Tobias Escher

25. Dezember 2018

 

Holstein Kiel hatte sich auf das Spiel gegen den Hamburger SV perfekt vorbereitet, der Hamburger SV hingegen nur unzureichend. So lautet das simple Fazit nach dem letzten Spiel vor der Winterpause. Der HSV fand zu keiner Zeit eine Lösung gegen den Plan der Störche. Unser Taktik-Analyst Tobias Escher seziert die Partie.

„Fußball ist kein Hexenwerk. Es geht nicht darum, was man macht, sondern wie oft und konsequent man es durchzieht.“ Diese Weisheit stammt von Jürgen Klopp, und auch wenn ich als grauer Theoretiker gerne das „Was“ über das „Wie“ stelle: Ganz Unrecht hat Klopp nicht. Die Ausführung eines Plans ist mindestens genauso wichtig, wenn nicht sogar wesentlich wichtiger als der Plan selbst.

So kann es passieren, dass ein und derselbe Plan in einem Spiel völlig schiefläuft, im nächsten Spiel plötzlich aber grandios funktioniert. Der HSV musste dies am eigenen Leib spüren: Vor einer Woche hatte der HSV wenig Mühe, den taktischen Plan von Gegner MSV Duisburg auseinanderzunehmen. Eine Woche später wählt Holstein Kiel nahezu denselben Plan, zieht ihn allerdings öfter und konsequenter durch. Die Folge: eine völlig verdiente 1:3-Niederlage.

Raute gegen einrückende Außenverteidiger

Rückblick: Vergangene Woche beschrieb ich, warum ein Rauten-System gegen den HSV eine besonders intelligente Variante darstellt. In einer Raute agieren vier Mittelfeldspieler im Zentrum: ein Sechser, ein Zehner und dazwischen zwei Achter. Mit diesem System erlangt man eine hohe Kontrolle über das Zentrum, kann aber nur wenig Druck auf den Flügeln ausüben.

Gegen Hamburgs System kommen diese Schwächen allerdings nicht zum Tragen. Hamburgs Außenverteidiger rücken selbst ins Zentrum, sie sollen dort für Präsenz im Spielaufbau sorgen. Zudem sichert der HSV durch dieses taktische Mittel gegnerische Konter ab. Die Raute kontert dieses Einrücken der Außenverteidiger: Die Achter können direkt Hamburgs Außenverteidiger angehen. Das perfekte System gegen den HSV also.

Gegen Duisburg fand der HSV dennoch gute Lösungen im Spielaufbau. Häufig gelangten sie in die Räume hinter den Achtern. Gegen Kiel gelang dies nicht. Mehrere Faktoren kamen hier zusammen: Kiel presste wesentlich geschlossener und aggressiver als Duisburg. Gerade in der Anfangsphase kamen die Hamburger gar nicht erst dazu, den Ball laufen zu lassen. Aaron Hunt und Lewis Holtby bewegten sich nicht so clever wie noch gegen Duisburg, sodass der Raum zwischen Kiels Linien häufig unbesetzt blieb. Hee-Chan Hwang wiederum ließ sich häufig viel zu tief fallen, sodass er dem Aufbauspiel des Teams mehr schadete als half.

Taktische Aufstellung Kiel - HSV

 

HSV lässt sich Spiel aufzwingen

Der größte Unterschied zwischen Kiel und Duisburg war indes ein anderer: Während die Duisburger langen Ball um langen Ball nach vorne bolzten, setzte Kiel auf flachen Ballbesitz-Fußball. Sie konterten Hamburgs Versuche, nach Ballverlusten sofort ins Gegenpressing zu gelangen, mit flachen Pässen auf die Außen- oder Innenverteidiger. In der ersten halben Stunde hatte der HSV nur 40% Ballbesitz.

Defensiv stimmte wiederum die Staffelung bei den Hamburgern nicht immer. Gerade neben Sechser Orel Mangala klafften teils große Lücken. David Kinsombi bot sich immer wieder in diesen Lücken an und startete von dort aus Dribblings. Unterstützung erhielt er von den Außenverteidigern, die weit vorrückten. Manches Mal fehlte den Hamburgern schlicht die Konzentration, um das Timing der gegnerischen Läufe zu erkennen und zu verfolgen.

Konzentration hätte auch bei den Kieler Treffern nicht geschadet. Alle Tore fielen mehr oder weniger, weil der HSV das richtige Timing zum Herausrücken verpasste. Es gehört zur hohen Kunst des Verteidigens, nach einem abgewehrten Schuss oder einer geklärten Flanke schnell wieder in die reguläre Defensivordnung zurückzukehren. Der HSV verharrte jedoch auch nach abgewehrten Bällen in und um den Strafraum. Sie luden Kiel ein, über den Rückraum erneut zu Chancen zu kommen. Kiel bedankte sich.

Umstellungen nach der Pause

In der zweiten Halbzeit versuchte Hannes Wolf, mit taktischen Umstellungen seiner Mannschaft zu helfen. Zunächst begann der HSV, im 4-4-2-Pressing deutlich weiter vorzuschieben. Das funktionierte gut in den ersten Minuten, als Kiel mit dieser Maßnahme nicht gerechnet hatte. Als sich die Kieler fingen, fanden sie jedoch erneut die Räume im Hamburger Mittelfeld.

Nach dem 1:3 stellte Wolf auf ein 4-3-3-System um. Hamburgs Flügel waren fortan doppelt besetzt. Kiels Trainer Tim Walther reagierte sofort und beorderte seine Mannschaft in ein 4-4-2-System. Damit konnte Kiel die Flügel besser verteidigen. Mit den Einwechslungen von Manuel Wintzheimer und Pierre-Michel Lasogga spielte der HSV ein 4-4-2-System mit zwei Strafraum-Stürmern. Kiel hatte aber wenig Probleme, die langen Bälle zu den Angreifern abzufangen.

Fazit

War die Niederlage gegen Holstein Kiel taktischen Problemen geschuldet? Jein. Kiel zeigte sich zwar bestens vorbereitet auf das Hamburger System. Sie überzeugten sowohl mit einem punktgenauen Pressing gegen den Ball als auch mit einer guten Struktur bei Ballbesitz. Doch der HSV hatte erst eine Woche zuvor gezeigt, dass er eigentlich auch mit einem gegnerischen Rautensystem umzugehen weiß. Den Tore fielen passenderweise nicht nach taktischen Fehlern, sondern durch Schlafmützigkeit der Hamburger Abwehr.

So wie Klopp es gesagt hat: Am Ende kommt es nicht nur darauf an, was man macht, sondern wie oft und konsequent man es umsetzt. Und in Sachen Konsequenz war Holstein Kiel an diesem Nachmittag haushoch überlegen.

FAQs

 
 

Über uns

Die Rautenperle - das ist ein Team aus jungen Medienschaffenden und Sportjournalisten mit großer Affinität zum HSV. Wir sind 24/7 bei den Rothosen am Ball und produzieren frischen Content für Rautenliebhaber.

Unser Ziel ist es, moderne, unabhängige Berichterstattung und attraktiven, journalistischen Content für junge und jung gebliebene HSV-Anhänger zu bieten. Wichtig ist uns dabei, eine neue Art des Sportjournalismus zu präsentieren: dynamisch, zeitgemäß, zielgruppengerecht. Weg von verstaubten Zeitungsspalten und immergleichen Phrasen.

Die Rautenperle ist aber nicht nur ein Ort, um sich zu informieren, sondern soll auch immer ein Ort des Austausches und des Miteinanders sein. Wir wollen eurer Leidenschaft einen Platz im Netz bieten: zum Diskutieren, zum Mitfiebern, zum Mitmachen.