Marcus Scholz

26. Februar 2018

***ERGÄNZT: Wie gestern bekannt wurde, soll Peter Gottschalk, der Vorsitzende des Seniorenrates, die Wahl von Bernd Hoffmann anfechten wollen. Allerdings um das Ganze richtig einzuordnen und daraus nichts Größeres zu machen als es ist: Die Anfechtung ist ohne Chance auf Erfolg. Das wurde Gottschalk gegenüber auch so kommuniziert. Dabei ging es um einen Formfehler (Hoffmann soll am Wahltag die Wahl nicht persönlich angenommen haben) sowie zurückliegende finanzielle Transaktionen aus dem Jahr 2011. Damals war Hoffmann noch Vorstandsvorsitzender und soll unverhältnismäßig hohe Zahlungen an Berater des HSV gezahlt haben. Ein Vorgehen, das damals vom damaligen Aufsichtsrat untersucht und letztlich abgenickt wurde. Hoffmann wurde anschließend entlastet. Von daher hat und hätte es heute eh keine vereinsrechtliche Relevanz mehr.***

Der Aufsichtsrat ist jetzt dran. **korrigiert: Morgen statt heute** sitzen die neuen sechs Kontrolleure  zusammen und besprechen, was es zu besprechen gibt. Und das ist eine ganze Menge. Denn sie sind der erste Aufsichtsrat, der bei Amtsantritt in der öffentlichen Wahrnehmung schon so gut wie abgestiegen ist. Zudem steht die Umsetzung des Wechsels in der e.V.-Führung an und für die fünf von Jens Meier und dem Beirat berufenen Aufsichtsräte gilt es, Bernd Hoffmann zu integrieren. Oder müsste man es anders formulieren? Sollte Bernd Hoffmann zusehen, die fünf Räte in den von ihm proklamierten Umbruch mit einzubeziehen? Ich behaupte: ja. Und zwar sofort.

Die „wichtigsten sieben bis acht Positionen“ gelte es schnellstmöglich zu hinterfragen, hatte Hoffmann auf der Mitgliederversammlung gesagt und damit bei vielen HSV-Mitgliedern ins Schwarze getroffen. Ich behaupte sogar, dass Meier die Wahl deutlich gewonnen hätte, wenn er es geschafft hätte, genau diese Aufbruchsstimmung zu verbreiten. Hat er aber nicht – dafür Bernd Hoffmann. Und der ist bekannt dafür, seine Ziele nicht nur groß zu formulieren, sondern sie auch anzupacken und umzusetzen. Auch gegen stärkere Widerstände. Und wer von Euch am Sonnabend nach dem Nordderby bei „Rautenperle.tv live“ reingezappt hat, dem dürfte klar sein, dass es diese Widerstände bei dem noch immer verfilzten HSV-Konstrukt vorhanden sind. Aus dem Mann, dem einst vorgeworfen wurde, den Verein zu spalten, soll der werden, der den gespaltenen Verein wieder zusammenführt, indem er Seilschaften aufbricht und Führungspositionen endlich mit den notwendigen Führungskräften besetzt.

Und das fängt ganz oben an. Heribert Bruchhagen ist ein eloquenter Mann, der dem Verein nach außen via Interviews bis zuletzt immer ein gutes, oftmals trotz aller Missstände sogar sympathisches Gesicht verliehen hat. Er ist ein guter bis sehr guter Repräsentant. Allerdings fehlen ihm die Ideen, wie man diesen HSV weiterentwickelt. Seit Amtsantritt hat sich der Bundesligadino außer in der weitgehend autark von Bernhard Peters und Dr. Dieter Gudelt geführten Nachwuchsabteilung nicht weiterentwickelt. Im Gegenteil. Bruchhagens ablehnende Haltung zum vereinseigenen Scoutingabteilung hat eine seit Jahren vernachlässigte Professionalisierung der Scoutingabteilung bis zuletzt verhindert. Bis zuletzt, bis intern der Druck so groß wurde, dass auch der Vorstand klein beigeben musste. Wobei der Vorstand ja auch nur aus dem Finanzexperten Frank Wettstein und eben Bruchhagen besteht.

Womit wir zu Frank Wettstein kommen, der in der Email-Affäre den aus meiner größten Schaden genommen hat. Felix Goedhardt als Aufsichtsrat anzusprechen und ihn darauf hinzuweisen, wie führungslos der HSV aktuell unter seinem Kollegen Bruchhagen ist, zeugt nicht von Loyalität. Allerdings mag es dringend nötig gewesen zu sein, um aufzurütteln. Dass Goedhardt am Ende per Email seine Aufsichtsratskandidaten über die von Wettstein formulierten Missstände und das Gespräch an sich informiert, halte ich ebenfalls für völlig legitim. Im Gegensatz zu dem Umstand, dass einer der Räte daraufhin nichts besseres zu tun hat, als seinen Buddy Bruchhagen über die Inhalte zu informieren und das Thema anschließend öffentlich zu machen. Nein, hier wurden vermeintlich richtige, sogar wichtige Themen angegangen, nur mal wieder von Eitelkeiten und Klüngeln getrieben völlig falsch. Und somit blieb diese Chance vor einigen Wochen, wo es vielleicht noch zu wichtigen Schlüssen geführt und so noch etwas hätte bewegen können, ungenutzt.

Dazu zu zählen war und ist neben einem Personalwechsel auf oberster Ebene sicher auch die Personalie Jens Todt. Der Sportchef ist in dem ganzen HSV-Konstrukt seit längerem völlig wirkungsfrei. Er wartet auf das Okay von oben, um etwaige Personalpläne umzusetzen. Da das Okay aus der Schweiz vom einzig möglichen Geldgeber (der kürzlich ausgeschiedene Aufsichtsrat hat es seit 2014 nicht hinbekommen, weitere strategische Partner oder zumindest Geldquellen zu generieren) aber ob des Streits mit Vorstandsboss Heribert Bruchhagen um die Ausrichtung der AG nicht kam, war Todt handlungsunfähig. Vor allem, weil er es nicht geschafft hat, einen Plan B aufzustellen für den Fall, dass Kühne eben wirklich nichts gibt. Statt sich in unteren Ligen umzusehen und dort ein unentdecktes Juwel zu finden, hat er es sich gemütlich gemacht und ist in der Winterpause im Flieger nach Argentinien zum Scouten geflogen. Erste argentinische Liga wohlgemerkt – nicht zweite oder dritte, wo der JSV finanziell vielleicht noch hätte mithalten können...

Dabei wusste er wie eigentlich jeder halbwegs fußballinteressierte HSVer seit dem Saisonbeginn im Sommer, dass der HSV einen dramatisch unausgewogenen Kader hat, dass die Offensive zu schwach besetzt ist und dass im Mittelfeld der Taktgeber mit Torinstinkt fehlt. Jeder wusste, dass die Doppelsechs mit dem mehr verletzten als gesunden Albin Ekdal als Eckpfeiler kein Fundament hat und dass die Abwehr zu langsam sowie die Torwartposition maximal durchschnittlich besetzt ist. Vor allem aber wusste zu diesem Zeitpunkt noch niemand, dass mit Fiete Arp ein Talent den Sprung schafft – auch wenn das im Winter (Todt: „Wir wollten unseren Talenten den Weg nicht mit Neuen zubauen“) immer wieder als Alibi fürs Nichtstun genutzt wurde.

Nein, der HSV-Sportchefposten ist beim HSV aktuell wie unbesetzt, er wird nur bezahlt. Und auch wenn es mildernde Umstände dafür geben mag, dass Todt am Ende auch das Opfer der andauernden Querelen zwischen HSV-Führung und dem einzigen Geldgeber Klaus Michael Kühne geworden ist, bleibt die Verfehlung unverzeihlich. Vor allem bleibt sie unwiderruflich in seiner Auswirkung, wenn der HSV dadurch sein Alleinstellungsmerkmal verliert und das erste Mal absteigt. Sich wie Bruchhagen auf der Mitgliederversammlung hinzustellen und zu erzählen, dass ein Abstieg kein Beinbruch ist, wie die Beispiele Köln, Frankfurt und Co. bewiesen hätten – das ist nichts anderes als ein Armutszeugnis und der Versuch, von auch ihn betreffenden notwendigen Konsequenzen abzulenken. Denn mal ganz im Ernst: Was außer dem Alleinstellungsmerkmal, das letzte Bundesliga-Gründungsmitglied zu sein, hat dieser HSV der Konkurrenz denn noch voraus?

Genau: Nichts.

Und neben dem emotional schwer hinzunehmenden Abstieg würde selbiger dem HSV nicht nur TV- sondern auch auf lange Sicht unabsehbar viele Werbeeinnahmen kosten, da man sich nicht mehr damit rühmen können wird, „immer erstklassig“ zu sein. Der Abstieg, der beim HSV ehrlich gesagt nicht erst seit diesem Saisonbeginn, sondern schon unter Bruchhagens Vorgängern Beiersdorfer und Jarchow eingeleitet und billigend in Kauf genommen wurde, wäre tatsächlich ein viel größerer Unfall mit deutlich schwerwiegenderen Folgen, als es uns aktuell vorgegaukelt wird. Vor allem, überlegt mal: Die HSV-Führung erzählte, man habe im Winter keine Neuen mehr geholt, weil man keine weiteren Abhängigkeiten schaffen wolle. Allerdings würde ein Abstieg genau das in zigfacher Ausführung bedeuten. Schon allein aus finanzieller Sicht.

Insofern war der sicher gut gemeinte Weg im Winter ein klassisches Eigentor. Das entscheidende Treffer womöglich. Die HSV-Führung hat sich verpokert. Und verloren. Und wenn sie das nicht selbst einsehen und die logischen Konsequenzen ziehen, dann muss der Aufsichtsrat nachhelfen. Schnell. Denn es gibt nur eine Sache, die der HSV noch weniger hat als Punkte – und das ist Zeit.

Und sie ziehen einen weiteren bislang Unschuldigen tief mit in den Negativstrudel: Bernd Hollerbach. Der wird bei seinem allerersten Engagement als Erstligatrainer gleich in eine Situation geschmissen, die mehr Erfahrung bedarf als alles andere. Er soll mit einem qualitativ unzureichenden Kader den Abstieg verhindern. Vielleicht bedarf es sogar eines Höchstmaßes an Erfahrung. Denn im Gegensatz zu den anderen Abstiegskandidaten wurde der Misserfolg der Hinserie nicht durch Zugänge im Winter und die dadurch hervorgerufene Aufbruchsstimmung abgefedert. Im Gegenteil: Wie im Angriff auf Arp wird die komplette Last des Abstiegskampfes auf Erstliga-Trainerneuling Hollerbach verlagert. Unverantwortlich. Zumal sich im Winter Felix Magath beim HSV angeboten hatte, bzw. angeboten wurde. Bis zum Sommer ohne hohes Gehalt, dafür mit einer ordentlichen Nichtabstiegsprämie. Wie er es schon mal angeboten hatte. Der HSV lehnte ab. Erneut.

Dabei wäre das Modell mit Magath sicher das Modell gewesen, mit dem man am meisten hätte bewegen können. Im Winter hätte man bei Kühne Vertrauen gewonnen und sicher personell notwendige Nachbesserungen tätigen können. Und man hätte Magath als Teammanager (Sportchef und Cheftrainer in Personalunion) bis zum Sommer durchgezogen, bevor man ihn ersetzt, indem Hollerbach zum Cheftrainer aufsteigt und Magath vom Sommer an ausschließlich als Vorstand Sport agiert. Denn dann hätte man jetzt die zwingend notwendige Erfahrung und trotzdem die Möglichkeit, Hollerbach später als ersten Mann zu installieren. Denn dass er es sein kann, scheint klar. Allein unter anderen Umständen, um ihn nicht zu verbrennen, bevor er überhaupt eine echte Chance hatte.

Und obwohl der Aufsichtsrat hier keinen operativen Zugriff hat, er bestellt immerhin den Vorstand. Und demnach hätte er im Winter, wo Bruchhagen per Option seinen Vertrag verlängerte und damit ein fatales Zeichen der verfehlten Selbsteinschätzung nach innen (und außen) setzte, Bruchhagen deutlich machen müssen, dass dieser handeln müsse, bevor der Aufsichtsrat die Notbremse zieht. So, wie es jetzt der neue Rat machen muss.

In diesem Sinne, bis morgen. Da wird um 10 und um 15.30 Uhr öffentlich trainiert. Und ab Donnerstag geht es ins Hotel Treudelberg, trainiert wird aber weiter nicht öffentlich am Volkspark. Die Witterung lässt kein anderes Trainingslager zu.

Scholle

 

TV-Tipp: Heute Abend zeigt Sport1 das Regionalliga-Topspiel der U21 (mit Ito) bei der Zweitvertretung vom VfL Wolfsburg live. Anpfiff ist um 20.15 Uhr.

 

MITTEILUNG DES HSV:

Besondere Sicherheitsmaßnahmen zum Heimspiel gegen Mainz

Gegen den FSV ist unter anderem eine Sektorentrennung geplant, zudem wird es nur alkoholfreies Bier im Stadion geben.

Zum Heimspiel gegen Mainz 05 am kommenden Sonnabend (3. März) wird es im Volksparkstadion besondere Sicherheitsmaßnahmen geben. Darauf einigten sich am Montag (26. Februar) die Teilnehmer der obligatorischen Sicherheitsbesprechung. Zunächst wurde die Partie grundsätzlich zu einem Risiko-Spiel erklärt. Dies zieht eine klare Sektorentrennung der Fangruppen nach sich. Der Stadioneingang Süd-West wird nur für Gästefans zugänglich und der Gästeblock auch nur über diesen erreichbar sein. Neben weiteren Maßnahmen wird es im Stadion zudem nur alkoholfreies Bier geben.

Der Grund dafür sind die Vorkommnisse der vergangenen Wochen. Das Nordderby gegen Werder Bremen musste unter anderem mehrere Male kurzzeitig unterbrochen werden, da Personen aus dem HSV-Fanblock Pyrotechnik im Stadion zündeten. Vorstand Frank Wettstein sprach deshalb bereits von einer „Null-Toleranz-Haltung“ gegenüber jeglicher Art kriminellen und gefährdenden Verhaltens bei Spielen des HSV sowie gegenüber Spielern und Angestellten.

 

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