Marcus Scholz

28. Dezember 2017

Es ist das Herzstück im Mittelfeld. Sagt Trainer Markus Gisdol. Von hieraus wird das Spiel gelenkt. Allerdings ist es beim HSV leider auch eine Art Dauerbaustelle: die Doppelsechs. Seit Jahren sucht der HSV hier nach der richtigen Rezeptur. Auch dieses Jahr wieder. Janjicic, Jung, Ekdal, Sakai, Walace, partiell Holtby, und selbst Aaron Hunt spielte schon auf dieser Position. Allein eine Dauerlösung konnte bis heute nicht gefunden werden. Auch, weil der erfahrenste und in den Augen des Trainers auch qualitativ stärkste Spieler auf dieser Position, Albin Ekdal, alle Nas’ lang verletzt ausfällt: Elf Spiele absolvierte Ekdal bislang in dieser Saison. Den Rest fehlte der Schwede mit anhaltenden Rückenproblemen. Ein haltloser Zustand für einen Spieler, den der Trainer als absoluten Leader im Team sieht. „Wir müssen zusehen, dass wir Albins Probleme in der Winterpause auskurieren und in den Griff bekommen“, hatte Markus Gisdol kurz vor Hinrundenende offen zugegeben, dass der Zustand Besorgnis erregt.

Vor allem aber muss sich der Trainer Sorgen machen, dass er ohne eine entsprechende Klärung auch in der Rückrunde zu oft umbauen muss. Dabei schwebt auch Gisdol ein möglichst eingespieltes Duo auf der Doppelsechs vor. Also Ekdal plus eins...

Im Rennen um diese eine Position spielen Holtby und Hunt keine Rolle mehr. Der Brasilianer Walace spielte hingegen einige gute Spiele. Achtmal durfte er zu Saisonbeginn ran – und es schien, als könne er endlich die Verstärkung werden, die man in ihm gesehen hatte, als man ihn im Januar für stattliche neun Millionen Euro auf den allerletzten Drücker verpflichtete. Allerdings scheint der 22-Jährige bei Gisdol einen schweren Stand zu haben. Einen schwereren als andere. Zumindest handelt der HSV-Trainer – in meiner Wahrnehmung - bei ihm oft schneller und rigoroser als bei anderen. Spielt er nicht gut, wird er sofort ausgewechselt und muss zumeist im kommenden Spiel wieder zusehen, während sich andere auch mal Schwächephasen erlauben dürfen. Und deshalb brachte es Walace seit dem achten Spieltag in neun Spielen auf nur noch 136 Spielminuten. Das sind weniger als 15 Minuten im Schnitt pro Spiel...

Was Walace wirklich drauf hat, vermag ich so bei elf Saisonspielen (zwei Ein-, vier Auswechslungen) noch gar nicht abschließend beurteilen. Aber ich kann behaupten, dass er etliche Zutaten hat, die ein guter Sechser braucht: Technik, Kraft, Zweikampfhärte und -Stärke, ein ordentliches Kopfballspiel und sein Sprinttempo ist auch ausreichend. Dazu kann er einen gepflegten Pass spielen und hat gerade hier in den letzten Monaten erkennbare Fortschritte gemacht. Auch wenn das noch nicht dazu gereicht hat, sich die Stammposition zu ergattern. Im Gegenteil: Inzwischen wird wieder fleißig spekuliert, ob er im Winter wechselt. Ergo: Walace ist noch nicht ausreichend integriert. Angesichts von 12 Monaten beim HSV und einer Ablöse von neun Millionen Euro ein bitteres Zeugnis. Für den Spieler – und den Trainer. Denn Letztgenannter hätte sich bis heute klar werden müssen, ob Walace der ist, den er braucht. Oder eben nicht.

Stattdessen wurde auf der Doppelsechs immer wieder gewechselt:

Walace/Ekdal (1. - 4. Spieltag, 6 Punkte)

Walace/Jung (5.+6. Spieltag, 0 Punkte)

Janjicic/Ekdal (7. Spieltag, 1 Punkt)

Walace/Ekdal (8. Spieltag, 0 Punkte)

Jung/Sakai (9. Spieltag, 0 Punkte)

Ekdal/Sakai (10. – 14. Spieltag, 7 Punkte

Walace/Jung (15. + 16. Spieltag, 1 Punkt)

Jung/Ekdal (17. Spieltag, 0 Punkte).

Soll heißen: 5x Ekdal/Sakai, 5x Walace/Ekdal, 4x Walace/Jung, 1x Janjicic/Ekdal, 1x Jung/Sakai, 1x Jung/Ekdal. Konstanz sieht anders aus.

Wobei von allen HSV-Profis tatsächlich Gideon Jung am konstantesten auftritt. Der 23-Jährige brachte es bislang auf 15 Einsätze, wovon er 14-mal begann. Die zwei verpassten Spiele resultierten dabei noch aus einer Rotsperre, die sich Jung gegen Bayern Münchens Kingsley Coman eingehandelt hatte. Ansonsten kann man festhalten, dass Jung hei Gisdol gesetzt ist. Ob als Innenverteidiger (6x) oder als Sechser (9x), der Mann mit den vielleicht dünnsten Waden im gesamten Team ist inzwischen sowas wie der Mann fürs Grobe. Er soll abräumen, Bälle erobern – und diese an die (nicht vorhandenen) Kreativen übergeben. Und das macht er. Von allen Sechsern (Janjicic mal ausgenommen) hatte er folgerichtig die wenigsten Offensivaktionen, obgleich er gegen Hoffenheim seinen ersten Bundesligatreffer erzielen konnte. Stattdessen ist Jung der im Mittelfeld zweikampfstärkste HSVer. Er foulte zudem am meisten und wurde am meisten gefoult. Auch, weil er von allen Defensivspielern des HSV (inklusive der Abwehr) bislang die meisten Zweikämpfe bestritt (261). „Gideon macht eine tolle Entwicklung“, hatte ihn Gisdol zwischendrin gelobt und dieses Lob wiederholt: „Er ist momentan wahrscheinlich unser konstantester Spieler.“ Ob das für ihn oder gegen den HSV spricht – das mag jeder für sich beurteilen.

Ich für meinen Teil glaube, dass der HSV zusehen muss, die Mittelfeldzentrale defensiv dicht zu bekommen. Dabei kann Gideon Jung sicher helfen. Bei einem Spielsystem, dass mangels kreativer Spieler offensiv fast ausschließlich auf schnelles Umschalten ausgelegt ist, ist das Spielerische hier eher sekundär, so hässlich das am Ende auch aussehen mag. Wenn es funktioniert, ist es mir nur Recht. Vor allem aber muss sich Gisdol zeitnah festlegen, wem er hier das Vertrauen schenken will. Denn wie in jeder anderen Mannschaft braucht auch der HSV Konstanz. Insbesondere die Mittelachse (Torwart – Innenverteidiger – zentrales Mittelfeld – Stürmer) muss eingespielt sein, um zuverlässig zu funktionieren. Und DAS ist beim HSV allemal nicht gegeben. Ganz im Gegenteil.

Wobei, bevor ich die Rückbetrachtung der Doppelsechs beende, noch ein Wort zum Kapitän. Der agierte bislang in seinen 13 Einsätzen einmal als Rechtsverteidiger sowie je sechsmal als Linksverteidiger und Sechser. Und das unterdurchschnittlich. Sakai durchläuft ein tiefes Tal, wie er selbst zugab. Gerade einmal 48 Prozent seiner Zweikämpfe gewann er in dieser Saison – ein Katastrophenwert für einen Defensivspieler, der im Moment als Roundup genutzt wird. Da, wo Bedarf ist, darf er ran. Sakai ist überall zuhause – und nirgendwo. Der Kapitän, dessen Vertrag man ungeachtet seiner aktuellen Form verlängern will, ist genau das, was der HSV zu viel hat: Er funktioniert auf vielen Positionen ein bisschen, aber eben nirgendwo richtig gut.

Kurzum: Die (Doppel-)Sechs ist und bleibt beim HSV eine Dauerbaustelle. Seit Nigel de Jong hat niemand bzw. hat kein Duo diese Position über einen längeren Zeitraum auch nur annähernd gut ausgefüllt. Also schon seit Anfang 2009 nicht mehr - und leider auch diese Saison nicht, in der Gisdol aus fünf Kandidaten (Holtby lasse ich hier raus) ausgerechnet auf einen Spieler vermehrt setzen will, der viel zu oft verletzt ist. Deshalb gilt es für ihn, im Winter eine Entscheidung zu fällen: Mit oder ohne Ekdal. Sollte Ekdal nicht die klare Prognose haben, seine Rückenbeschwerden auskuriert zu haben, sollte Gisdol zusehen, sich auf andere Sechser festzulegen und diese so lange zu stützen, bis sie funktionieren. Denn dieses On/off im Herzstück des Mittefeldes ist das, was am allerwenigsten funktioniert...

 

In diesem Sinne, bis morgen!

Scholle

 

P.S.: Die Testspiele für das am Montag beginnende Trainingslager im spanischen Jerez stehen fest. Zuerst geht es am 4. Januar gegen den Tabellenvorletzten der Primera Division, den FC Malaga, ehe am 7. Januar der SC Freiburg zum Test bittet.

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