet. Auf der anderen Seite hat Meier als Aufsichtsrat zwischen 2013 und 2014 sowie seit 2015 mit der Präsidentschaft hohe Ämter gehabt, ohne dass in dieser Zeit ein Turnaround geschafft wurde.

Ganz konkret, da müssen beide Kandidaten am Sonntag sicher noch mehr liefern, haben sie noch nicht gesagt, was genau sich ändern wird, wenn sie gewählt werden. Will Hoffmann den Aufsichtsrat neu besetzen? Geht das überhaupt auf die Schnelle? Wen sieht er künftig im Vorstands-Vorsitz? Muss nicht ein Sportvorstand geschaffen werden? Und was bedeutet es, wenn sich Meier mehr um die AG kümmern möchte? Was soll der von ihm ausgewählte Aufsichtsrat konkret besser machen? Was sind die Vorgaben an den Vorstand? Die Antworten sind eher schemenhaft erkennbar – und deswegen geht es bei der Entscheidung auch ganz sicher um die Frage:

Wem vertrauen die HSV-Mitglieder mehr?

 

Ist Bernd Hoffmann glaubhaft, wenn er seine HSV-Leidenschaft betont und viele neue Wege beschreiten möchte. Ist es Jens Meier zuzutrauen, die Solidität im e.V. auf die AG zu übertragen – oder sind das zwei völlig verschiedene paar Schuhe? Aus meiner Sicht ist es unerlässlich, dass sich der HSV – und damit auch der neue Präsident, der Aufsichtsrat und der AG-Vorstand – klar wird über die zentrale Frage der Gegenwart. Wie gehe ich mit Klaus-Michael Kühne um?

 

In der abgelaufenen Transferperiode hat der HSV auf wirtschaftliche Hilfe Kühnes verzichtet, obwohl der Milliardär seine Hilfe angeboten hatte. Es scheint eine Haltung die Oberhand zu gewinnen, nach der sich der HSV nicht noch weiter in Abhängigkeit begeben darf von seinem großen Gönner. Das soll die Leistung und die Verdienste Kühnes um den HSV nicht schmälern. Wo stünde der HSV ohne Kühnes Hilfe in den letzten Jahren? Vermutlich müsste sich niemand um den Klassenerhalt in der Bundesliga sorgen, weil der HSV längt unterklassig spielen würde. Und trotz Kühnes Einsatz ist es dem HSV nicht gelungen, seine Finanzen zu konsolidieren. Im Gegenteil. Noch unter Bernd Hoffmann hat es die ersten Verträge mit Kühne gegeben. Bedauerlicherweise ist diese Zusammenarbeit seither die Geschichte eines großen Scheiterns. Träume sind gescheitert, Wünsche, Hoffnungen, Vorstellungen. Geld ist versickert, die Mannschaft ist verglichen mit der Vor-Kühne-Zeit in einem erbärmlichen Zustand. Wir sprechen heute über den schlechtesten HSV aller Zeiten. Das ist tragisch, insbesondere für Kühne selbst.

 

Immerhin sind Abwehrmechanismen in Gang gesetzt worden. Finanz-Vorstand Frank Wettstein hat Konstruktionen geschaffen, die den HSV mittel- und langfristig rausholen sollen aus seiner katastrophalen Situation. Möglicherweise kann dadurch aber der Abstieg in die 2. Liga nicht verhindert werden, und dennoch – oder vielleicht gerade deswegen – muss sich der HSV heute um eine tragfähige Konstruktion für die Zukunft kümmern. Der Eindruck besteht, wonach sich beispielsweise die beiden Präsidentschafts-Kandidaten dieser Lage und dieser Frage bewusst sind. Es könnte eine Lösung sein, sich von weiteren Vereinbarungen mit Klaus-Michael Kühne fernzuhalten. Nicht um in Kühne den Sündenbock zu brandmarken – das ist er ganz sicher nicht. Sondern um endlich wieder auf den eigenen Füßen zu stehen. Kommt der HSV nicht von seinem Schuldenberg herunter und gelingt es dem HSV nicht, mit einer Stimme stark und eigenständig zu sprechen, dann sind alle anderen Rettungsversuche vergebens. Der HSV muss es einfach aushalten, eine weitere Transferperiode ohne Gelder von außen zu überstehen. Alles andere, diese Transfer-Flickschusterei, führt zu nichts als weiteren Problemen. Diese Haltung mag unpopulär sein, und der Vorstand ist aktuell auch recht zurückhaltend mit der Formulierung einer entsprechenden Handlungsweise. Aber faktisch ist es so im Januar-Transferfenster geschehen. Darüber hinaus schwebt das Damokles-Schwert Zweitliga-Lizenz über dem HSV. Gut möglich, dass sich in diesem Fall eine zu große finanzielle Lücke auftun würde, als dass sie der HSV ohne Kühne schließen könnte. Die Kühne-Tür für diesen Fall hinter sich zuzuschlagen, wäre fatal – und genau diese Befürchtung macht es HSV-Amtsinhabern aktuell so schwer, eine deutliche und notwendige Position zu vertreten.

 

Bernd Hoffmann hat also von Wahlkampf gesprochen. CDU gegen SPD – Jamaika oder GroKo. Hier treffen rivalisierende Parteien aufeinander, die unterschiedliche Vorstellungen haben und gezwungen sind, sich voneinander abzugrenzen. Hoffmann und Meier gehören beide zum HSV. Seit es den Aufsichtsrat gibt im Jahr 1996 zerfleischen sich Menschen, Gremien, Aufsichtsräte, Vorständen und wer auch immer im HSV gegenseitig. Es herrscht eine Kultur des Gegeneinanders. Selbst wenn Bernd Hoffmann für sich die sportlich erfolgreichste HSV-Zeit der jüngeren Vergangenheit beansprucht, so war auch damals immer Unruhe. Erfolge wir das zweimalige Erreichen des UEFA-Pokal-Halbfinals waren gefühlte Katastrophen. Das Grundrauschen der Zerstrittenheit ist in der DNA des HSV verankert, und eigentlich hat es nur der damalige Aufsichtsrats-Vorsitzende Udo Bandow geschafft, den Laden – mühevoll – zusammenzuhalten.

 

Es wird die Aufgabe des Präsidenten sein, sich für stärkeres Zusammenhalten einzusetzen. Nur mit eigener Stärke – nicht mit Geld von außen – wird der HSV perspektivisch wieder aus dem Quark kommen können. Wer steht dafür mehr, Hoffmann oder Meier?

 

 

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