Tobias Escher

1. April 2019

Nach zuletzt drei Gegentoren gegen Darmstadt gab es für den Hamburger SV nur ein Motto: Gegen den VfL Bochum musste die Null stehen. Leider vernachlässigten die Hamburger dabei die eigene Offensive. Die Taktikanalyse.

Die Zweite Liga ist eine ganz eigene Herausforderung. Selbst der optimistischste HSV-Fan dürfte das nach 27 Spieltagen verstanden haben. Kampfstarke Gegner lauern darauf, den Aufstiegskandidaten aus Hamburg auszukontern. Auch gegen den VfL Bochum war dies nicht anders. Wolf ging mit seiner Taktik auf Nummer Sicherheit – vielleicht sogar eine Nummer zu sehr.

Klassisches 4-2-3-1 gegen klassisches 4-2-3-1

In der Rückrunde experimentierte Wolf mit teils recht modernen taktischen Formationen. Gegen Bochum stellte er konservativ auf. Der HSV begann mit einem 4-2-3-1-System, das defensiv zu einem 4-4-1-1 wurde. Die Außenverteidiger hielten sich im Spielaufbau zurück, rückten also nicht wie zuletzt ins Zentrum ein. Stattdessen agierten sie als recht klassische Flügelverteidiger und rückten im Aufbau nicht extrem weit nach vorne.

Hamburgs Taktik hatte vor allem ein Ziel: Wolf wollte sein Team gut organisiert sehen gegen die konterstarken Bochumer. Diese agieren ebenfalls aus einem 4-4-1-1-System. Die Doppelsechs lässt sich bei Bochum häufig fallen, um Stürmer Lukas Hinterseer mit langen Pässen füttern zu können. Der Stürmer, der angeblich im Visier des HSV ist, punktet mit seiner Geschwindigkeit und seinem Zug zum Tor.

Der HSV wollte die Konterstärke der Bochumer auf alle Fälle negieren. Im Pressing störten sie zwar gewohnt früh, vor allem die Bochumer Doppelsechs wurde eng bewacht. Im Anschluss zog sich der HSV jedoch sofort zurück. Es sollten ja keine Räume geöffnet werden für Bochum, die defensive Kompaktheit stand im Vordergrund.

Taktische Aufstellung BOC-HSV

 

Wenig Ballbesitz, aber auch wenig Tempo

Es entstand ein aus HSV-Sicht relativ ungewohntes Bild: Zur Halbzeitpause lag Bochums Ballbesitzwert bei 60%. Sie gaben eindeutig den Ton an, während der HSV selbst auf schnelle Umschaltmomente setzte. Diese Umschaltmomente kamen jedoch nur selten, da auch Bochum kein unnötiges Risiko ging. Sie vermieden die Räume im zentralen Mittelfeld und spielten stattdessen lieber lange Bälle. Ballgewinne, die der HSV schnell in Konter ummünzen konnte? Fehlanzeige.

Gefährlich wurde es am Ehesten, wenn eins der Teams den Weg über die Flügel suchte. Auch hier waren die Bochumer das Team, das die taktisch besseren Ideen vorwies. Trainer Robin Dutt wies seine Angreifer an, im Umschaltmoment sofort die Flügel zu besetzen. Er spekulierte auf frei werdende Räume hinter Hamburgs Außenverteidigern. Diese gab es zwar nicht, da sich Hamburgs Außen ungewohnt stark zurückhielten. Immerhin konnte Bochum damit aber jedwede offensive Gefahr neutralisieren, die Goteku Sakai und Douglas Santos sonst ausstrahlen.

So folgte die Partie einem Muster, das häufig zu sehen ist, wenn beide Teams dieselbe taktische Formation wählen: Es gab viele Zweikämpfe im Mittelfeld, viel Stückwerk, aber wenig Torgelegenheiten.

Keine Änderungen am taktischen Plan

Wer nun erwartet hatte, dass Wolf in der Halbzeit-Pause auf das taktische Patt reagiert, wurde enttäuscht. Auch nach der Pause hielt der HSV weiter am Konter-orientierten 4-2-3-1-System fest. Erst mit den Einwechslungen von Gideon Jung (58., für Mangala) und Lewis Holtby (58., für Jatta) veränderte Wolf die Statik des Spiels. Berkay Özcan ging nun auf die Linksaußen-Position, rückte allerdings häufig ins Zentrum ein. Santos schloss die Lücke und interpretierte seine Position offensiver. Vor allem über diese Seite kam Hamburg vor das gegnerische Tor.

Mit der Einwechslung von Mats Köhlert (78., für Janjicic) wollte Wolf noch einmal offensive Impulse setzen. Holtby rückte nun auf die Doppelsechs, wodurch das HSV-Spiel in der Tat an Fahrt gewann. Das lag nicht zuletzt an den Bochumern, die das hohe Tempo der ersten Halbzeit nicht weiter verfolgen konnten. Sie zogen sich nun weiter und weiter zurück und überließen dem HSV das Spiel. Doch die Besetzung der Offensivräume blieb weiterhin unzureichend, Bochum hatte das Zentrum in Griff. 0:0 war das folgerichtige Ergebnis.

Fazit

So richtig schlau wird man aus dem Hamburger SV nicht im Jahr 2019. Auf einen Schritt nach vorne folgt sogleich ein Schritt zurück. Vor allem die Balance zwischen Offensive und Defensive stimmt noch nicht in den wechselnden Systemen von Trainer Hannes Wolf. Gegen Bochum schlug das Pendel weit in Richtung Defensive aus.

Die Zeit, um das Team taktisch umzubauen, ist kurz. Bereits am Dienstag trifft der HSV im Pokal auf Paderborn. Die Paderborner feierten beim 3:1-Erfolg über Union Berlin eine Gala-Vorstellung. Ihr äußerst offensives System, eine Mischung aus Raute und 4-2-2-2, hat den Aufsteiger bis auf drei Punkte an den Relegationsrang geführt. Der HSV muss gegen einen offensivstarken Gegner antreten, der vor allem durch sein gnadenloses Angriffspressing besticht.

So unschön die Partie gegen Bochum anzusehen war: Vielleicht war sie die richtige Einstimmung auf das Pokal-Viertelfinale. Allzu offensiv darf man gegen Paderborn nicht antreten, sonst läuft man in ihre (Pressing-)Fallen. Vielleicht funktioniert Wolfs defensives System am Dienstag besser.

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