Marcus Scholz

11. November 2020

Zuallererst: Meinen allerherzlichsten Glückwunsch, liebe Familie Gjasula!

Das schicke ich ganz  bewusst vorweg, da nichts über die Geburt eines gesunden Kindes geht. Und Klaus Gjasulas Frau hat gerade einen gesunden Jungen zur Welt gebracht. Deswegen fehlte der 30-Jährige am Mittwoch beim Training. Morgen soll er dann aber noch einmal dabei sein, wenn der HSV gegen den dänischen  Zweitligisten Viborg FF testet, ehe es für den Albaner am Freitag zur Nationalmannschaft geht. Am 15. November spielt er  zuerst gegen Kasachstan, ehe am 18. November Weißrussland als Gegner in der Nations League kommt. Mit Babyglück im Gepäck bei der Nationalmannschaft Spielminuten und Mut tanken – das ist der Plan für und mit Gjasula.

 

Denn Gjasula braucht Positiverlebnisse. Privat hat er das größte Glück gerade erfahren – jetzt soll es sportlich besser werden. Nein: Es muss sportlich besser werden, denn zuletzt in Kiel stand der Albaner, der als Säulenspieler geholt worden war, schon gar nicht mehr auf dem Platz. Zuvor war Gjasula mehr durch Unsicherheiten denn durch sportliche Führung auf dem Platz aufgefallen. „Er braucht jetzt unsere Hilfe – und wir stehen als Mannschaft hinter ihm“, hatte Trainer Daniel Thioune zuletzt gesagt und die sportliche Problematik bei Gjasula damit auch öffentlich eingestanden. Thioune betonte zwar, dass Gjasula seiner Verantwortung rund um den Platz gerecht würde, aber auf dem Platz eben noch massiv zulegen muss.

Inwieweit die Länderspiele helfen ist offen. Ebenso, ob der 30-jährige Nationalspieler im Anschluss an die Länderspielreise in Quarantäne muss. Sicher ist nur: Im Moment hat Gjasula seinen Platz im Team zwar gefunden – nur auf dem Platz noch nicht. Und damit ist er nicht allein. Denn direkt neben ihm steht Gideon Jung, dem vor Saisonbeginn gesagt wurde, dass er keine Chance mehr hätte. Zwei Kurzeinsätzen folgten drei Startelfplätze – zuletzt mit einer Auswechslung zur Halbzeit gegen die Würzburger Kickers, ehe er zweimal im Kader aber nicht auf dem Platz stand. Und das, obwohl der HSV mit Dreierkette und zwei offensiveren Außenverteidigern spielte.  Auf der Sechs sieht Thioune den 26-Jährigen eh nicht mehr. Nicht die besten Aussichten für Jung.

Wo es Gewinner gibt, gibt's meist auch Verlierer

Und wenn wir schon bei den Verlierern des guten Saisonstartes sind, müssen wir natürlich auch noch Daniel Heuer Fernandes und Lukas Hinterseer aufzählen. Torhüterwechsel sind tatsächlich das unwahrscheinlichste in Profiteams, von daher kann sich Heuer Fernandes seine Chancen an einer Hand abzählen. Ich bin mir sogar sicher, dass der Keeper im Winter ebenso das Gespräch mit der HSV-Führung suchen wird wie Lukas Hinterseer, dem Thioune in der bisherigen Saison erst 27 Spielminuten gewährte. Und das auch noch auf drei Spiele verteilt.  So kämpferisch der Österreicher nach seiner Quasi-Ausbootung im Sommer auch war – nach der  Verpflichtung des Zweitliga spätestens mit den letzten Einwechslungen von Bobby Wood vor ihm hat man ihm noch einmal klargemacht, dass es hier in Hamburg schon eines kleinen Wunders bedürfte, damit er wieder eine gewichtigere Rolle im Team einnehmen kann.

Ergo: Hinterseer, Jung, Heuer Fernandes sind die drei Spieler, bei denen ich sicher bin, dass sie im Winter gehen dürfen. Oder sogar gehen sollen und wollen. Und das nicht auf Leihbasis, wie ich es bei Xavier Amaechi und Jonas David erwarte. Zumindest wäre es sportlich die beste Lösung  – wenn auch nur aus Spielersicht. Denn fraglich ist, ob sich Daniel Thioune darauf einlässt, diese beiden auf Leihbasis abzugeben. Wie ich das meine? Ganz einfach: Thiounes primärer Auftrag ist der Aufstieg. Sein Auftrag lautet nicht: entwickle David oder Amaechi. Nein, dem Aufstieg wird alles andere untergeordnet. Auch das individuelle Schicksal einzelner Spieler. Denn so empathisch der neue HSV-Coach auch ist, er muss zusehen, dass der Kader auch über die eingesetzten Spieler hinaus ausreichend Qualität hat.

 

Was für die beiden spricht, könnte demnach zum Boomerang werden, sofern sie einen Wechsel wünschen. Denn weder Amaechi noch David zählen zu den Profis, die rumstänkern. Im Gegneteil: Gerade bei Jonas David glaube ich, dass Thioune ihn nicht abgeben will. Der 20-Jährige hatte schon im Sommer die Möglichkeiten, woanders hinzugehen, wurde aber von Thioune überzeugt, seine Chance hier zu nutzen. Bislang mündete das in eine einzige Spielminute in der Zweiten Liga. Zu wenig. Ganz logisch.  Dennoch weiß Thioune um die Qualitäten seines Youngsters, der im Training immer wieder zu den Besseren zählt – aber eben auch nicht an Gyamerah, Heyer, Ambrosius - und seit kurzem auch Leistner - vorbeikommt. Der eher ruhige David ist tatsächlich sowas wie der Prototyp des Kaderspielers. Soll heißen: Er macht das Training besser, er ist immer motiviert, und ruhig. Er bringt alles mit, um der Mannschaft auch in der Liga zu helfen. Aus genau diesem Grund überzeugte ihn übrigens auch Dieter Hecking letzte Saison -  bis nichts mehr ging. Und ich befürchte, dieser Punkt ist auch dieses Jahr im Winter für David gekommen…

Aber, und das betone ich noch einmal in aller Deutlichkeit: Diese Szenarien findet man wahrscheinlich in allen gut sortierten Mannschaften. Wo es Gewinner gibt – gibt es meistens auch Verlierer. Selbst beim FC Bayern. Entscheidend ist dort wie hier nur eines: das Gesamtergebnis. Und das stimmt. Zusätzliches Plus: Wenn es beim HSV zuletzt mal einen unvoreingenommenen Trainer gab, der unabhängig von allen Vorgeschichten seine Entscheidungen trifft, dann ist das Thioune. Ich bin mir sicher, dass er den HSV zusammen mit Michael Mutzel, Claus Costa und übergeordnet Jonas Boldt völlig losgelöst von Emotionen für die Zukunft aufstellen wird. Auch wenn das bedeutet, sich im Winter noch einmal auf zwei, drei oder sogar fünf Positionen zu verändern.

In diesem Sinne, bis morgen. Da können alle oben angesprochenen Spieler im Test noch einmal für sich Werbung machen. Und ich werde Euch im Anschluss daran davon berichten. Bis morgen!

Scholle

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