Marcus Scholz

7. Juni 2020

Ich werde hier nicht unken, sondern mich einfach an den Fakten längshangeln, denn die sehen gut aus. Bielefeld und Stuttgart haben Unentschieden gespielt, Heidenheim und Darmstadt sogar verloren. Bedeutet: Der HSV kann sich Platz zwei zurückerobern (bei einem Sieg wäre man bei besserem Torverhältnis punktgleich mit Stuttgart) und den Abstand zu Platz vier auf vier Punkte gegenüber dem 1. FC Heidenheim (heute 1:2 bei Hannover 96 verloren) ausbauen. Aber dafür muss man gegen die Holstein Kiel erst einmal gewinnen. Also müssen Trainer Dieter Hecking und Co. etwas schaffen, was es für den HSV in bislang drei Zweitligaduellen noch nicht gab. Und das wird schwer genug.

Wobei man hoffen darf, dass Kiel sich einen seiner Aussetzer für morgen im Volksparkstadion (Anpfiff ist 20.30 Uhr) aufbewahrt hat. Zumindest muss den Fans der Störche diese Saison wie eine nie endende Achterbahnfahrt vorkommen. Das Problem: Nach kurzen Hochphasen folgten im bisherigen Saisonverlauf konsequent längere Abstürze nach unten. Der jüngste freie Fall nach dem Restart mit vier Punkten aus vier Spielen spülte die Mannschaft von Trainer Ole Werner auf den 12. Tabellenplatz. Auch die jüngste Serie von zwei Pleiten (1:2 in Bochum, 1:2 gegen Arminia Bielefeld) gibt Anlass zur Sorge. Mit 38 Zählern und acht Punkten Vorsprung bei einem Spiel weniger werden die Kieler nicht mehr in Abstiegssorgen geraten. Dennoch hatte man sich an der Förde nach dem Zwischenhoch zur Mitte der Saison durchaus erhofft, nicht im grauen Mittelmaß zu landen. Danach sieht es vor dem Spiel beim HSV jedoch aus. Und wir vergleichen beide Teams bis ins letzte Detail für Euch. Alles, was Ihr zu diesem Speil wissen müsst, hier:

 

Das größte Problem

HSV: Das ist und bleibt beim HSV die Innenverteidigung – insbesondere bei schnellen Gegenstößen. Und noch mehr bei hohen Bällen. Auch Gideon Jung. Der wieder genesen vor seiner Rückkehr in die Startelf stehen soll, kann maximal etwas mehr Tempo ins Spiel bringen. Dass er im Gegensatz zu dem in letzter Zeit verunsicherten Holland-Duo mehr Sicherheit reinbringt – möglich. Jung hat zumindest in den letzten Spielen seit dem Restart nichts falsch machen können. Aber auch er hatte in dieser Saison seine Wackler und gilt generell nicht als personifizierte Coolness. Und ganz sicher auch  nicht als Kopfballspezialist. Von daher sehe ich einen Risiko Faktor darin, einen Innenverteidiger rauszunehmen und ihm damit noch einmal vorzuführen, dass man ihm nicht vertraut. Nur, um einen anderen Innenverteidiger aufzustellen, der aus einer langen Verletzung kommend längst kein Garant ist. Das kann gutgehen – muss es aber nicht. Ehrlich gesagt hätte ich von Beginn an Timo Letschert UND Rick van Drongelen maximal starkgeredet. Auch wider gezeigte Leistungen – ganz einfach aus dem Grund, dass echte Alternativen fehlen. Zur neuen Saison aber, das steht fest, MUSS der HSV auf der Position der Innenverteidiger mindestens doppelt nachlegen. Egal in welcher Liga.

Holstein Kiel: Die Nachspielzeit. Diese bereitet den „Störchen“ besonders große Probleme. Das 2:2 in Regensburg, die Pleiten in Bochum und gegen Bielefeld - alles geschah entweder in der 91. oder 92. Spielminute. Eine Frage des Pechs? „Das kotzt uns an. Es fällt mir schwer, das immer nur als Pech zu bezeichnen“, sieht auch Kiel-Trainer Werner andere Gründe für die Last-Minute-Niederschläge. Zur Erinnerung: Das 1:1 im Hinspiel gegen den HSV kassierte Kiel - ja genau - in der Nachspielzeit.

Der Lichtblick

HSV: David Kinsombi hat vor dem Treffen mit seinem Exklub das erste Mal richtig gut gespielt – auch, weil er das erste Mal auf seiner Position im offensiven Mittelfeld ran durfte. Die Position, die bislang Aaron (im Wechsel mit Jeremy Dudziak) vereinnahmte. Zu Unrecht. Denn die Kernkompetenz des Oldies, dessen Vertrag sich bei zwei weiteren Startelfeinsätzen automatisch um ein Jahr verlängert, liegt leider nicht mehr im Überraschungsmoment offensiv – sondern tempobedingt inzwischen in der Ballkontrolle. Die kann er von der Position etwas weiter hinten (auf der Acht sozusagen) deutlich besser ausspielen, während der wahrscheinlich torgefährlichste zentrale Mittelfeldspieler endlich seine Stärken maximal ausspielen kann: David Kinsombi. Gegen Wiesbaden hatte der teuerste Zugang von der ersten Minute an deutlich gezeigt, wie viel wohler er sich weiter vorn fühlt. Er suchte das Eins-gegen-Eins, stieß immer wieder in den gegnerischen Sechzehner vor – und er traf. Doppelt sogar. Dass man das nicht jedes Spiel erwarten kann – logisch. Aber eines ist klar: Der HSV hat mit Kinsombi eine zweite richtig gute Option für das Offensive Mittelfeld neben dem bislang besten Mittelfeldmann Jeremy Dudziak. Trainer Hecking kann hier sogar variieren und muss nicht mehr - wie zuvor in allen vier Spielen nach der Corona-Pause - mit der Herausnahme Dudziaks einen Leistungseinbruch erwarten.

Holstein Kiel: Der HSV ist der Lieblingsgegner der Kieler. In der vergangenen Saison gewannen die Störche beide Partien gegen Hamburg (3:0 und 3:1) und erzielten dabei satte sechs Treffer. Garant für die damaligen Siege: David Kinsombi mit vier Scorerpunkten. Auch während der dritten Paarung sah es lange nach einem Dreier für die Kieler aus, letztlich gehen sie ungeschlagen in direkten Duellen gegen die Hamburger in der zweiten Liga ins Rennen - auch psychologisch ein Vorteil. Das spannendste Duell

 

Das spannendste Duell:

HSV: Da gibt es viele. Neben dem Duell der Rückkehrer (Finn Porath auf Kieler Seite / David Kinsombi auf HSV-Seite) mit ihren Exklubs wird es interessant, wie sich der HSV diesmal gegen Janni Serra schlägt. Bislang bereitete der ob seiner 1,93 Metern Körperlänge auch kopfballstärke Kieler Offensivmann dem HSV die meisten Probleme – und auch aktuell ist der interessante 22-Jährige gut in Form. Seine Spielweise liegt keinem der HSV-Verteidiger und Hecking muss abwägen: Jung ist der einzige,  der zumindest das Tempo mitgehen könnte. Letschert ist in seiner robusten Zweikampfführung derjenige, der Serra schnell den Spaß nehmen kann. Er wirkte zuletzt aber in entscheidenden Situationen verunsichert und verschuldete drei der letzten fünf Gegentore. Aber: Auch van Drongelen und zuletzt Jordan Beyer bieten gerade sehr wenig an. Das interessanteste Duell ist vor diesem Spiel vielleicht sogar ein internes: Pollersbeck vs. Daniel Heuer Fernandes. Denn in der Pressekonferenz, die ich Euch hier reingestellt habe, sagte Hecking, dass die Entscheidung für das Spiel gegen Kiel auf der Torwartposition wieder eine ganz neue sei. Dabei lobte er Pollersbeck für seinen Auftritt gegen Wiesbaden, Heuer Fernandes für eine sehr starke Trainingswoche mit einem herausragenden Samstagstraining – und zu guter Letzt auch noch Tom Mickel für seine Rolle als Ersatz. Im Abschlusstraining hielt sich Hecking alles offen, indem er Pollersbeck und heuer Fernandes abwechselnd im A-Team spielen ließ. Von daher scheint hier noch alles offen zu sein. Aber angesichts des guten Spiels und dem Vorteil bei hohen Bällen kann ich mir nichts anderes vorstellen, als dass Pollersbeck erneut die Nummer eins wird. Interessant wird sein, wer als Nummer zwei auf der Bank sein wird.

Holstein Kiel:Aus Sicht der Gäste ist es wahrscheinlich das Duell Porath gegen Kinsombi. Porath, das geschasste Talent beim HSV, kündigte bei uns im Blog an, dass er mit dem HSV abgeschlossen hätte und nicht mehr zurückkommen wolle. Bei den Kielern fühlt sich Porath wohl, ist eine feste Größe in der Werner-Elf - und: Er gilt als Hoffnungsträger und Stabilisator für die ausstehenden Saisonspiele. Selbiges trifft auf den Ex-Kieler David Kinsombi zu. Nach seinem Doppelpack gegen Wehen Wiesbaden ist Kinsombi neben Julian Pollersbeck aktuell die größte Hoffnung, den HSV-Tanker wieder auf Kurs zu bringen. Dass Kinsombi diese Rolle nach einer bisher enttäuschenden Saison ausgerechnet vor dem Aufeinandertreffen gegen seinen Ex-Verein zusteht, bringt eine besondere Brisanz.

 

Taktik

HSV: Pollersbeck – Vagnoman, Letschert, Jung, Leibold – Fein – Jatta, Hunt, Kinsombi, Kittel – Pohjanpalo.

Holstein Kiel: Gelios - Neumann, Wahl, Thesker, van den Bergh - Porath, Meffert, Mühling - Iyoha, Lee - Reese

 

Ausblick

HSV: Mit einem Sieg holt sich der HSV den direkten Aufstiegsplatz zurück und verkürzt auf Tabellenführer Bielefeld. Und auch wenn Trainer Dieter Hecking bemüht war und ist, Bielefeld immer wieder mit in den Aufstiegskampf zu ziehen, sehe ich den Tabellenführer als durch an. Es geht tatsächlich nur noch darum, ob sich der HSV oder der VfB am Ende Platz zwei schnappt. „Ich glaube, der HSV macht es“, sagte der Ex-Stuttgarter und -HSVer Markus Babbel heute. Und besser als ein Ex-Profi, der beide Klubs bestens kennt, weiß ich es auch nicht. Oder anders formuliert: Ich würde gern glauben, dass Babbel richtig liegt. Im Anschluss an die Partie gegen Kiel geht es zum weiterhin massiv abstiegsbedrohten Klub von Dynamo Dresden.

Holstein Kiel: Für Kiel geht nicht mehr viel nach unten, aber auch nicht mehr viel nach oben. Für die Werner-Elf geht es in den ausstehenden Spielen darum, die Talfahrt zu beenden, um mit einem positiven Gefühl aus der Saison zu gehen. Für die Spieler geht es außerdem darum, sich für die kommende Spielzeit zu empfehlen.

 

In diesem Sinne, bis morgen! Da melde ich mich pünktlich um 7.30 Uhr noch einmal im MorningCall mit den allerletzten Neuigkeiten zum HSV und dem Spiel am Abend bei Euch. Und zum Spiel selbst möchte ich Euch allesamt herzlichst einladen, es mit uns auf der Heimcouch zu sehen. Auch wenn es nur virtuell ist – zusammengucken ist tausendmal geiler als allein. Also: Seid dabei! Lasst uns den HSV zusammen zum Sieg tragen…!! Mehr Schützenhilfe als an diesem Spieltag werden wir wahrscheinlich nicht mehr bekommen…

Bis morgen!

Scholle

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