Tobias Escher

18. August 2019

Die Taktikanalyse kommt an diesem Wochenende mit etwas Verspätung. Eine Erkältung hat mich lahmgelegt. Das Spiel zwischen dem Hamburger SV und dem VfL Bochum war dabei nicht gerade die beste Medizin – oder vielleicht doch, mir fiel es am Freitagabend nämlich recht schwer wachzubleiben. Erst im zweiten Anlauf gelang es mir, das Spiel über neunzig Minuten zu schauen.

Ein fußballerischer Hochgenuss war die Partie zwischen dem Hamburger SV und dem VfL Bochum nicht. Nur 14 Schüsse gab der Hamburger SV ab, darunter vier in den Schlussminuten, als der VfL Bochum alles nach vorne warf. Aber auch der VfL Bochum war offensiv harmlos, keiner ihrer sieben Schüsse ging auf den Kasten von HSV-Keeper Daniel Heuer Fernandes. Das war letztlich das Erfolgsrezept der Hamburger in dieser Partie: Sie kontrollierten das Spiel, ohne allzu viele Torchancen auf beiden Seiten entstehen zu lassen.

Selbe Formation, selbes Team

Dieter Hecking scheint bereits wenige Wochen nach Saisonbeginn seine Stammformation gefunden zu haben. Erneut schickte er seine Mannschaft in einem 4-3-3 auf das Feld, abermals durfte Adrian Fein als Strippenzieher vor der Abwehr auflaufen. Über Verlagerungen von einer Seite zur anderen versuchte der HSV geduldig, die Abwehr Bochums zu knacken.

Das war kein leichtes Unterfangen, schließlich konzentrierten sich die Bochumer gänzlich auf die Defensive. Trainer Robin Dutt schickte seine Mannschaft in einem 4-4-1-1-System auf das Feld. Bochum baute die zwei Viererketten kurz hinter der Mittelinie auf. Ins Auge stach vor allem die Kompaktheit der Verteidigungslinien: Die Abstände zwischen Abwehr und Stürmern waren gering, der für den Hamburger SV bespielbare Raum dadurch auch.

Bochums Strategie war es, nach Balleroberungen schnell zu kontern. Dazu sollte der Ball direkt zu Stürmer Silvere Ganvoula gespielt werden. Praktisch jeder Ball ging zu dem bulligen Kongolesen, der lange Bälle halten oder ins Dribbling starten sollte. Rick van Drongelen stand Bochums Stürmer in Sachen Robustheit aber in nichts nach, sodass sich schon früh am Abend herauskristallisierte: Bochums einziger offensiver Spielzug geht nicht auf. Sie blieben über weite Strecken der Partie harmlos.

Taktische Aufstellung HSV-BOC

 

Kontrolle, aber keine Durchschlagskraft

Und der HSV? Auch die Hamburger brauchten lange, um sich vor das gegnerische Tor zu kombinieren. Unter Hecking hat sich bereits eine klare Spielidee herauskristallisiert: Der Ball soll zwischen den Verteidigern und Sechser Fein ruhig zirkuliert werden, ehe irgendwann über die Flügel das Tempo verschärft wird. Dazu bewegen sich die Achter David Kinsombi und Jeremy Dudziak häufig auf die Außen, um hier Überzahlsituationen zu schaffen.

Gegen Bochum ging der HSV dabei äußerst handzahm vor. Die Spieler hielten recht starr ihre Positionen. Das hat durchaus Vorteile: Nach Ballverlusten kann das eigene Team schnell wieder in eine kompakte Defensivordnung zurückkehren, die Gefahr ausgekontert zu werden minimiert sich. Das ist gegen ein schnelles Konterteam wie Bochum ein gewichtiger Faktor. Die Tatsache, dass Bochum kaum gute Konter spielen konnte, belegt den Erfolg des HSV.

Zugleich ist diese Positionstreue eine Hypothek für die Offensive. Man kann den Gegner nicht überraschen durch eine ungewohnte Staffelung oder einen plötzlich gewählten Laufweg. Auch ist es kaum möglich, Lücken auszunutzen, die sich in der gegnerischen Verteidigung öffnen. Dazu bedarf es Risikobereitschaft, die dem HSV aber fehlte.

Nach der Pause änderte sich dies. Nun war den Hamburgern deutlich anzumerken, dass sie mutiger auftreten wollten. Vor allem Dudziak und Kinsombi bewegten sich weiträumiger, aber auch Fein wagte einige Dribblings aus dem Mittelfeldzentrum in den Sturm. Es waren die kleinen, aber feinen Momente, die dem HSV vor der Pause gefehlt hatten.

Nach dem Treffer zum 1:0 waren die Bochumer gefragt. Sie ließen sich bis zur Schlussviertelstunde Zeit, ehe sie zu einer Art Schlussoffensive bliesen. Dutt stellte seine Mannschaft auf ein offensives 4-1-4-1 um, wobei vor allem die zwei vorderen zentralen Mittelfeldspieler weit nach vorne rückten. Folglich entstand Raum für den HSV zum Kontern, vor allem in den Halbräumen tat sich eine Lücke auf. Mangelnde Genauigkeit auf beiden Seiten führte dazu, dass es beim 1:0 blieb.

 

Fazit

Das Fazit fällt – je nach Betrachtungsweise – unterschiedlich aus. Man kann den HSV für die offensive Harmlosigkeit und den lahmen Verwaltungsfußball kritisieren. Genauso kann man den kontrollierten wie defensiv stabilen Auftritt loben. Beide Aspekte sind zwei Seiten einer Medaille. Kommende Woche dürfte es nicht langweilig werden. Aufsteiger Karlsruhe SC überraschte die zweite Liga bisher mit aggressivem Pressing-Fußball. Bis dahin ist meine Erkältung hoffentlich abgeklungen. Ansonsten gönne ich mir einen Schluck Medizin und schaue mir das Spiel zwischen Fürth und Regensburg an. Das dürfte auch nicht spektakulärer gewesen sein als Hamburgs wichtiger Sieg gegen Bochum.

FAQs

 
 

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