Marcus Scholz

31. Januar 2020

Ich hatte Jonas Boldt gerade danach gefragt, ob es neben den üblichen verdächtigen noch Überraschungen geben könnte am Transfer-D-Day, als hinter uns Xavier Amaechi von Boldts Sportchef Michael Mutzel vom Platz geholt wurde. Der junge Engländer hatte bis hierhin mit den Reservisten von gestern Spiel-Ersatztraining absolviert. Und nachdem Boldt erst nicht viel sagen wollte, kam er jetzt nicht mehr wirklich drumherum. „Ich persönlich bin da ja eher bei Julian Nagelsmann und glaube, dass es manchmal besser ist, sich durchzubeißen“, so der Sportvorstand des HSV, ehe er andeutete, dass der bislang sportlich enttäuschende Youngster vor einem Wechsel auf Leihbasis nach England stünde. Es gäbe dort noch einen großen Markt für ihn, so Boldt, der keine zwei Stunden später schlauer war: denn Amaechi wechselt nun doch nicht. Nicht auf Boldts Wunsch hin - sondern, weil das Angebot (dem Vernehmen nach ein Klub aus Englands Zweiter Liga)  einfach nicht passte.

Bitter für den Linksfuß, der bei seinem Wechsel nach Hamburg vor der Saison als europäisches Toptalent gefeiert worden war und den HSV 2,5 Millionen Euro Ablösesumme kostete. Amaechi sollte Michael Mutzels erster Königstransfer werden. Einer, der dem HSV perspektivisch noch sehr viel Freude machen würde. Dem HSV-Sportchef wurden und werden ja beste Kontakte in den europäischen Spitzennachwuchs nachgesagt. Allein hier blieb Amaechi diesen Beweis bislang schuldig. Zuletzt wirkte es sogar so, als mache Amaechi keine Fortschritte mehr. Im Trainingslager und beim Test in Lübeck wirkte Amaechi tatsächlich nicht mal zweitligatauglich. Und das, obwohl der junge Engländer fußballerisch alle Grundvoraussetzungen  mitbringt: Gutes Tempo, technisch stark, guter Schuss. „Aber er hat einfach zu oft zu viele falsche Entscheidungen getroffen“, bemängelter Trainer Dieter Hecking zuletzt wiederholt. Und auch im Training wurde immer wieder deutlich, dass Amaechi mit Heckings Anforderungen überfordert war. Vor allem mit den taktischen.

Amaechis geplanter Wechsel klappt nicht

In der Regionalliga reichte es bei zwei Einsätzen immerhin zu drei Toren. In der Zweiten Liga und im DFB-Pokal wurde der Engländer jeweils einmal eingewechselt. Zu wenig für Amaechi, der zuletzt an den HSV herantrat und darum bat, verliehen zu werden, um endlich auf gutem Niveau Spielpraxis sammeln zu können. Heute sollte sich Amaechi Wunsch tatsächlich erfüllen. Zumindest gingen alle davon aus, als Mutzel beim Training vorbeischaute und Amaechi vom Platz herunterholte und weit vor Trainingsende mit ihm vom Platz schlich.

Aber wie gesagt, keine zwei Stunden später hatte sich dieser Wunsch des jungen Engländers wieder erledigt. Er wird in Hamburg bleiben müssen und könnte dem nächsten Neuen ab Sommer als Beispiel dienen, wie es nicht funktioniert: Amadou Onana. Den verpflichtet der HSV aus der U19 der TSG 1899 Hoffenheim. Onana wird zur kommenden Saison 2020/21 ablösefrei nach Hamburg kommen. „Wir freuen uns sehr, dass Amadou sich frühzeitig für den HSV entschieden hat, denn er ist ein internationales Top-Talent, das im Mittelfeld alle Positionen spielen kann und großes Entwicklungspotenzial besitzt“, so Mutzel. Onana erhält einen Vertrag bis 2024 und ist „ein internationales Top-Talent, das im Mittelfeld alle Positionen spielen kann und großes Entwicklungspotenzial besitzt“, wie HSV-Sportdirektor Mutzel sagt. Boldt ergänzt: „Er ist ein vielversprechendes, junges Talent. Wir haben seine Entwicklung schon länger verfolgt und sind froh, dass wir die Chance bekommen haben, ihn zu verpflichten.“

 

Eigentlich sollte der Belgier sogar schon jetzt sofort kommen - aber der HSV und Hoffenheim konnten sich nicht einigen. Aber tendenziell, und das war auch bei Amaechi schon so, ist dieser Weg sicherlich der einzig richtige. Dass man dafür nicht immer Millionen ausgeben muss, beweist der Wechsel von Onana, dem insbesondere die HSV-Philosophie mit vielen jungen Spielern in der Zweiten Liga gefallen haben soll. Ob er sich hier mehr Spielzeit verspricht als in Hoffenheim? Boldt: „Davon gehe ich aus. Er ist ein junger Spieler und bislang noch ohne Profieinsatz. Wir holen ihn natürlich mit der Perspektive, ihn bei den Profis zu integrieren.“

HSV verpflichtet Hoffenheims „Toptalent“ Onana

Und das im Mittelfeld, wo der 18-Jährige variabel einsetzbar sein soll. „Er ist einer mit einer guten Körpergröße, sehr selbstbewusst, mit einem guten Tempo und mit vielen defensiven Anlagen.“ Ob er perspektivisch für Adrian Fein eingeplant wird, dessen Abgang im Sommer zurück zum FC Bayern ansteht? Boldt will nichts ausschließen. Aber vor allem würde er gern beide zusammen auf dem Platz sehen. „Stand heute müssen wir davon ausgehen, dass Adrian uns verlassen wird. Aber wir wollen unser Spiel stetig weiterentwickeln. Und die beiden sind unterschiedliche Spielertypen, die sicher auch gut zusammen spielen können.“

Wobei man sagen muss, dass der HSV im Mittelfeldzentrum aktuell sehr gut besetzt ist. Gestern spielte Fein bis auf wenige unnötige Ballverluste wieder sehr gut. Vor allem auch, weil vor ihm Neuzugang Louis Schaub immer anspielbar war und das Spiel lenkte, während Jeremy Dudziak bis zu seiner Auswechslung überragte. Ich hatte den Linksfuß in den letzten Monaten immer wieder hervorgehoben und betont, dass seine Rolle für den HSV unverzichtbar ist. Und ehrlich gesagt fühlte ich mich gestern bestätigt.

 

Ebenso Boldt: „Ich finde, in der Hinrunde hat er auch schon ein paar richtig gute Spiele  gehabt. Zwar nicht immer über 90 Minuten, was aber daran lag, dass er manchmal vorher ausgewechselt wurde. Da konnte er es nicht beweisen.“ Wobei man bei allem Lob auch ehrlich sagen muss, dass Dudziak jedesmal um die 60. Minute herum spätestens abbaute. Auch gestern, wo er zuvor aber entscheidend für den Sieg war.  Boldt: „Jerry hat Fähigkeiten, die wirklich sehr, sehr gut sind mit dem Ball. Das weiß er auch. Dass er vielleicht erst in der Zweiten Liga Fuß gefasst hat liegt auch daran, dass er solche Leistungen mal über eine ganze Saison bringen muss. Gestern war es schon sehr erfreulich. Mit dem Ball wie gegen den Ball. Ich kann mich an viele gute Spiele von ihm erinnern. Und das gestern gehörte auf jeden Fall zu seinen besten.“ Stimmt. Auch deshalb habt Ihr ihn genau wie ich zum „Man of the Match“ gewählt.

Fakt ist auch, dass der HSV Leistungen wie gestern konstant über die restlichen 15 Spiele brauchen wird, da die Konkurrenz nicht schwächer wird. Im Gegenteil: Bielefeld hält sich extrem konstant und der VfB Stuttgart schein sein Hinrunden-Phlegma mit dem Trainerwechsel abgelegt zu haben. Ob auch Boldt einen Dreikampf bis zum Ende erwartet?  „Wenn man das heute sieht, dann ja. Wenn man es vor der Saison betrachtet hat, dann ist es für mich auch nicht so überraschend. Ich habe immer gesagt, dass Bielefeld ein sehr wichtige Rolle spielt. Mann kann nur den Hut vor ziehen, wie die dort arbeiten - eine ganz eingeschworene Truppe. Das haben wir selbst erfahren in Bielefeld. Sie kommen immer wieder zurück, sie bleiben immer am Leben. Jetzt stehen sie an der Sonne, und jetzt muss auch keiner was anderes erzählen, als dass sie aufsteigen wollen. Ich glaube, dass es spannend bleiben wird bis zum Schluss. Der Sieg gestern hat gut getan - aber wir müssen den Fokus auf uns richten und weitermachen.“

Papadopoulos wieder da - Wood-Wechsel offen

Weitermachen muss voraussichtlich auch Kyriakos Papadopoulos. Beim HSV im Nachwuchs. Ebenso wie bei Bobby Wood hat sich für den wechselwilligen Griechen bislang in der Transferphase keine Tür aufgemacht.  „Wir gehen davon aus, dass Papadopoulos am Montag hier wieder bei er U21 erscheinen wird“, sagt Boldt, und erklärt, was der HSV vorhat: „Wir haben jetzt gesagt, wir brauchen eine Entscheidung. Es scheint da nicht so richtig weiterzugehen. Sollte da dann doch noch was kommen, könnte man sicher weiterreden. Aber jetzt soll er erst einmal hier trainieren.“ Ob der HSV den Innenverteidiger fest für die Rückrunde in der U21 einplant? Boldt: „Wie viel und ob er spielt, entscheidet am Ende der Trainier.“

Entschieden ist indes, dass Jonas David den HSV bis zum Sommer auf Leihbasis gegen Würzburger Kickers verlässt. Der talentierte Innenverteidiger schien zuletzt beim HSV ob der Konkurrenz keine Chance auf Einsätze zu haben. Diese soll sich der U20-Nationalspieler nun beim Drittligisten holen. Ein sinnvoller Wechsel, wie ich finde. Zumal Rick van Drongelen die überraschende Chance in der Startelf gegen Nürnberg nutzte. Sogar so, dass ich behaupte: Der HSV täte gut daran, ihn mit dem außergewöhnlich hohen Maß an Vertrauen auszustatten, das einem echten Leistungsträger gebührt. Zwar nicht, weil er  gegen den FCN so überragend spielte. Aber seine Art, seine Einstellung und eben in großen Teilen auch seine Leistung rechtfertigen das. Rick van Drongelen bringt alles mit, um diese Mannschaft verbal anzuführen. Die interne Akzeptanz bei den Kollegen dafür hat er.

 

Man sagt ja immer schnell „darauf können wir aufbauen“ - und ich behaupte hier: der HSV muss das jetzt auch machen. Er muss zusehen, so starken Persönlichkeiten wie van Drongelen maximal dabei zu unterstützen, das Team zu führen. Immer dem Leistungsprinzip untergeordnet - ganz klar. Aber Spieler wie Ewerton und Hunt, die fußballerisch viel andeuten, aber einfach nicht (mehr) zuverlässig auf dem Platz stehen, lassen nur hoffen, bringen aber niemals die gewünschte Konstanz.

In diesem Sinne, bis morgen! Da meldet sich Tobias Escher an dieser Stelle und wird noch einmal aus taktischer Sicht verdeutlichen, weshalb es gegen Nürnberg geklappt hat - und was noch besser werden muss. Der HSV trainiert indes um 15.30 Uhr - öffentlich.

Bis dahin!

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