Lars Pegelow

29. Juli 2018

Beifall bei der Präsentation auf dem Fanfest vor dem Stadion. Beifall beim Einlauf vor der Generalprobe gegen den AS Monaco, Freude bei den drei Toren und mit dem Schlusspfiff, Jubel bei der Verabschiedung der Mannschaft. Selten war die HSV-Stimmung vor dem Saisonstart so glaubhaft fröhlich wie in diesem Jahr – ausgerechnet vor dem Start in die erste Zweitliga-Saison der Geschichte. Ohne Frage: Die Grund-Atmosphäre rund um den Volkspark ist positiv, selbst wenn alle Beteiligten wissen, dass eine Garantie auf Erfolge oder gar den Aufstieg in die Bundesliga nicht gegeben werden kann.

 

Dennoch waren sicherlich die meisten Spieler und Zuschauer des 3:1 gestern im Test gegen den französischen Vizemeister AS Monaco angetan vom Auftritt des neuen HSV. Zugegeben, dass Tempo und die Intensität dieses Spiels war noch ein Stück entfernt von Wettspielcharakter, wie wir es am kommenden Freitag zum Ligastart gegen Holstein Kiel erleben werden. Trotzdem musst du solch einen Gegner erstmal mit 3:1 nach Hause schicken. „Wir wussten, dass es ein guter Test gegen eine spielerisch gute Mannschaft ist. Das hat taktisch auch gepasst. Ein Spiel mit guten Erkenntnissen. Das eine oder andere können wir auch noch verbessern.“ Das sagte Trainer Christian Titz nach diesem Kick, in dem sich 25.502 Fans überzeugen konnten von der taktischen Variabilität, die Titz seiner Mannschaft verordnet hat. Nico hat das ständige Verschieben in Defensiv-Reihe und Sturmformation hier gestern gut beschrieben. Und ich kann mir gut vorstellen, dass diese Variabilität in der 2. Liga ein großes Plus für den HSV werden kann. Bemerkenswert auch, welche zentrale Rolle Titz dabei Matti Steinmann immer wieder zuschreibt. Stark, wie der Mittelfeldspieler seine Rolle zwischen Defensive und Offensive annimmt.

 

Mann des Tages gestern im Volksparkstadion war aber ein anderer – nämlich der zweifache Torschütze Khaled Narey. In der ersten Halbzeit hat Christian Titz den Ex-Fürther vorn aufgeboten, und von dort aus wirbelte er kräftig durch die Deckung der Monegassen. Ein satter Distanzschuss zum 1:0, ein Kopfballabstauber zum 2:0 – es war ein Klassetag für den neuen Mann. „Ich fand, wir haben ein gutes Spiel gemacht. Für den letzten Test hatten wir uns viel vorgenommen. Das Ergebnis spricht für sich. Darauf können wir aufbauen“, so Narey bescheiden. Er selbst, so sagt er, hat die Partie genossen: „Für mich war es das erste Spiel im Volksparkstadion. Ein krasses Gefühl, obwohl es noch nicht voll war.“ Diese positive Stimmung hat Narey schon vor dem Anpfiff erfasst: „Draußen beim Fanfest hatte man nicht das Gefühl, als wären wir abgestiegen. Alle waren euphorisch.“

 

Khaled Narey hat sich mit seinem beherzten Auftritt einen Stammplatz für die Partie gegen Holstein Kiel gesichert. Dafür spricht alleine seine Vielseitigkeit. Denn Trainer Christian Titz setzte den Doppel-Torschützen in der zweiten Halbzeit als rechter Verteidiger ein. „Gut, wenn wir einen Spieler haben, der so variabel ist“, lobt Titz seinen Schützling. „Er ist pfeilschnell, hat ein gutes Anlaufverhalten und einen guten Schuss. Wir haben gesehen, was er kann.“ Narey selbst macht eigentlich keinen Hehl daraus, dass er lieber vorn im Sturm spielt, sagt aber pflichtbewusst: „Beides geht.“

 

Was die Startelf angeht, hat die Formation gegen den AS Monaco deutliche Hinweise gegeben. Das betrifft insbesondere die einzige Position im Sturm. Aaron Hunt hat den Vorzug erhalten – die drei „eigentlichen“ Spitzen kamen nur als Joker zum Einsatz. Ist damit die Sturm-Hierarchie beschrieben? „Ich will es nicht abschließend sagen“, so Christian Titz vorsichtig. „Aber das war die Elf, die wir für diese Partie als erste Elf gesehen haben. Es ist eine enge Kiste. Es wird auch vom Gegner abhängen. Die begonnen haben, haben es aber wirklich gut gemacht.“ Aber nicht nur die, schließlich hat auch Pierre-Michel Lasogga als Joker einen Treffer erzielt. „Pierre hat eine unglaubliche Qualität im Abschluss“, so der Trainer. „Er wird uns auf jeden Fall sehr helfen in dieser Saison.“ Lasogga steht, wie Manuel Wintzheimer, aktuell vor Fiete Arp – das wurde deutlich. Titz: „Junge Spieler brauchen Zeit. Auch bei Fiete. Der hat Qualität, macht aber auch noch Fehler.“

 

Die Sorgen-Position des HSV ist im Moment sicherlich die Innenverteidigung. Nicht weil David Bates oder Rick van Drongelen es gegen Monaco schlecht gemacht hätten, sondern weil es derzeit keine Alternativen für die beiden gibt. Stephan Ambrosius hat eine leichte Zerrung und wird wohl eine Woche ausfallen. Wächst die Sorge beim Trainer? „Was die Abwehr angeht, wissen wir, dass wir hinten zwei Langzeitverletzte haben. Aber Transfers hängen von den Finanzen ab. Wenn wir das jetzt noch nicht hinkriegen, ist es auch nicht so schlimm. Ambrosius kommt in einer Woche zurück, und Jonas David hat das auch gut gemacht. Wir werden schon eine interne Lösung finde, würden uns aber auch nicht beschweren, wenn wir uns noch einen von außen finden.“ Tatsächlich hat der junge Jonas David in diesem Test gezeigt, dass er Potential besitzt. Auf Dauer arbeiten die Verantwortlichen aber weiter an anderen Lösungen. Nur eines will Christian Titz bei dieser Debatte auf jeden Fall vermeiden: dass den Spielern ein Alibi geliefert wird. „Wir haben uns noch nie beschwert. Wir sind mit den Spielern, die wir haben, zufrieden. Das hat sich jetzt auch durch die Eindrücke in den Testspielen unterstrichen.“

 

Die große Frage ist nun: was sind diese Eindrücke im Hinblick auf den Zweitliga-Start am kommenden Freitag wert? Sosehr halb Fußball-Deutschland dem HSV den Abstieg gewünscht hatte, so gespannt schauen jetzt alle darauf, welche Ergebnisse im Volkspark zu erkennen sein werden. Khaled Narey ist da zum Beispiel vorsichtig optimistisch: „Einen positiven Trend erkenne ich auf jeden Fall. Aber in der nächsten Woche werden wir mehr wissen, wir sind jedenfalls positiv und ich hoffe, dass wir das erste Spiel auch gut gestalten. Natürlich haben wir die Favoritenrolle.  Ziel ist, ganz klar, der Aufstieg.“ Druck empfinde er dabei nicht, versichert Narey. Vielmehr eine große Lust: „Ich habe eine sehr, sehr große Vorfreude. Bei den Fans hat man schon mitbekommen, was möglich ist. Nächste Woche wird noch mehr los sein, und dann hoffe ich auf ein positives Ergebnis.“

 

Christian Titz wird es gern lesen, wenn seine Spieler den Druck, den man als Last empfinden könnte, stattdessen als Ansporn erleben. Titz sieht die Erwartungshaltung vor der Saison deswegen in einem Gesamtprozess eingebettet: „Vor einigen Monaten ist man in einen Verein mit einer Missstimmung geraten – jetzt beginnen alle, die Mannschaft zu unterstützen. Die Zuschauer lechzen nach Siegen. Wir haben aber auch ab und zu Spielglück, und man merkt, wie positiv die Leute sind. Fantastisch, wie wir unterstützt werden.“ Großer Titelfavorit HSV? Titz lächelt das Thema weg: „Ich befasse mich nicht mit der Favoritenrolle. Mein Sohn spricht mich auch manchmal darauf an und sagt dann ganz verwundert: du kümmerst dich ja wirklich nur um den nächsten Gegner. Dass wir als Absteiger diese Rolle zugeschustert bekommen, ist doch klar.“

 

Wer noch ein wenig hören möchte vom HSV, der kann sich diesen NDR-90,3-Link vornehmen. Rick van Drongelen war zum Studiogespräch bei Britta Kehrhahn.

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