Marcus Scholz

27. November 2020

Kritik nach Niederlagen ist okay. Kritik, so lange sie sachlich ist, eigentlich sogar immer. „Der Wind ist okay. Er bläst ein bisschen doller, aber ich habe ein breites Kreuz“, sagte dementsprechend auch Trainer Daniel Thioune heute. Er hatte sich wie schon nach Kiel auch nach dem 1:3 gegen Bochum selbst mit in die Kritik einbezogen. „Ich stelle mich ganz gern in die Wind, auch im Hamburger Schietwetter.“ Natürlich habe er gemerkt, dass die Kritik etwas lauter geworden sei, „aber das ist okay. Dem stelle ich mich, dem stelle ich mich mit der Mannschaft“, so der 46-Jährige. Wenn die Kritik lauter werde, zeige das, dass die Menschen eine gewisse Erwartungshaltung hätten. „Und diese Erwartungshaltung ist unser Antrieb.“ 

 

Ein Kritikpunkt an Thioune (auch hier von Euch und von mir)  waren zuletzt die vielen Veränderungen in der Formation. Vor allem aber Wechsel wie der vierfache gegen Bochum. Ob das ein Stilmittel seiner Arbeit sei, wollte ich heute von Thioune wissen. Und er antwortete: „Ich möchte gar nicht der große Trickser sein. Am Ende des Tages soll die Mannschaft erfolgreich sein.“ Viele Änderungen seien auch zwangsläufig durch Sperren und Verletzungen gekommen. Man brauche sicher eine Achse, an der man sich anlehnen kann, räumte er zudem ein. „Ich glaube, die haben wir mit Sven Ulreich im Tor und in vorderster Front sicherlich mit Simon Terodde. Und dazwischen batteln sich auch viele.“

Ulreich und Terodde sind gesetzt - sonst niemand

Mit anderen Worten: Im Defensivverbund und im Mittelfeld gibt es noch keine gesetzten Spieler für Thioune. Kann man natürlich so machen – aber nach acht Spieltagen sollte sich meiner Meinung nach zumindest die zentrale Achse aus Torwart, Abwehrchef, Sechser, Zehner und Mittelstürmer gefunden haben. Klar, Verletzungen kommen dazwischen und verändern zwangsläufig Aufstellungen, aber die grundsätzliche Achse sollte da sein. Bei mir beispielsweise wäre sie Ulreich, Ambrosius, Onana, Wintzheimer und Terodde. Trotz der zuletzt schwachen Leistungen Dudziaks überwiegen auch bei ihm die guten Partien. Zumindest hat er bessere Leistungen auf der Position vorzuweisen als beispielsweise Hunt oder Kittel. Auch wenn ich irgendwie noch immer nicht bereit bin, Kittel für diese Position abzuschreiben – Dudziak darf hier meiner Meinung nach immer noch am ehesten Ansprüche anmelden.

Vor allem aber würde ich so lange fest auf Ambrosius setzen, wie der seine zuletzt gezeigten Leistungen abrufen kann. Leistner war auf der Innenverteidigerposition in der Dreier-/Fünferkette am vergangenen Sonntag gegen Bochum sicher noch einer der auffälligeren Spieler. Er antizipiert auffällig gut. Alles richtig! Aber Ambrosius ist schneller, stärker im Bodenzweikampf und zumindest gut (hier ist Leistner sehr stark!) im Kopfballspiel. Dass Leistner der bessere Spieleröffner ist, wie Thioune als Erklärung für die Startelf gegen Bochum anführte, lasse ich gelten. Aber das Niveau, auf dem sich die beiden hier konkurrieren, ist auch nicht allzu hoch, als dass das für mich ein entscheidendes Kriterium wäre. Nein, ich würde den Elan, das Tempo und die Laufstärke eines Ambrosius‘ immer mit auf dem Platz haben wollen.

Die Pressekonferenz des FC Heidenheim:

 

Er strahlt für mich das aus, was früher richtig gute „Vorstopper“ machten. Auch die konzentrierten sich zu allergrößten Teilen auf das Verteidigen und bügelten immer wieder aus, was vor ihnen an Zweikämpfen verloren wurde. Und gerade in dieser Rolle wusste Ambrosius mir zumindest sehr gut zu gefallen. Dass mich das Vertragstheater um ihn herum nervt, hatte ich gestern schon ausführlich beschrieben. Weil ich die Befürchtung habe, dass es gerade einen jungen Spieler wie Ambrosius in einer zweifellos noch nicht gefestigten, aber sehr guten Phase, nachhaltig negativ beeinflussen könnte. Wie der Trainer die Situation um Ambrosius empfindet? „Stephans und meine Situation reduziert sich einzig und alleine auf das Sportliche“, stellte er klar. „Dass er sich nach acht Spieltagen für europäische Top-Klubs empfohlen hat, zeigt doch, dass er gut gearbeitet hat und wir auch. Er ist ein Hamburger Jung und wenn er bei uns bleibt, freuen wir uns alle. Alles andere liegt auf dem Schreibtisch von Michael Mutzel und Jonas Boldt.“

Thioune fordert Reaktion: „Alle sind gierig“

Aber egal wie, das Thema hatten wir gestern. Wichtig für heute ist, dass das Spiel gegen Bochum abgehakt ist. Zumindest beim Trainer. „Wir haben das Spiel genauso kritisch analysiert, wie wir das in den Wochen zuvor auch gemacht haben. Das ist wichtig, dass wir das unabhängig von Sieg und Niederlage machen“, versicherte Thioune. Im Training habe er wieder eine Mannschaft gehabt, „die gierig ist, die bereit ist, das auf dem Platz zu zeigen, was sie in den Wochen vorher schon gezeigt hat“.  Und das muss auch so sein, denn gegen den kommenden Gegner Heidenheim hat der HSV noch etwas gutzumachen. In der vergangenen Saison man beide Partien gegen den FCH. Ein wesentlicher Faktor für das Verpassen des dritten Platzes, den die Heidenheimer belegten. 

Für Trainer Frank Schmidt haben die Siege gegen den HSV aus der vergangenen Saison keine große Bedeutung mehr. „Es hat sich viel verändert“, sagte der Coach, „wenn man sieht, was der HSV für Leute geholt hat, dann treffen schon zwei Welten aufeinander. Aber das heißt nicht, dass wir sie nicht in einem oder zwei Spielen besiegen können. Wir brauchen die Punkte, um nicht hinten reinzurutschen, egal gegen wen.“ Großen Respekt hat Schmidt insbesondere vor HSV-Torjäger Simon Terodde: „Man muss die Zuspiele auf ihn verhindern. Wenn er den Ball mal hat, ist es schon zu spät“, so der 46-Jährige, dessen Mannschaft insbesondere im eigenen Stadion stark ist.

 

Seit über einem Jahr ist der FC Heidenheim im eigenen Stadion ungeschlagen. „Wir fahren nach Heidenheim mit sehr viel Respekt. Wir wissen um die Statistik, wir wissen um die Heimstärke, wir wissen um unsere Stärke und wollen auch dort bestehen“, meinte Thioune, der vor allem über Heidenheims Dauer-Trainer Frank Schmidt sehr anerkennend spricht. Er liefere „seit Jahren ganz, ganz tolle Arbeit ab“, meinte der HSV-Coach über seinen Kollegen. Vor allem musste Schmidt vor der Saison wie so oft einige wichtige Abgänge hinnehmen. Aber auch diese Saison scheinen sie das – wenn auch nach einem holprigen Start – erneut gut kompensieren zu können.

In Heidenheim wird es wieder Härtefälle geben

Es wird auf jeden Fall erneut eine sehr schwierige Aufgabe für den HSV, die für Thioune schon mit der Schwierigkeit beginnt, seinen Kader zu nominieren. Immerhin sind seit heute bis auf Rick van Drongelen wieder alle gesund dabei. Auch Dudziak und Hunt, die gestern noch fehlten bzw. vorzeitig das Training abbrechen mussten. Mit anderen Worten: Thioune wird erneut Härtefälle produzieren müssen. Zuletzt musste beispielsweise Gideon Jung auf die Tribüne. Gut möglich, dass sich das am Sonntag wiederholt.

Wiederholen wird sich am Sonntag auf jeden Fall unsere Live-Couch, auf der wir Euch wie immer gern dabei haben. Wer also Lust hat, sich zusammen mit uns zu ärgern und zu freuen, die/der ist allerherzlichst eingeladen. Ich melde mich allerdings vorher noch einmal mit letzten News zum Spiel bei Euch! Und zwar morgen! Bis dahin, Euch allen alles Gute. Und vor allem: bleibt gesund!

Scholle

 

P.S.: Schreckmoment beim FC Heidenheim! Vor dem Spiel ist Heidenheims Melvin Ramusovic positiv auf das Coronavirus getestet worden. Der 19-Jährige ist in Quarantäne, er spielt bei Trainer Schmidt allerdings bislang sportlich noch keine Rolle. Alle anderen Testergebnisse seien negativ ausgefallen.

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