Marcus Scholz

9. Januar 2018

So, endlich wieder in Hamburg. Kalt ist es. Zumindest kälter als in Jerez. Und auch der Frühstückstisch hat sich verändert. Allerdings fast ausschließlich zum Positiven, denn heute saßen endlich wieder meine Frau und meine Kinder mit mir am Essenstisch. Einziger Wehrmutstropfen: Die Aussichten beim HSV sind unverändert. Okay, gerade heute vielleicht nicht ganz: Denn es kommt tatsächlich ein ganz wenig Schwung in die Kaderplanung. Dominik Kaiser von RB Leipzig steht auf dem Zettel. Der zentrale Mittelfeldspieler kommt in Leipzig nicht mehr so zum Zuge, wie er und der Verein es sich wünschen. Und während der HSV sein Interesse an dem Spieler (Sportchef Jens Todt: „Ein interessanter Spieler“) bestätigte, sagte Kaiser selbst den Kollegen der Leipziger „Bild“ vor kurzem: „Die Konkurrenz ist groß. Ein Marcel Sabitzer, der einer meiner Konkurrenten im offensiven Mittelfeld ist, hat in der Hinrunde wirklich eine überragende Leistung abgeliefert. Auch andere Spieler waren gut. Trotzdem hätte ich mir mehr zugetraut. Aber aufgrund der wenigen Einsätze gerade zu Beginn, konnte ich nicht wirklich zeigen, was ich kann. Deshalb war es für mich wichtig und hat gutgetan, dass ich hinten heraus meine Chancen bekommen habe. Da habe ich gesehen, dass ich mich nicht zu verstecken brauche.“

Kaiser macht keinen Hehl daraus, dass seine Zeit nach sechs Jahren beim RBL im Sommer spätestens vorbei geht. Errechnet mit weiteren Angeboten, nachdem erste Anfragen aus England, vom HSV und vom 1. FC Köln vorliegen sollen. Wo es ihn hinzieht? Kaiser: „Sagen wir mal so: Ich bin für alles offen. Ich kann mir das Ausland gut vorstellen. Es wird spannend zu sehen sein, was in den nächsten Wochen und Monaten auf mich zukommt.“ Hilfreich für den HSV dürfte sein, dass mit dem neuen Scoutingchef und Kaderplaner Johannes Spors bereits ein guter Bekannter Kaisers aus Leipziger Zeiten nach Hamburg kommt.

Das ist Dominik Kaiser:

 

 

Allerdings ist momentan der Stand, dass es sich um Gespräche über einen Wechsel im Sommer handelt. Sagt zumindest der HSV. Wobei das auch ein taktisches Mittel sein kann, um den Leipzigern nicht zu deutlich zu signalisieren, dass man Kaiser sofort braucht. Es wäre tatsächlich der richtige Weg, zumal bis heute nicht klar ist, ob, wenn, und unter welchen Bedingungen Klaus Michael Kühne noch mal Geld für Verstärkungen zur Verfügung stellt. Ziemlich klar ist dagegen, dass der HSV darauf warten muss und deshalb alle davon ausgehen, dass es bis zum Ende der Transferphase dauern wird, bis ein oder mehr Spieler geholt werden – mit Kühnes Hilfe und somit nicht ohne Struths Zustimmung, was die Neuen betrifft.

Und genau diese Ohnmacht ist es auch, die Trainer Markus Gisdol derzeit so augenscheinlich nervt. Losgelöst von den eigenen, selbst produzierten Problemen mit Spielern wie Walace, die beispielsweise über mangelhafte Kommunikation seitens des Cheftrainers klagen, kann Gisdol tatsächlich nie länger als bis morgen planen. Es sei denn, er arrangiert sich erst einmal damit, dass vorher besprochene Notwendigkeiten nicht erfüllt werden können.

Womit wir wieder bei der Problematik sind, die den HSV seit Jahren begleitet und die er ohne funktionierende Geschäfte auch nicht mehr selbst lösen kann: Klaus Michael Kühnes Launen. Der Milliardär und HSV-Fan war und ist niemand, der sich auf lang angelegte Investitionen einlässt, sondern eher nach Namen geht. Und hier wiederum wird er von Volker Struth beraten, der es auf inzwischen sieben Spieler (nur beim 1. FC Köln sind mit 11 Spielern noch mehr von ihm unter Vertrag) beim HSV bringt. Dass derweil Spieler wie Hoffenheims Angreifer Mark Uth hier nicht einmal im Ansatz gehandelt werden und am HSV vorbei ablösefrei gen Schalke wechseln. Ein Schelm, der Böses dabei denkt...

Nein, der HSV bleibt weiterhin ein Hauptdarsteller mit kaum bis keinem Mitspracherecht. Die sportliche Situation ist alarmierend und wie mein Kollege Kai Schiller es in seinem Kommentar heute schon schrieb: Uns bleibt nichts, als abzuwarten, was passiert. Wir müssen im Grunde das machen, was die HSV-Verantwortlichen auch machen: Hoffen. Hoffen darauf, dass alles besser wird, als es momentan scheint. Denn wer auch immer behauptet, dass dieser Kader aktuell schon gut genug ist, der irrt. Und das weiß Vorstandsboss Heribert Bruchhagen. Deshalb äußert er sich immer extrem vorsichtig. Trainer Gisdol und Sportchef Jens Todt wissen auch um die Situation, Struth allemal auch. Aber Schulden machen ist nicht drin. Von daher bleibt wieder nichts als das Hoffen auf fremdes Geld – und da bleibt niemand sonst als Klaus Michael Kühne.

Aber: Sollte es so kommen und der HSV nach einem miesen Start in die Rückrunde plötzlich noch einmal nachlegen und dafür Kühnes Millionen nutzen können, dürfen wir uns auf der einen Seite mal wieder über die Großzügigkeit eines Gönners freuen, den andere Vereine nicht haben. Ganz klar. Wir müssen aber – und das schreibe ich bewusst schon heute, damit mir später niemand nachsagt, ich würde nach dem Haar in der Suppe suchen - auf der anderen Seite auch feststellen, dass hier mit den Kühne-Millionen niemals eine langfristige Planung möglich sein wird. Offenbar stimmt es, was mir zwei große HSVer schon vor Monaten zugetragen haben, die schon mit fertigen Konzepten bei dem Milliardär vorstellig geworden sind: Kühne entscheidet spontan. Und selten in den gezielten Aufbau einer besseren Zukunft, dafür fast immer in große oder zumindest teure Namen, die man hier als Soforthilfen ansieht.

Und jetzt wisst Ihr auch, weshalb ich im Moment so skeptisch bin. Es gibt einfach keinen Aspekt, der mich auf eine gesunde Verbesserung hoffen lässt. Unruhe in der Torwartfrage, Vertragsverlängerungen stocken, und sportlich hat die Mannschaft in der sehr kurzen Wintervorbereitung (noch) nicht überzeugt. Transfertechnisch ist auch nichts passiert, im Gegenteil: Niemand ist gekommen, dafür will ein Spieler unbedingt weg, den man gar nicht abgeben will. Und der Trainer ist offensichtlich auch müde geworden, die Situation zu beschönigen. Er sagt inzwischen in fast jedem Interview, dass es nötig sei, „hier und da“ noch Verstärkungen zu holen und dass er sehr darauf hoffe.

Ergo: Mehr als Hoffen bleibt im Moment nicht. Leider.

Apropos, Hoffen tun auch deshalb viele, dass Bernd Hoffmann wieder kandidiert. Auch, weil man ihm als einer der wenigen zutraut, mit seiner kompromisslosen Art den HSV wieder auf Kurs zu bringen. Zumindest feierte der HSV unter dem heute 54-Jährigen bis 2010 seine letzte erfolgreiche Zeit. Und Hoffmann kandidiert tatsächlich. Allerdings erst einmal „nur“ für den Bereich des Präsidenten im HSV e.V., für den er sich heute Abend dem Beirat vorstellt. Seine Kandidatur für den Posten des Präsidenten des HSV e.V. wird er voraussichtlich in den nächsten Tagen einreichen. Bis zum 13. Januar muss die Kandidatur des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden des HSV faktisch beim Präsidium des HSV e.V. vorliegen. Und davon ist ebenso auszugehen wie von dem Umstand, dass Bernd Hoffmann letztlich weniger das Ehrenamt als Ziel hat, denn der AG zu helfen.

 

Und dann, liebe Leute, eine kurze Antwort auf Eure Frage, weshalb ich im Kommentarbereich nicht reagiere. Es ist eigentlich ganz einfach: Provokationen wird es in anonymen Foren immer geben. Dumme, versucht beleidigende und provokante, frei erfundene Kommentare frustrierter User lasse ich weiter unkommentiert, damit es ein zu vernachlässigender Monolog bleibt und am Ende die Qualität im Kommentarbereich gewinnt. Denn die ist das nachhaltigste hier – wenn wir, die dafür verantwortlich sind, es wie aktuell auch weiterhin bleiben. Und da habe ich null Bedenken. Deshalb mein Tipp an alle, die sich ärgern: Dümmliche Kommentare einiger Frustrierter einfach unkommentiert lassen und am besten ignorieren. Mache ich seit Jahren so. Und es ist Fakt, dass die absolute Mehrheit der User sehr vernünftig ist.

 

In diesem Sinne, bis morgen. Da wird um 10 Uhr die letzte öffentliche Einheit am Volksparkstadion stattfinden, ehe am Donnerstag und Freitag nicht öffentlich trainiert wird.

 

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