Lars Pegelow

1. März 2018

Wenn ein neuer Trainer kommt, dann gewinnt er das Vertrauen der Mannschaft am besten durch Erfolge. Was aber geschieht, wenn ein neuer Trainer kommt, und er holt gerade einmal zwei Punkte aus fünf Spielen – der Mannschaft gelingen in diesem Zeitraum kümmerliche drei Tore und der Rückstand auf den Relegationsrang wächst auf sieben Punkte? Das Vertrauen in den neuen Mann kann in solch einem Fall schwinden – und tatsächlich ist der HSV kurz davor. Das Spiel am Sonnabend ist eine Partie, die den Bundesliga-Dino an den Scheideweg führt. Mit einem Sieg könnte neue Hoffnung keimen, selbst wenn die Rettung ein kleines Wunder bleiben würde. Ein Unentschieden oder eine Niederlage könnte die letzte Hoffnung rauben, und das Vertrauen in den Coach ernsthaft auf die Probe stellen. „Wir sind noch lange nicht abgestiegen“, hält Bernd Hollerbach dagegen – und hält gleichsam an seiner unaufgeregten, beinahe monotonen Art fest. „Was würde es bringen, wenn ich auch noch hektisch werden würde?“

Weil es so ein bedeutendes Spiel ist, hat Hollerbach seine Mannschaft ab Donnerstagabend zwei Tage im Treudelberg beisammen. Es ist zwar nur ein Trainingslager im XXS-Format, aber immerhin. Möge der Treudelberg den HSV-Profis über Nacht die Fähigkeit zum Toreschießen zurückbringen. Bis auf die Verletzten Albin Ekdal, Lewis Holtby und Bjarne Thoelke hat Hollerbach alle Spieler mit dabei. Und für die Aufstellung gegen Mainz 05 könnte es eine weitere Überraschung geben, nachdem in Bremen schon die Berufung von Bakery Jatta unerwartet kam. Der 17-Jährige Josha Vagnoman steht vor seinem Bundesliga-Debüt. Hollerbach musste schmunzeln, als er auf den Youngster angesprochen wurde. „Er stand schon in Bremen kurz vor einem Einsatz und ist jetzt auch ganz dicht dran.“

 

Nach der Sitzung des HSV-Aufsichtsrates am vergangenen Dienstag, der ersten mit dem neuen Präsidenten des HSV e.V., Bernd Hoffmann, sind mittlerweile einige brisante Einzelheiten bekannt geworden. Sie beziehen sich insbesondere auf Personalfragen und lassen sich am besten so zusammenfassen: in der Führung alle weg. Auf den Neustart im e.V., dem halben Neustart im Aufsichtsrat der AG, eventuell dem Abstieg in die Zweite Liga soll nun der Neustart auf den Positionen der handelnden Personen im operativen Geschäft folgen. Das ist für viele nachvollziehbar und notwendig, und gerade deswegen kommt den Entscheidungen der nahen Zukunft solch eine große Bedeutung zu.

 

Diejenigen Vereine, die im Moment der größten Krise den Turnaround mit den richtigen Personen geschafft haben, konnten eine relativ schnelle Rückkehr möglich machen. Borussia Dortmund war wirtschaftlich am Boden, und hat mit Watzke und Klopp den Weg aus dem Schlamassel gefunden. Der 1. FC Köln war völlig zerstritten, Schmadtke und Stöger haben die Richtung gewechselt. Andere Clubs sind mehr oder weniger in der Versenkung verschwunden, zu ihnen gehört der 1. FC Kaiserslautern oder auch 1860 München. Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass es dem HSV nun gelingt, die Weichen auf Besserung zu stellen – die Maßnahmen müssen sitzen, und das in einer extrem aufgeheizten Atmosphäre.

 

Relativ zügig wäre in diesem Zusammenhang ein klares Wort des Aufsichtsrates nötig. Spätestens durch die Berichte und die öffentliche Diskussion der vergangenen Tage wirken Heribert Bruchhagen und Jens Todt wie Vorstands-Boss und Sportchef auf Abruf. Im Moment können sie vor diesem Hintergrund nur eingeschränkt nach außen als die Macher des HSV auftreten. Gerade im sportlichen Bereich wäre dies aber notwendig. Mit welcher Legitimation sollte Jens Todt aktuell in Vertrags-Verhandlungen mit einem Spieler treten? Natürlich ist er noch nicht beurlaubt, doch angesichts der nun mal tobenden Debatten bräuchte er den Rückhalt von oben, damit ein Gesprächspartner, ein Berater oder Spieler überhaupt ernsthaft mit ihm über eine mögliche Perspektive beim HSV spricht. Wie soll Todt Perspektiven aufzeigen, wenn er selbst keine hat? Sehen die Räte dieses Problem ähnlich, müssen sie eher heute als morgen eine Alternative präsentieren.

 

Die Aufgabe für den Aufsichtsrat ist nicht einfach. Das Gremium ist erst seit Kurzem zusammen, einige Neulinge sind dabei. Der HSV ist sportlich am Boden, bei einer weiteren Niederlage wird wohl auch noch eine Trainerdebatte aufkommen. Dazu kommt das wirtschaftliche Problem, und auch hier kann und muss sich der Aufsichtsrat neu aufstellen was seine Kühne-Position betrifft. 2014 bei der Ausgliederung schwebte die Hoffnung über dem Volksparkstadion, dass mit einer riesigen Geldeinlage auf einen Schlag alle Schulden getilgt werden könnten. Diese Hoffnung ist nicht eingetreten. Bernd Hoffmann und Michael Krall könnten bei Klaus-Michael Kühne nun einen neuen Anlauf nehmen, das wäre eine Möglichkeit. Oder sie müssten den Bruchhagen/Todt-Weg aus dem Winter fortsetzen, und sich schleichend und ganz langsam aus der Kühne-Abhängigkeit lösen, auch auf die Gefahr des Komplett-Verlustes wirtschaftlichen Spielraums. Wenn man sieht, was in der Vergangenheit aus den Geldern geworden ist, muss man allerdings eher von einem vorgetäuschten Spielraum sprechen – wirklich etwas gebracht hat dem HSV das Geld nicht, insbesondere wegen schlechten Managements.

 

Nigel de Jong hat heute in der „Mopo“ gesagt, ein Abstieg würde dem HSV vielleicht ganz guttun. Diese Meinung kommt ja hin und wieder mal auf. Sie ist verbunden mit dem Glauben, dann wäre mal alles auf Null gestellt und man könnte von Neuem starten. Ich glaube nicht an diese Initialzündung. Genau genommen hat der HSV eine Vielzahl von Aufbrüchen und Umbrüchen in der Vergangenheit gehabt, und der HSV hat sich im Wesentlichen als Aufbruch-resistent erwiesen. Was war denn vor gut einem Jahr, als nacheinander Knäbel, Labbadia, Hilke, Wolf, Beiersdorfer und Gernandt ihre Jobs losgeworden sind? Das war ein personeller Radikal-Schnitt.

 

Jedoch: Immer wieder war bei Verantwortlichen und Beratern in der Vergangenheit der Wunsch, sich wirtschaftlich zu bereichern, größer; immer wieder wurden honorige Menschen in den Aufsichtsrat berufen, die dort vor allem ihre eigene Reputation stärken wollten. Strukturell sehe ich nicht, was sich daran in der 2. Liga verbessern sollte. Vielleicht weil der HSV dann keine gute Adresse mehr ist, und sich nur noch diejenigen melden würden, denen es wirklich um die Raute geht? Dies ist eine vage Hoffnung. Stabilität muss anders geschaffen werden. Durch Standhaftigkeit der handelnden Personen in Vorstand und Aufsichtsrat gegen die interne Streitkultur. Vor knapp vier Jahren wurde die Ausgliederung beschlossen, weil man den e.V. nicht mehr in die AG hineinreden lassen wollte. Das war ein ganz klarer Auftrag: Der Fußball in die Hand der Profis. Nun der U-Turn. Der e.V. muss sich plötzlich wieder einbringen – durch seinen Präsidenten Bernd Hoffmann – weil die eigentlichen Amateure im Aufsichtsrat der AG identifiziert worden sind. Ja, was denn nun?

 

Alle Debatten um die HSV-Zukunft werden nun fürs Wochenende unterbrochen durch dieses Ding namens Fußball-Bundesliga. Die Zäune im Stadion werden hochgezogen, Ordner und Polizei kommen in großer Anzahl. Und das für ein Spiel HSV gegen Mainz 05, das normalerweise kein Konfliktpotential bietet.

 

In der Zwischenzeit hat sich Rafael van der Vaart gemeldet. Bei „Sport 1“ bekundete der Ex-Star seine Verbundenheit mit dem HSV und seine Bereitschaft, beim Wiederaufbau zu helfen: „Es wäre mir egal, ob es die Zweite Liga wäre. Es wäre eine Ehre. Ob als Spieler oder in einer anderen Funktion. Der HSV ist mein Verein, und ich verdanke diesem Club eine große Karriere.“ Hört sich gut an, solche Leute kann der HSV gebrauchen, wenn er aus dem Sumpf herauskommen möchte.

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