Marcus Scholz

21. Juni 2018

Trainer Christian Titz hat abgenommen. Drahtig sieht er aus. Und er hat damit nur das gemacht, was er von seinen Spielern verlangt hat: Eine optimale Vorbereitung auf die Vorbereitung. Denn zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte steht für den HSV eine Saison in der zweiten Bundesliga an. Ein Szenario, auf dass man sich hier bislang nur theoretisch vorbereiten kann. Und vor dem alle großen Respekt haben. Dementsprechend fit erschienen heute die ersten 23 Spieler zum Laktat- und Belastungstest. „Alle Spieler sind gesund. Bislang“, scherzt Titz und ergänzt: „Mo Kwarteng hat noch ein wenig Probleme nach seiner Verletzungspause. Der wird erst Montag wieder einsteigen können.“

Verzichten muss Titz dabei auf seine bisherigen Cotrainer Matthias Kreutzer und Soner Uysal, die gestern von HSV-Sportvorstand Ralf Becker freigestellt worden sind. „Erfahren habe ich es mitten im Urlaub. Da hat mich mein Vorstand Sport in Kenntnis gesetzt, dass Soner Uysal nicht mehr weitermachen will.“ Jetzt ist mit Kreutzer auch der Videoanalyst auf dem Platz weg. Ob Titz versucht habe, darauf einzuwirken? „Wir haben gesagt, wir wollen zusammen weiterarbeiten. So sind wir auseinandergegangen, das war mein Wunsch. Aber ich bin nicht für die vertraglichen Dinge zuständig. Und wenn die keine Einigung erzielen konnten, kann ich das nicht ändern. Noch weniger kann und möchte ich es bewerten. Aber wir nehmen die neue Situation gut an.“

Mit neuen Leuten. Marinus Bester, der zuerst als Teammanager, später dann als Überbrückungstrainer zwischen Nachwuchs und Profis fungierte, rückt in den Profistab auf. „Wir wollten einen Überbrückungstrainer haben, der als Bindeglied zu den Jugendspielern agiert. Zusammen mit Marinus Bester sollte Soner das machen. Jetzt macht es Marinus, den wir parallel dazu auch auf dem Platz stärker einarbeiten werden.“

Zusätzlich dabei ist ab heute Andre Kilian, Titz’ Wunschkandidat aus Homburg. „Ich habe ihn vor vielen Jahren bei Schalke 04 in der Jugend kennengelernt, kannte ihn noch als Spieler. Ich habe im Westen viele Spieler aus den Leistungszentren individuell trainiert, auch ihn. Wenn Du über Jahre hinweg mit einem Spieler zusammenarbeitest, bekommt der ein ganz anderes Gespür für Dich als Trainer und die Dinge, die Du willst. Jemanden zu finden, der dieses Individualtraining so im Detail kennt, ist nicht leicht.“

Neben dem Grundvertrauen in seinen neuen Assistenten schätzt Titz insbesondere Kilians taktische Fähigkeiten. „Er war nach einem Jahr in Australien, als sein Klub nicht mehr die Lizenz bekam, auf dem Markt und ich habe ihn nach Homburg geholt. Er war dann Spieler und Kapitän bei mir und parallel drei Jahre lang die U19 trainiert. Er war schon immer ein strategischer Spieler, ein strategischer Typ. In Homburg war das Arbeiten etwas anders, da hatten wir nur ein, zwei hauptamtliche Trainer. Deshalb hat er im Training schon geholfen und Schwerpunkte übernommen, Trainingsteile geleitet. So ist dann die Vertrauensbasis entstanden und wir haben damals schon gesagt, dass wir es uns gut vorstellen können, später mal zusammenzuarbeiten. Zuletzt hat er auch noch völlig unabhängig von mir als Cotrainer gearbeitet, was ich sehr wichtig finde. Er musste dort sehr umfangreich arbeiten.“

Für Titz ist die neue Situation mit nur einem Assistenten dabei gar nicht so neu: „Bis zur U21 immer nur mit einem Cotrainer zusammengearbeitet. Ich bin auch jemand, der nicht außen rumstehen mag, sondern gern mal auf dem Platz direkt eingreift. Ich erkläre gern direkt was ich will.“

Und dafür geht der HSV neue Wege. Zukünftig soll der Videoanalyst, der die Trainingseinheiten bislang immer nach dem Training geschnitten und aufbereitet hatte, direkt am Platz die entsprechenden Szenen zeigen. „Marinus und der Videoanalyst sind immer dabei und können auch direkt auf dem Platz am Bildschirm schon zeigen, was wir taktisch verbessern wollen“, sagt Titz. „Die Erklärungen mit Hilfe des Bildes sind oft deutlich wirkungsvoller, als wenn Du es einmal nur an die Wand wirfst oder nur erklärst. Zuletzt hatte ich das immer direkt nach dem Training – und ich wollte es lieber direkt zeigen und direkt verändern. Fußball wird auf dem Platz gespielt, dann sollte auch dort alles stattfinden. Und die Qualität, die wir drumherum haben, können wir auch dort nutzen.“

Neu wird auch der Mannschaftskapitän, nachdem der bisherige Captain die Niederlegung seines Amtes angeboten hatte. „Go ist eine andere Art Führungsspieler. Und er hat auch nicht gesagt, dass er nicht mehr Kapitän sein will. Er hat gesagt, dass er sich vorstellen kann, dass jemand anderes das Kapitänsamt übernimmt.“ Anders als seine Vorgänger will Titz den Kapitän aber nicht selbst bestimmen, sondern wählen lassen. „Wir werden im Trainerteam einen Mannschaftsrat von sechs Spielern zusammenstellen. Und aus deren Mitte wählt die Mannschaft dann ihren Kapitän.“

Sich bewerben könnte dafür beispielsweise auch Pierre Michel Lasogga. Der Angreifer, der nach seinem Leihende bei Leeds United zurück in Hamburg ist weiß zumindest, wie man sich beim Trainer gut vorstellt. Zumindest rechnet Christian Titz nicht damit, dass Lasogga noch den Verein wechselt: „Bei Pierre-Michel Lasogga ist es so gewesen, dass er hier spielen wollte. Wir haben uns zusammengesetzt und hatten ein sehr gutes Gespräch, in dem er mir sagte, dass er hier spielen will. Und wenn ein Spieler hier spielen will, ist das eine sehr gute Grundvoraussetzung. Ich wehre mich auch nicht gegen Stürmer, der uns Tore schießt. Das Wichtigste, was ein Trainer will, ist ein Spieler, der will. Und diesen Eindruck hat er ziemlich gut vermittelt.“ Ganz im Gegensatz zu Halilovic: „Es hat Gespräche zwischen Spieler und Vorstand gegeben und irgendwann habe ich gesagt bekommen, dass er nicht kommt.“

Cristian Titz machte heute wie auch sonst immer einen sehr aufgeräumten, fokussierten Eindruck. Themen, die öffentlich als schwebende Verfahren und manchmal entsprechend störend eingestuft werden, erklärt er schnell und nimmt so den Druck aus der Nummer. Auch bei Jann-Fiete Arp, der sich über den Wechsel zum FC Bayern nach Vertragsende 2019 schon einig sein soll. „Vor dem Urlaub kam er zu mir und sagte mir ganz klar, dass er in der neuen Saison hier bei uns spielen will. Er hat einen Vertrag und wird komplett integriert. Sollte sich ein neuer Stand ergeben, beschäftige ich mich dann damit. Jetzt nicht. Ich warte da auch auf nichts. Ich will völlig unbefangen mit ihm wie mit allen anderen Spielern umgehen.“

Gleiches gilt für den Kader, der ob fehlender Verkäufe noch nicht weiter ergänzt werden konnte, was aber noch passieren soll. „Momentan sind 23 Spieler in der Kabine, mit denen ich plane. Patric Pfeiffer, Aaron Opoku und Jonas David, die ich für sehr interessant halte, kommen noch dazu, sodass wir immer knapp 26 Spieler sind. Mal einer mehr, mal einer weniger.“ Und Titz will aus der Not eine Tugend machen: „Meine Erfahrung sagt mir, dass der eine oder andere junge Spieler auch überraschen kann, durchstartet und seine Chance nutzt. Das war übrigens bei Christoph Moritz auch so, als er aus Aachen in die U21 von Schalke wechselte. Am Montag vor dem ersten Spiel verletzte sich oben einer und der damalige Trainer Felix Magath holte ihn hoch. Und Freitag hat Moritz schon Bundesliga gespielt. Solche Dinge können nur passieren, wenn du den Spielern im Verein auch die Chance gibst, sich zu zeigen.“

Insofern geht Titz die nächsten Wochen ganz gelassen an. Zumal er mit dem aktuellen Stand zufrieden ist: „Ich glaube dass wir einen guten Mix schon gefunden haben. Jung und van Drongelen haben schon Bundesliga gespielt. Wir haben Stephan Ambrosius und David Bates mit dabei zum Start. Wir haben auf der Außenbahn mit Douglas Santos einen sehr interessanten Mann, dahinter Josha Vagnoman, der schon letzte Saison seine Einsätze gehabt hätte, wenn er sich nicht verletzt hätte. Dann hast Du dazu noch Moritz, Steinmann, Holtby, Hunt, Ito, Jatta, Wintzheimer, Arp, Lasogga – wir sind ja schon richtig gut besetzt.“

Auch das in der Sommerpause länger diskutierte Thema Bernhard Peters ist für Titz keines. Durchlässigkeit jetzt schwieriger werde, nachdem Bernhard Peters’ in den Campus zurückgekehrt sei? Titz guckte erst ein wenig irritiert, ehe er antwortete: „Neu ist der Vorstand Sport, der die Gesamtverantwortung hat, wie es auch in anderen Vereinen auch üblich ist. Er ist mein Ansprechpartner für den Profibereich. Wir haben die Verantwortlichen für den Nachwuchs im NLZ und Marinus Bester als Ansprechpartner. Das war immer so. Auch wenn ich mich immer auch persönlich mit den Trainern austausche. Es bleibt also alles, es ist ja auch nichts passiert.“

Was in den nächsten Tagen passieren wird, ist ebenfalls klar. Heute und morgen stehen Leistungs- und Laktattests an, ehe am Sonnabend um 11 Uhr die erste Trainingseinheit auf dem Platz (öffentlich!) stattfindet. Am Sonntag geht es ebenfalls öffentlich einsehbar um zehn auf den Platz und gegen Mittag für sechs Tage ins Trainingslager nach Glücksburg. Workshop in Glücksburg: „ Am Montag und Freitag haben wir zwei Einheiten am Tag. Am Dienstag sowie Donnerstag öffentlich auf Kasernengelände nachmittags.“ Ob eine Einheit am Tag nicht zu einig sei, wollte ein Kollege wissen. Und Titz lächelte kurz, ehe er antwortete: „Ich trainiere immer so lange, wie es dauert, alles umzusetzen. Samstag beispielsweise, wenn wir Laufwege trainieren, kann es etwas dauern.“ Sehr zur Freude der Fans...

 

In diesem Sinne, bis morgen.

 

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