Marcus Scholz

8. Juli 2019

Der erste Trainingstag im Trainingslager in Kitzbühel ist beendet. Bei sehr wechselhaftem Wetter,  wie einer meiner Kollegen den Wechsel zwischen leichten und stärkeren Regenfällen nannte, ließ Trainer Dieter Hecking heute den Ball laufen. „Da ist endlich wieder Zug drin“, wurde auf der gut besuchten Tribüne des FC Eurotours Kitzbühel (Österreichische Regionalliga West) zu Beginn geflachst, weil das beim HSV in den letzten Jahren zu oft behauptet worden war. Am Ende aber waren sich dann tatsächlich alle einig, dass die Einheit heute ähnlich derer in Hamburg unter Neu-Trainer Dieter Hecking sehr intensiv war. Passend zum Training gab es zum Abschluss dann noch ein paar „Linienläufe“, wie es bei uns früher hieß, wenn wir von der Grundlinie bis zur Fünfer, Sechzehner, Mittel- und letztlich auch gegenüberliegenden Grundlinie Steigerungsläufe machen mussten.

Und bis auf den unkaputtbaren Christoph Moritz, der selbst während des letzten Durchganges noch gut gelaunt seinen Nebenmann Rick van Drongelen vollquatschte, schienen alle mächtig kaputt zu sein. Insbesondere die Verlierermannschaft in Blau, die das Abschlussspiel mit 0:1 durch einen Treffer von Berkay Özcan verlor und  noch einen Durchgang mehr machen musste. Kleiner Trost für die 26 Spieler, die mitgereist sind: Ihnen stehen in ihrer Freizeit 3000 Quadratmeter Wellnessbereich im sehr noblen Mannschaftshotel Kempinski in Jochberg (ca. 10 Minuten Autofahrt vom Trainingsplatz entfernt) zur Verfügung.

Hecking fordert und fördert die Kreativität seiner Spieler

Hecking ist in fast allen Belangen ein Trainer der alten Schule. Auch in Sachen Teambuilding hat er seine ganz eigene Meinung. Kurz gesagt: Es interessiert ihn wenig, was die Spieler in ihrer Freizeit machen, solange der Fokus auf dem Fußball bleibt. Das Gute daran: So fördert er die Kreativität der Spieler, die sich plötzlich wieder eigenständig Dinge ausdenken müssen, wie sie sich miteinander beschäftigen können.  

Hecking: „Es gibt genügend Möglichkeiten für teambildende Maßnahmen. Die Spieler können sich abends im Hotel treffen. Floßfahrten und Rafting haben sich irgendwann auch abgenutzt. Im Moment steht das auch nicht im Vordergrund. Im Vordergrund steht, diese Woche zwei gute Testspiele zu absolvieren und Vertrauen zu kriegen in die Sachen, die wir vorgeben. Alles immer mit dem Blick darauf, dass man auch mal einen Rückschlag bekommen kann, mal ein Spiel verliert. Das ist der Hauptfokus. Alles andere ist Nebensache.“

 

Hecking, der im Trainingslager weiter an seinem favorisierten 4-3-3-System aber auch an der Variante mit zwei Angreifern und einer Raute im Mittelfeld arbeiten will, lässt keinen Zweifel daran, dass er Nebensächlichkeiten auch nebensächlich lässt. Hecking: „Wir sind hier, um den Grundstein für eine hoffentlich erfolgreiche Saison zu legen. Das ich mal einen freien Nachmittag gewähren werde, ist auch klar. Aber auch da setze ich auf die Kreativität der Spieler und werde nicht irgendwelche Vorgaben machen. Und wenn einer meint, er ist müde und will auf dem Zimmer bleiben, dann soll er sich ausruhen.“

Parallel dazu wird sich Hecking im Trainingslager die Zeit nehmen, um mit seinen Spielern auch Einzelgespräche zu führen. Dafür eigenen sich Trainingslager, wo alle eng beieinander wohnen, natürlich bestens. Einer, den sich Hecking auch so in den letzten Tagen und Wochen immer wieder zum Gespräch noch auf dem Platz geschnappt hatte, ist Aaron Hunt. Auch heute hatte sich Hecking den Noch-Kapitän nach der Einheit geschnappt und länger mit ihm gesprochen. Auch über das von rund 150 zum Teil sehr lautstarken Fans gefeierte Abschlussspiel, in dem Adrian Fein einen langen Diagonalball spielen wollte, anstatt den sicheren Pass auf den wenige Meter neben ihm stehenden Aaron Hunt zu spielen. „Ich steh doch hier, Mann“, war Hunt auf dem Platz sauer. Zumal der Fehlpass den spielentscheidenden Konter mit Özcans Tor einleitete.

Hecking fordert Hunt - und macht ihn zu seinem Ansprechpartner

„Und darum geht es auch“, sagt Hecking, „die Blauen haben das Spiel auch verloren, weil Adrian eine falsche Entscheidung getroffen hat. Aaron hat sich zurecht drüber aufgeregt, weil die blaue Mannschaft sonst wahrscheinlich gewonnen hätte, wenn Adrian den sicheren Ball ins Zentrum spielt und dadurch eine Fünf-gegen-drei-Überzahl entsteht. So kommt der Fehlpass, so kommt fast noch ein Handspiel hinten raus und so verlieren sie durch den entscheidenden Spielzug. Und darum geht’s, dass Aaron auch die jungen Kollegen führen muss und sagt ‚Adrian, ist ja nicht bös‘ gemeint, aber spiel’ mich doch an, ich verlagere dann auf Wintzheimer“ - und dann wäre da die Post abgegangen.“ Ob er von Hunt mehr Verantwortung auf dem Platz erwartet? „Ja, aber nicht nur von ihm. Mit ihm habe ich das nur gerade besprochen, als wir da standen.“

Ob Hunt Heckings favorisierter Mannschaftskapitän sei, wollte er schon zuletzt nicht beantworten. Und auch in den Tagen in Kitzbühel soll die Entscheidung, wer neuer Kapitän wird, noch nicht fallen. „Es ist noch nicht der Zeitpunkt dafür“, so der HSV-Trainer, dem nach eigener Aussage nur wichtig sei, dass die Mannschaft ihren Kapitän selbst wählt. „Und solange das vor dem ersten Spiel ist, reicht mir das auch.“

Der neue Kapitän wird erst kurz vor Saisonbeginn gewählt

Heckings unaufgeregte, routinierte Art ist inzwischen hinlänglich bekannt. Und sie ergibt auch immer wieder Sinn. Er entschleunigt damit in vielen Situationen unnötige Hektik und schafft Klarheiten. So eben auch in Sachen Kapitän, da in den nächsten Tagen bis zum Saisonauftakt gegen Darmstadt personell noch einiges passieren kann. „Und letztlich soll der Kapitän der Kapitän der Mannschaft sein. Deshalb sollen sie ihn auch alle wählen“, sagt Hecking, der bei Hunt keine Kapitänsbinde braucht, um ihn als seinen verlängerten Arm auf dem Platz zu sehen.

Zum einen, weil sich die beiden noch aus gemeinsamen Zeiten beim VfL Wolfsburg kennen. Zum anderen, wie Hunt den HSV seit Jahren kennt und so das Ohr an der Mannschaft für Hecking sein kann. „Aaron hat auch schon viel erlebt. Natürlich ist er, wie man die letzten drei Wochen sagen muss, in einer guten körperlichen Verfassung.  Da sieht man auch, wie eminent wichtig er dann sein kann. Für mich geht es auch darum, dass er aus unsere Zeit in Wolfsburg noch weiß, wie ich ticke und wie gewisse Dinge abzulaufen haben. Da tauscht man sich schon noch mal aus.“

 

Stammelf: Die Tage in Kitzbühel sollen Entscheidungen herbeiführen

Hecking baut sich seine Mannschaft personell auf und fördert eine gewisse Hierarchie. Er setzt auf Erfahrung, macht dabei aber auch den erfahrenen Akteuren immer wieder klar, dass Erfahrung allein nicht den Stammplatz sichert. Er gibt seinen Spielern Vertrauensvorschüsse - aber erfordert Gegenleistung. Bleibt die aus, kann es auch für den vermeintlich gesetztesten Stammspieler plötzlich schlecht aussehen. „Die Tage in Kitzbühel können schon Aufschlüsse geben, wer auf welcher Position am weitesten ist“, hatte Hecking vor der Abreise gesagt und damit den Konkurrenzkampf noch einmal angeheizt.

Im angehängten Video könnt Ihr zudem noch mal hören, was Hecking nach dem ersten Training im Videointerview gesagt hat, bevor er uns im Anschluss noch einmal zur Verfügung stand. Ich verabschiede mich jetzt für eine kurze Zeit, weil wir das heute leider sehr späte Tagebuch-Gespräch (findet erst gegen 22 Uhr statt) mit Tom Mickel führen wollen und dafür noch einmal ins Mannschaftshotel fahren. Das Video mit Tom werden wir Euch dann heute spät(er) nachreichen! Ich melde mich zudem morgen früh wie gewohnt um 7.30 Uhr wieder mit dem MorningCall bei Euch.

Bis dahin Euch allen alles Gute aus Kitzbühel! Scholle

P.S.: Im Abschlussspiel knickte David Bates um und musste im Anschuss behandelt werden. Wie schlimm es ist, steht noch nicht fest.

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