Marcus Scholz

15. Mai 2020

Es geht wieder los. Am Sonnabend werden die ersten Bundesliga- und Zweitligaspiele gespielt. Und alle freuen sich drauf. Zumindest innerhalb der Ligen und bei deren Fans herrscht größtenteils eine gespannte Vorfreude. Auch, weil niemand so wirklich weiß, was uns mit den Geisterspielen erwartet. Am Sonntag (13.30 Uhr/Sky) geht es für den HSV zum spielstarken Tabellenfünften SpVgg Greuther Fürth gelingen. „Wir wissen, dass wir nach dem Restart noch mal in die Vollen gehen wollen“, sagte Trainer Dieter Hecking am heutigen Freitag per Videoschalte. In Der Coach verbreitete in dem Gespräch sehr wohl gute Laune, musste allerdings auch einen Rückschlag einräumen. Gleich drei Spieler haben das Vier-Sterne-Hotel Herzogspark bereits verletzt verlassen: die Defensivakteure Gideon Jung und Ewerton sowie Ersatztorhüter Julian Pollersbeck. „Die drei sind zu genaueren Untersuchungen nach Hamburg abgereist“, sagte der Coach. Zudem fehlt seit gut einer Woche auch Rechtsverteidiger Jan Gyamerah wegen einer Muskelverletzung. „Da sollten nicht mehr allzu viele dazukommen“, hofft Hecking.

Der Trainer hofft, dass sein Team in puncto körperliche Fitness schon auf einem guten Level ist, dennoch betont er: „Es ist eine Reise ins Ungewisse.“ Positiv vermerkte er, dass in den vergangenen Wochen einige Profis auf sich aufmerksam machen konnten, von denen man das nicht zwingend so erwarten durfte. Als Beispiel nannte der HSV-Coach hier den bislang eher glücklosen Xavier Amaechi. Der englische Rechtsaußen, nach dem wir im Community-Talk gefühlt jedes mal gefragt werden, habe „einen Riesensprung“ gemacht, meinte Hecking und lobte: „Der Junge mit seinen 19 Jahren ist jetzt angekommen. Er findet sich immer besser zurecht, hat seine Spielhektik abgelegt, trifft klare Entscheidungen.“

Neben Amaechi dürfen nach den drei verletzten Spielern auch die Backup-Spieler aus der „Trainingsgruppe 2“ hoffen, dass sie nachnominiert werden. In Norderstedt üben unter der Leitung von U21-Trainer Hannes Drews die Talente Bennett Schauer, Bryan Hein, Jonah Fabisch, Lukas Pinckert, Faride Alidou, Tobias Fagerström und Anssi Suhonen. Bislang wurde zwar noch keiner nachnominiert. Sollte Pollersbeck allerdings länger ausfallen, würde voraussichtlich Keeper Schauer in der kommenden Woche zu den Profis stoßen.

Sportvorstand Boldt fühlt sich verschaukelt

Unklar ist für Spieler wie Trainer bislang noch, was sie im Stadion am Spieltag erwartet, bzw. worauf sie achten müssen. Nach dem Fauxpas von Augsburgs Trainer Heiko Herrlich, der die Quarantänebestimmungen verletzte, mahnte Hecking: „Wir müssen uns alle bewusst sein, dass wir nach wie vor unter Beobachtung stehen.“ Was ihm drohen würde, sollte er einen solchen Fehler machen? Sportvorstand Jonas Boldt deutete es heute gegenüber dem NDR schon einmal an, dass er dafür null Verständnis hat: „Ich habe das nicht geglaubt. Ich dachte, es sei ein Witz. Das ist ja kein 20-jähriger Spieler, sondern ein erwachsener Mann, der dieses Thema auch vorleben sollte.“

Das allerdings wird nicht so weit führen, dass sich der inzwischen 55 Jahre alte Hecking in seinem mitunter emotionalen und impulsiven Coaching einschränken lässt. „Ich glaube, dass ich das genauso machen werde wie immer. Es ist mir ganz egal, was man hört von mir“, meinte der HSV-Trainer, dessen Stimmfarbe so tief ist, dass ich mir sicher bin, dass wir die meisten seiner Ansagen während des Spiels via TV in unsere Wohnzimmer transportiert bekommen werden.

Und ich werde auf unserer Auswärtscouch mal versuchen, darauf zu achten – was Hecking völlig zurecht scheißegal ist, wie er heute noch einmal betonte: „Wenn der DFB und die DFL meinen, sie müssten mich korrigieren und eingreifen, dann ist das ihr Problem und nicht meins.“ Er werde seine Mannschaft genauso coachen, als seien 50 000 im Stadion – und das dürfte recht laut werden. Gespannt sein dürfen wir auch auf die Startelf. Bislang ist sie noch unklar, da es noch ein, zwei Fragezeichen gibt. Timo Letschert beispielsweise sei noch nicht bei 100 Prozent, sagte uns Hecking heute. Er habe am Donnerstag kurz mit seinem Innenverteidiger gesprochen. Dennoch erwarte er, dass es bei dem Niederländer bis Sonntag alles hinhaut. Ansonsten hätte der HSV-Trainer mit Stephan Ambrosius einen Spieler dabei, der ihm in den letzten Einheiten überraschend gut gefallen habe.

Im Zentrum hat Hecking ein Luxusproblem

Weniger überraschend kommt indes das Überangebot im Mittelfeldzentrum. Adrian Fein (Hecking: „Er macht einen sehr guten Eindruck“) dürfte auf der Sechs gesetzt sein. Davor kämpfen gleich drei potenzielle Stammspieler um zwei Positionen – wenn man Sonny Kittel auf die Außen setzt und David Kinsombi („Er hat sich stark verbessert“) noch nicht in den engeren Kreis mit einberechnet: Kapitän Aaron Hunt, Louis Schaub und den aus der Verletzung zurückgekehrten Jeremy Dudziak. Er habe hier die Qual der Wahl, sagte Hecking. Allerdings würde das auch nötig, da in den nächsten Wochen die Belastung derart hoch sein wird, dass er Rotationen in der Startelf fest eingeplant habe. Zur Erinnerung: Nach dem Spitzenspiel am kommenden Sonntag zuhause gegen Bielefeld geht es vier Tage später zum VfB Stuttgart zum zweiten Aufstiegskracher. Ginge es nach mir, würde ich heute folgende Startelf aufstellen: Heuer Fernandes –Beyer, Letschert, van Drongelen, Leibold – Fein – Jatta, Schaub, Dudziak, Kittel – Hinterseer. Hierbei vorausgesetzt wäre dass Letschert bei 100 Prozent ist. Ansonsten würde Vagnoman auf rechts beginnen und Beyer ins Zentrum rücken). Oder wie seht Ihr das? Lieber mit Hunt...?

Egal wie, bis morgen! Genießt den Freitagabend – und bleibt gesund! Im Nachklapp habe ich Euch noch einmal zusammengestellt, was sich noch alles beim Re-Start der Bundesligen geändert hat bzw. worauf wir achten müssen

Scholle

 

Die Neuerungen im Überblick:

KONFERENZ-TV: Die Fans können zumindest die nächsten zwei Spieltage live im Free-TV dabei sein. Der Pay-TV-Sender Sky wird seine Konferenz-Schalten von den Geisterspielen der 1. Liga am Samstag und der 2. Liga am Sonntag am 26. und 27. Spieltag auf seinem frei zugänglichen Kanal Sky Sport News HD zeigen. Offen war noch, ob der kostenpflichtige Streamingdienst DAZN am Montag die Partie von Werder Bremen gegen Bayer Leverkusen live überträgt. Hintergrund ist ein Streit zwischen der DFL und Eurosport, dessen Rechte DAZN als Sublizenznehmer übernommen hat.

RUDELGUCKEN VERBOTEN: Das wird hart für gesellige Fußballfans! Stadion geschlossen - und auch vor dem Fernseher dürfen sich keine Gruppen versammeln. Da die Bundesliga-Konferenz im TV an den beiden nächsten Spieltagen frei empfangbar ist, sind die Anhänger aber nicht auf Kneipen mit Pay-TV angewiesen. Theoretisch könnte jeder im kleinen Kreis zu Hause schauen. Die Polizeigewerkschaft hatte auch vor Ansammlungen an den Stadien gewarnt wie beim ersten Geisterspiel zwischen Borussia Mönchengladbach und dem 1. FC Köln. Clubs und Fans stehen seitdem im engen Austausch. Es werde an den Stadien nach Aussagen vieler Vereine nicht zum Massenauflauf kommen.

WECHSEL: Jetzt wird's voll an der Seitenlinie. Rechtzeitig vor dem Start hat die DFL für den Rest der Saison fünf statt drei Auswechslungen erlaubt. Damit sollen die Spieler angesichts des dicht gedrängten Kalenders im Zuge der Corona-Krise und möglicher Spiele bei großer Hitze im Sommer entlastet werden. Durchgeführt werden dürfen die Wechsel in der Pause und bei weiteren drei Gelegenheiten während der Spielzeit. Damit soll verhindert werden, dass Trainer in der Schlussphase mit vielen Auswechslungen auf Zeit spielen. BVB-Coach Lucien Favre begrüßt die Übernahme der FIFA-Empfehlung ausdrücklich: "Wir hatten zwei Monate kein Spiel, auch kein Freundschaftsspiel. Deshalb finde das sehr gut mit den fünf Auswechslungen."

HYGIENE: Auf Jubelarien nach Torerfolgen werden die Fans am Wochenende vergeblich warten. Laut Hygiene-Konzept der DFL sind Umarmungen und Abklatschen zu unterlassen, Ellbogen- und Fußkontakt hingegen erlaubt. Gewöhnungsbedürftig wäre der Mundschutz für Trainer, allerdings wurde diese Vorschrift heute zurückgezogen.

ZUSCHAUER: Die Zahl von rund 300 Personen soll laut des DFL-Konzeptes „Sonderspielbetrieb“ nicht überschritten werden. Die Stadien werden in drei Zonen eingeteilt:

Dabei geht es um das Spielfeld und die unmittelbare Umgebung sowie die Kabinen und den Spielertunnel. Hier dürfen sich Spieler, Schiedsrichter, Funktionsteams der Mannschaften, „Ballkinder“ (Mindestalter 16 Jahre), Ordnungsdienste sowie Personal der TV-Produktion aufhalten.

Hier sitzen einige wenige Journalisten sowie Kameraleute. Hinzu kommt die Leitstelle für die Stadionüberwachung. Die Klubs werden mit kleinen Delegationen zusehen dürfen. Hiermit ist das Gelände gemeint, bevor der öffentliche Raum beginnt. Ordnungspersonal und die Mitarbeitenden in den Übertragungswagen werden sich hier aufhalten dürfen. In jeder der drei Zonen sollen sich etwa 100 Menschen aufhalten dürfen. Eine Verrechnung zwischen den Zonen ist in dem Konzept nicht vorgesehen.üne:

„Während der laufenden Saison wird eine zweimalige wöchentliche Durchführung von PCR-Tests als angemessen erachtet, in jedem Fall möglichst kurz vor jedem Spiel", heißt es in dem medizinischen Teil des Konzepts der DFL. In der Praxis werden alle Beteiligten am Tag vor einem Spiel oder am Spieltag selbst getestet. Der reine Labornachweis dauert zwischen vier und fünf Stunden, Boten könnten eine schnelle Einreichung von Proben in den Laboren sicherstellen, die zu schnellen Ergebnissen führen. Es gibt auch Personengruppen in den Stadien, die nicht getestet werden. Dazu gehören die mindestens 16 Jahre alten "Ballkinder", aber auch die Bildregisseure, Kameraleute oder Kabelträger der DFL-eigenen Firma "Sportcast", die das TV-Signal produziert. Ein positiver Test muss den Gesundheitsbehörden gemeldet werden. Diese entscheiden dann, ob die Mitspieler eines infizierten Spielers nach Definition des Robert-Koch-Institutes Kontaktpersonen der Kategorie 1 oder 2 sind. Für die Kategorie 1 wird angenommen, dass zwei Menschen zusammengerechnet 15 Minuten engeren Kontakt hatten, beispielsweise in einem persönlichen Gespräch.

Durch ihr Hygienekonzept, das beim Trainingsbetrieb wie im Stadion auch auf schlichten Grundregeln wie Abstandhalten, Händewaschen, Desinfizierungen oder dem Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes basiert, hofft die DFL auf eine Einstufung der Spieler in Kategorie 2. In Dresden sah das Gesundheitsamt die Lage anders, nachdem es wiederholt zu positiven Tests kam und das Mannschaftstraining mit Zweikämpfen begonnen hatte - die ganze Mannschaft musste für zwei Wochen in Quarantäne. Für die DFL ist von entscheidender Bedeutung, wie die Ämter diese Kategorisierung in den kommenden Wochen bei positiven Tests vornehmen.

Was passiert, wenn ein Schiedsrichter positiv getestet wird? Das Schiedsrichter-Gespann besteht weiter aus vier Personen, einen Beobachter gibt es im Sonderspielbetrieb nicht. Die Anreise erfolgt meist getrennt voneinander. Kommt es zu einem positiven Test im Team der Unparteiischen, soll ein Ersatz anreisen. Ist das nicht möglich, beispielsweise an etwas abgelegeneren Standorten wie Leipzig oder Freiburg, müssen die anderen drei die Rollen neu verteilen. In den Spielen dort werden deshalb vorzugsweise Bundesliga-Schiedsrichter als vierte Offizielle angesetzt, um im Ernstfall einspringen zu können. Die Schiedsrichter reisen am Spieltag an und werden am Tag davor getestet. Neu ist, dass Schiedsrichter Mannschaften aus ihrem Landesverband pfeifen dürfen. Spiele von Mannschaften aus ihrer Stadt bleiben weiter ausgeschlossen. Felix Brych aus München dürfte also ausnahmsweise den FC Augsburg pfeifen, zum FC Bayern darf er aber weiterhin nicht.

SPIELABSAGE: Spiele können zu jeder Zeit abgesetzt werden, auch wenn das kurzfristig erforderlich wird. Das gilt bei extremen Wetterverhältnissen oder Stromausfällen wie auch bei einer Quarantäne einer kompletten Mannschaft. Kommt es am Tag vor einem Spiel oder am Spieltag selbst zu einem positiven Test, müssen die Gesundheitsbehörden aktiv werden. Entscheiden sie sich zu einer Gruppenquarantäne einer oder beider Mannschaften, kann das Spiel nicht stattfinden.

Bleibt es garantiert beim Heimrecht eines Klubs? Nein. Die DFL teilte mit, es gebe nun „die Möglichkeit, ein Spiel aus übergeordneten zwingenden rechtlichen, organisatorischen und/oder sicherheitstechnischen Gründen kurzfristig in einem anderen Stadion auszutragen“.Hintergrund sei, dass regional ein unterschiedliches Infektionsgeschehen denkbar ist. Die Verlegung an einen neutralen Spielort ist bei Bedarf nun möglich. Am Ende könnte eine Mannschaft also weniger Heimspiele gehabt haben als eine andere.

KONZEPT: Das Konzept der DFL mag Risiken verkleinern und professionell erstellt sein, derzeit wird es aber an vielen Stellen nicht korrekt umgesetzt. Den neuesten Vorgang lieferte wie oben erwähnt Augsburgs Trainer Heiko Herrlich. Zuvor hatte ein Video aus dem Alltag von Hertha BSC, das der Spieler Salomon Kalou veröffentlichte, nicht eingehaltene Abstandsregeln bei mehreren Personen gezeigt. Das Video belegt wahrscheinlich auch eine falsche Abstrichnahme während eines Corona-Tests bei einem Spieler. Das kann trotz des Verweises auf unabhängige Labore zu falschen negativen Ergebnissen führen. Ein Kritikpunkt hierbei ist, dass die Klubs die Probeentnahmen selbst durchführen. Unvermögen oder schlimmstenfalls Manipulation könnten im Labor zu für die Klubs vorteilhafteren negativen Ergebnissen führen. Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sagte mit Blick auf sportliche Drucksituationen: „Die Versuchung ist sehr groß, dass man nicht testet oder den Abstrich so macht, dass er nicht positiv sein kann.“

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