Marcus Scholz

22. September 2020

Trainer Daniel Thioune kann sich ein verschmitztes Lächeln nicht verkneifen, als er auf seinen jüngsten Neuzugang angesprochen wird. Immerhin ist es nicht das erste Mal, dass er auf Moritz Heyer angesprochen wird. Schon bei seinem Amtsantritt galt der Innenverteidiger vom VfL Osnabrück als Wunschspieler des HSV-Trainers, der den 25-Jährigen in der vergangenen Saison vom Halleschen FC geholt und im Anschluss zu einem der besten Innenverteidiger der Zweiten Liga entwickelt hatte. „Als ihr mich am Anfang gefragt hattet, war es nicht darstellbar. Inzwischen ist der Spieler mit einem Preisschild vom VfL ausgestattet auf den Markt gekommen – und da konnten wir uns einbringen“, so Thioune. Die Dynamik, dass auch andere Teams um Heyer geworben hätten, hätte den VfL letztlich doch dazu bewogen, den Innenverteidiger auf dem Markt anzubieten, so Thioune.

Gute 24 Stunden vor dem Zweitligaauftakt gegen Erstligaabsteiger Fortuna Düsseldorf war Heyer angekommen. Gut 500.000 Euro muss der HSV an den VfL zahlen. Ein Preis, der sich angesichts der ersten Eindrücke lohnt. Denn Heyer war sofort da, spielte aggressiv am Mann, mit feiner Übersicht am Ball. Und es wirkte tatsächlich so, als habe er sich Ewigkeiten schon mit seinen Mitspielern abgestimmt. „Ich hatte schon die Erwartung, dass er seine Qualitäten einbringt und sich gleich zurechtfindet. Dass er es so gut macht, war vielleicht nicht zu erwarten. Es war ein richtig guter Vortrag von ihm.“ Aber es ist auch erst der Anfang, glaubt Thioune. „Er ist ambitioniert. Wie ich will er nicht nur hier sein, sondern den nächsten Schritt machen.“

Thioune setzt auf Heyer - Heyer setzt auf Thioune

Der noch immer studierende Heyer („Ich brauche auch etwas für den Kopf“) selbst stand heute nach dem Training das erste Mal Rede und Antwort. Seinen Kaltstart hat er gut verkraftet. Es sei das schönste der Gefühle gewesen, sofort für den neuen Klub auf dem Platz zu stehen. Jetzt freut er sich, nach und nach alles kennenzulernen. „Es ging alles sehr, sehr schnell. Da konnte ich mir noch nicht zu viele Gedanken machen. Jetzt freue ich mich darauf, alle kennenzulernen.“ Warum er sich trotz anderer Angebote für den HSV entschieden hat? „Der HSV ist ein großer Verein und das Trainerteam kenne ich sehr gut. Das ist ein gutes Trainerteam.“

Thioune und Cotrainer Melvin Polzin kennt er schon – und wir kennen den Fußballer Heyer. Ein Innenverteidiger, der nicht allein über das Verteidigen kommt, sondern auch spielerisch von hinten raus eine Lösung darstellt. Heyer bringt das mit, was beispielsweise der rustikale Abräumer Stephan Ambrosius oder Toni Leistner nicht mitbringen. Apropos Leistner:  Lothar Matthäus hält eine Strafe für HSV-Profi Toni Leistner für verfehlt. Wenn es stimme, dass der attackierte Fan extrem verletzende und zutiefst kränkende Äußerungen von sich gegeben habe, könne er die Reaktion von Leistner absolut nachvollziehen. Matthäus: „Ich plädiere in diesem Fall sogar für einen Freispruch, weil der HSV-Profi nicht wirklich gewalttätig wurde. Ich habe mir die Szene einige Male angesehen und konnte keinen Schlag oder Ähnliches erkennen. Er hat ihn noch nicht einmal wirklich geschubst, sondern lediglich mit etwas Nachdruck dafür gesorgt, dass sein Gegenüber wieder auf dem Hosenboden sitzt.“

 

Am Donnerstag ist Anhörung. Dass es zu einer Strafabmilderung kommt, ist eher unwahrscheinlich. Der DFB ist nicht wirklich bekannt für empathisch motivierte Urteile. Und das wird sich auch nicht ändern. Ganz trocken und faktisch betrachtet hat Leistner etwas gemacht, was er nicht darf. Das wurde vom DFB sanktioniert. Dass dazu Beschimpfungen der untersten Kategorie vorausgegangen waren, haben dafür gesorgt, dass der DFB nicht noch härter bestraft hat. Eine Abschwächung des Urteils erwartet aber selbst beim HSV durch die mündliche Verhandlung niemand.

Seichte Hoffnung bei Leistner - Heyer als Ersatz

Umso wichtiger ist es, dass der HSV mit Moritz Heyer eine starke Alternative hat. Von den ersten Eindrücken her würde ich Heyer sogar zum besten Mann in der Innenverteidigung erklären und traue ihm die Rolle des Abwehrchefs zu. Intellektuell kann es der Student für Sportmanagement allemal, sportlich genauso. Und der HSV sucht hier nach dem missglückten Versuch mit Timo Letschert und vor allem Rick van Drongelen noch immer. Aktuell ist sogar noch ein weiterer Innenverteidiger auf dem Wunschzettel der sportlichen Leitung.

Heyer selbst sieht sich trotz der vielen Positionen, die er in den letzten Jahren gespielt hat, als Innenverteidiger. Und für den HSV ist er nach vielen Jahren der erste Innenverteidiger mit Potenzial für mehr, behaupte ich. Er antizipiert stark, hat ein gutes Tempo, kann mit dem Ball umgehen und ist torgefährlich. Der Umstand, dass Heyer immer wieder auch im Mittelfeld eingesetzt worden war in den letzten Jahren hat ihn umfänglicher ausgebildet als manch reinen Innenverteidiger.

Sechs Treffer in der abgelaufenen Saison schaffte Heyer – und auch gegen Düsseldorfer war er mit einem Kopfball fast sofort erfolgreich. Vor allem aber war Heyer schon verbal aktiv, er stellte seinen jungen Nebenmann Ambrosius immer wieder gut. Er machte es einfach, ohne dass man viel vorher drüber sprach. Er übernahm Verantwortung, ohne dass man es von ihm erwarten konnte. Mit anderen Worten, der Neue bringt die wichtigste Voraussetzung mit, ein Führungsspieler zu werden: Nämlich die Fähigkeiten dafür. Während selbiges für van Drongelen zuletzt wie eine Last wirkte, scheint Heyer daran zu wachsen. So, wie er im letzten Jahr unter Thioune beim VfL Osnabrück zum unumstrittenen Chef in der Defensive wurde. Mit Heyer hat der HSV einen richtig guten Fang gemacht, behaupte ich. Und das tatsächlich noch gerade rechtzeitig zum Saisonauftakt Geben wir ihm also ein wenig Zeit, sich hier fest einzuleben. Ich glaube, dann werden wir mit ihm noch sehr viel Spaß haben.

 

Spaß gemacht haben zuletzt auch die nur 1000 zugelassenen HSV-Fans im Stadion. Ehrlich gesagt, war diese puristische Stimmung sogar richtig spannend. Weniger Dauer-Singsang, mehr direkte Reaktion auf das Spielgeschehen. Nicht vergleichbar mit dem Hexenkessel von 57.000 Zuschauern – aber eben eine echt coole Erfahrung, die sich jetzt langsam steigert. Zumindest haben der HSV (ebenso wie der FC St. Pauli) grünes Licht für mehr Zuschauer bekommen. Die Teilnehmerzahl darf jedoch höchstens ein Fünftel (20 Prozent) der vorhandenen Platzkapazität des Veranstaltungsorts betragen. Eine entsprechende Änderung der Corona-Verordnung hat der Senat am heutigen Dienstag beschlossen. Dementsprechend könnten schon gegen Erzgebirge Aue bis zu 11.400 Zuschauer im Stadion dabei sein. Keine Zulassung von Zuschauern erfolgt in der Regel, wenn die 7-Tages-Inzidenz pro 100.000 Einwohner am Austragungsort größer gleich 35 und das Infektionsgeschehen nicht klar eingrenzbar ist.

In diesem Sinne, bis morgen! Da melde ich mich um 7.30 Uhr wieder mit dem MorningCall bei Euch. Bis dahin!

Scholle

 

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