Lars Pegelow

4. März 2018

 

Das Positive vorweg: Der HSV hat jetzt Planungssicherheit. Es ist verständlich, wenn Trainer Bernd Hollerbach sagt, es liege in seiner DNA, nicht aufzugeben. Auch die Geschichte von den neun Endspielen ist okay, was soll er auch sagen. Die Konstellation ist allerdings dermaßen ernüchternd und das notorische Problem des HSV, das Tor nicht zu treffen, so gravierend, dass alles andere als der Abstieg nicht ernsthaft einzukalkulieren ist. Ein mittelgroßes Wunder braucht es für Sportchef Jens Todt – und das ist sicher die Untertreibung des Jahres.

 

Der HSV hat alles aufgebraucht, was er in den vergangenen Jahren an Fußballgöttern bemüht hat. Heute reicht schon ein 20 Jahre junger Mainzer Torwart bei seinem Bundesliga-Debüt, um sämtliche Hoffnungen zu pulverisieren – Hoffnungen, die ohnehin nur noch ganz schwach waren. Umso bemerkenswerter der Auftritt von Bernd Hollerbach heute Mittag. Gestern war der Trainer sehr geknickt, unmittelbar nach seinem sechsten Spiel als HSV-Coach. Dem sechsten Spiel ohne Sieg. Heute tat Hollerbach alles, um die „Resthoffnung“ – das ist das Wort des Tages – aufrecht zu halten. Er glaube an diese Resthoffnung. „Aufgeben ist keine Option. Die Mannschaft hat gegen Mainz ein Klasse-Spiel abgeliefert. Ich habe eine sehr gute Leistung gesehen.“ Bis zum Torabschluss jedenfalls.

 

Spezielles Lob verteilte Hollerbach auch noch. Es ging an Filip Kostic für sein gutes Spiel. Beim Elfmeter habe er Verantwortung übernommen. Dass ein müder Fehlschuss herauskam, wollte Hollerbach seinem Schützling nicht anlasten. „Ich habe mit ihm aber darüber gesprochen“, verriet der Trainer. Lob gab es auch für drei weitere Offensivleute: Sven Schipplock, Bakery Jatta und den eingewechselten Luca Waldschmidt, der den Elfmeter herausgeholt hat. „Über Lucas Auftritt habe ich mich gefreut“, sagte der Trainer. Waldschmidt ist einer derjenigen, der für den HSV in der kommenden Saison stehen könnte. Es hat ja jetzt sowieso die Planung für die 2. Liga begonnen – alles andere wäre Augenwischerei. Und diese Planungen müssen Aufsichtsrat, Vorstand und sportliche Leitung in vielerlei Richtung vorantreiben.

 

Das Heft liegt zunächst beim Aufsichtsrat. Die Kontrolleure mit Michael Krall an der Spitze haben sich bislang noch nicht zu ihren Überlegungen geäußert, wie sie den Vorstand besetzen wollen. Kritik an Heribert Bruchhagen ist bereits durchgeklungen, doch der Vorstands-Boss hat heute seinen Kampfeswillen demonstriert: „Wenn es das beste ist für den HSV, dass ich gehe, dann soll es der Aufsichtsrat mir mitteilen. Aber ich bin selbstbewusst zu sagen, dass ich dem HSV mit meiner Erfahrung durchaus auch in der 2. Liga helfen kann“, so Bruchhagen. Er befinde sich im regelmäßigen Austausch mit Michael Krall und tat pauschal alle Presseberichte der vergangenen Tage über die künftige personelle Ausrichtung des HSV als Spekulation beiseite.

 

In der Verantwortung des Vorstands liegt aktuell die Personalie Jens Todt. Dass der Sportchef sich heute zu einer Spielerbeobachtung auf den Weg gemacht hat, legt nicht den Schluss nahe, als ob Bruchhagen und Finanz-Vorstand Frank Wettstein sich zügig von Todt trennen wollten. So gesehen wäre erneut der Aufsichtsrat am Zug, beispielsweise mit der Inthronisierung eines neuen Sport-Vorstands. „Wenn es für den HSV gut ist, dann bin ich dafür, dass der sportlich Verantwortliche in den Vorstand geht“, so Bruchhagen lapidar. Bisher haben wir in dieser Personalie von Alternativ-Kandidaten (Heldt, Schmadtke) aber nur gehört, dass sie noch nicht in Kontakt zum HSV stehen.

 

Trainer Bernd Hollerbach erhielt sogar echte Rückendeckung von Bruchhagen. Es liege am Allerwenigsten an diesem Trainer, dass der HSV in einer solch schlechten Lage ist. „Uns fehlt ganz einfach die angestrebte Punktzahl. Aber ich finde, dass Bernd Hollerbach gestern beim Spiel gegen Mainz zum Beispiel sehr mutig aufgestellt hat“, so Bruchhagen. Vielmehr sei er selbst, Bruchhagen, für die sportliche Fehlplanung der laufenden Saison verantwortlich zu machen.

 

Am 15. März müssen die Lizenz-Unterlagen bei der DFL sein. Bekommt der HSV die Lizenz für die 2. Liga? „Da sehe ich keine Probleme, da sieht unser Finanz-Vorstand Frank Wettstein keine Probleme“, wiederholte Bruchhagen. „Allerdings ist klar, dass wir für die Lizenz Transfererlöse erwirtschaften müssen. Das wird uns die DFL vermutlich bis 15. Mai mitteilen.“ Mit anderen Worten. Der HSV muss versuchen, alles zu Geld zu machen, was geht. Arp, Kostic, Douglas Santos, Walace, Lasogga, Halilovic, Wood, Papadopoulos – diese Namen stehen sicher ganz oben auf der Liste, und es wird die Aufgabe des kommenden Sommers sein, sie für viel Geld abzugeben, um den Einnahme-Rückgang zu kompensieren und vielleicht im zweiten Schritt mit ein paar Euro einige gute Zweitliga-Spieler an die Elbe zu locken. Denn nur mit eigenen Nachwuchs-Kräften wird die Operation Wiederaufstieg auch nicht bewerkstelligt werden können.

 

Für die Lizenz dürfte die Zusicherung des HSV, Spieler im Laufe des Sommers abgeben zu wollen, aber wohl nicht ausreichen. Nicht auszuschließen, dass eine Bürgschaft – zum Beispiel von Klaus-Michael Kühne – nötig sein wird, um einige Wochen zu überbrücken. Auch an dieser Front wird im Hintergrund mit Hochdruck gearbeitet.

 

In jedem Fall ist die ganze Operation 2. Liga ein dickes Brett für den langsam aussterbenden Dino. Der Etat geht runter von 120 Millionen auf 90 Millionen Euro. Allein durch die TV-Einnahmen verliert der HSV mutmaßlich 13 Millionen (von 34 auf 21). Was geschieht mit den mehr als 200 Mitarbeitern auf der HSV-Geschäftsstelle? Die meisten von ihnen haben eine feste Anstellung. Im Bereich der Business-Seats und der Logen hat der HSV gerade einen hohen Kündigungsstand – das ist nur zu verständlich.

 

Aber all diese Probleme kommen jetzt nicht überraschend, insofern ist die Eingangsbemerkung mit der Planungssicherheit keineswegs zynisch. Im Volkspark weiß man jetzt, was Sache ist. Wenn man es auf die Spitze treibt, dann beginnt heute – am Tag nach diesem frustrierenden 0:0 gegen den so schwachen FSV Mainz 05 – die Mission Wiederaufstieg 2019. Nichts anderes kann das Ziel sein!

 

Für viele HSV-Fans werden noch schwere Stunden kommen. Wenn endgültig und auch rechnerisch feststeht, dass es in die 2. Liga geht. Wenn die Uhr abgestellt wird. Wenn Tränen fließen. „Es gehört zum Sport dazu, sich auch solchen Situationen zu stellen“, sagte Heribert Bruchhagen. „Ich möchte an alle appellieren, nicht zu sehr ins Selbstzerstörerische zu gehen. Wenn es so kommen sollte, dann müssen wir uns auch die Aufstiegschance bewahren.“

 

Auch am nächsten Sonnabend beim Auswärtsspiel in München, muss der HSV ohne den Schweden Albin Ekdal auskommen. Weil dessen Beschwerden nicht aufhören, hat ihn Bernd Hollerbach ins Reha-Zentrum des UKE geschickt, bis er beschwerdefrei ins Mannschaftstraining einsteigen kann. Nicolai Müller hat bereits wieder mit dem Ball trainiert. Morgen ist trainingsfrei. Dienstag steigen zwei Einheiten.

 

Neun Spiele hat der HSV nur noch in der Bundesliga. Irgendwie ist das scheiße.

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