Marcus Scholz

27. Oktober 2017

Viel Rückhalt hat Bobby Wood aktuell bei den eigenen Fans offenbar nicht mehr. Als der US-Amerikaner heute das Abschlusstraining vorzeitig abbrechen musste und mit Knieproblemen in die Kabine stapfte, regierte weniger der Schock bei den wenigen Anwesenden, denn Gleichgültigkeit. Mehr noch, das „Wood fällt wohl für Berlin aus“ wurde im Netz sogar gekontert mit: „Tut er das nicht schon seit Wochen?“ und „Endlich die Chance für Arp, Knöll und Co.“ Deswegen bin ich mir gerade nicht so sicher, was diese oben beschriebenen Fans davon halten werden, wenn ich Ihnen jetzt hier mitteile, dass Wood dennoch mit nach Berlin gereist ist, weil Gisdol selbst die letzte Kleine Chance auf seinen Einsatz nutzen möchte. Aber ich für meinen Teil würde es begrüßen, wenn Wood spielen kann – und er endlich seine Stärken ausspielt. Soll heißen: Wood ist von den physischen Voraussetzungen her wahrscheinlich der beste Angreifer für ein auf Konter ausgelegtes Spiel bei Hertha BSC Berlin. Und für den Fall, dass es nicht funktioniert, hätte der HSV dann immer noch die Möglichkeit, Jann Fiete Arp zu bringen oder auch Andre Hahn in die Spitze zu setzen. Übrigens: Keine Option für ganz vorn ist Sven Schipplock, der es nicht einmal in den 19 Spieler umfassenden Kader schaffte. Konsequent, Herr Gisdol! Und sollte Wood doch spielen können, dürfte  Luca Waldschmidt wieder gestrichen werden.

 

 

Und wenn wir schon die Offensive thematisieren, bleiben wir och auch gleich bei dem Thema, das sowohl Gisdol als auch Herthas Trainer Pal Dardai schlaflose Nächte bereitet. Denn während der HSV nur in einem der letzten sieben Bundesliga-Spiele (beim 2:3 in Mainz) traf, traf die Hertha fünfmal in den letzten 7 Pflichtspielen und blieb in 3 dieser 6 Spiele ohne Torerfolg. Die letzten 4 dieser 4 Tore erzielten die Berliner nach einem Freistoß (gegen Bayern), nach einer Ecke (bei Lugansk und gegen Köln) und per Strafstoß (in Freiburg). Aus dem Spiel heraus geht auch hier nichts. Zudem haben der HSV und Hertha auch bei ihren so genannten Top-Angreifern Parallelen vorzuweisen: Bobby Wood hatte zuletzt gegen die Bayern einen extrem schweren Stand, war an keinem Torschuss direkt beteiligt und wartet aktuell seit 6 Bundesliga-Spielen auf ein Tor. Herthas Vedad Ibisevic ist sogar noch ohne Saisontor und wartet saisonübergreifend schon seit 11 Bundesliga-Spielen auf einen Treffer – so lange wie nie zuvor im Hertha-Trikot.

Nein, das Duell der Großstadtklubs ist aktuell kein Spitzenspiel, das ist unschwer zu erkennen. Ebenso, dass die sportliche Situation von Hertha und dem HSV kein Zufall ist, sondern das Resultat vorherrschender Chancenarmut. Beide Trainer träumen davon, nach Balleroberung schnell vor das gegnerische Tor zu kommen; das hat bei der Hertha aber noch gar nicht geklappt (3 Kontertorschüsse, kein Kontertor 2017/18), beim HSV nur ein wenig besser (elf Kontertorschüsse, ein Kontertor). Beide Teams agieren in der Vorwärtsbewegung eher schwerfällig und kompliziert, schaffen fast nie Überzahlsituationen in Tornähe, aussichtslose „Zwei-gegen-Fünf-Situationen“ sind eher die Regel und so ergeben sich Chancen eher im Stunden- als im Minutentakt. Ein paar Schreckensdaten:

 

  • Hertha hat die wenigsten Torschüsse (70), der HSV mit 93 die drittwenigsten.
  • Hertha hat die wenigsten Torschüsse aus dem Strafraum (43), der HSV am zweitwenigsten (45)

Und obwohl mehr als 7500 HSV-Fans mit nach Berlin reisen und es vor Ort im Stadion noch deutlich mehr HSV-Anhänger sein werden, war nur eines der letzten 18 Duelle zwischen den beiden Vereinen ausverkauft (2009 in Hamburg). In Berlin war dieses Duell zuletzt 2006 ausverkauft. Beim letzten Aufeinandertreffen im März 2017 in Hamburg sorgten die nur 44.445 Zuschauer im Stadion für den geringsten Besuch bei einem Bundesliga-Heimspiel des HSV in den letzten 12 Jahren!

Passend dazu auch der geringe Besuch der Hertha PK, die ich Euch hier einstellen möchte:

 

 

Dennoch kann es diesmal ein sehr spannendes Spiel werden, denn eine der beiden Negativserien könnte – abgesehen von einem Remis – beendet werden. Nein, es muss sogar. Und der HSV-Mannschaft ist das sehr wohl bewusst. Unter der Woche gab es einen lustigen Mannschaftsabend, auf welchem die Neuen mit Singen ihr Aufnahmeritual absolvierten. Und dabei schwor sich die Mannschaft, die seit Saisonbeginn sehr realistisch wirkt und sich bewusst ist, fehlende Qualität mit Zusammenhalt ausgleichen zu müssen, noch mal auf das Auswärtsspiel ein. Auch, weil der Trainer in der Mannschaft mehrheitlich noch immer wohl gelitten ist und die Spieler wissen, was mit weiteren Niederlagen droht.

Mit nur einem Punkt aus den letzten sieben Spielen sind Gisdols Mannen das schwächste Team in diesem Zeitraum. Und so sehr Gisdol jetzt noch von Vorstandsseite der Rücken gestärkt wird, so schnell kann das mit vorbei sein, wie ein Blick in die jüngere Historie zeigt: Die letzten HSV-Trainer, die 8 sieglose Bundesliga-Spiele allein zu verantworten hatten waren übrigens Mirko Slomka (2014) und Bert van Marwijk (2013/14). Und: Sowohl Slomka als auch van Marwijk mussten jeweils nach dem 8. sieglosen Spiel in Serie ihren Stuhl räumen...

Ob Gisdol in Berlin erneut mit einer Fünferabwehrkette agieren lässt, war im Training nicht zu entschlüsseln. Aber ich gehe stark davon aus. Aktuell rechne ich mit folgender Aufstellung: Mathenia – Diekmeier, Mavraj, Papadopoulos, van Drongelen, Santos – Ekdal, Sakai – Hahn, Wood, Kostic. Sollte Wood ausfallen, glaube ich, dass Hahn ins Zentrum gezogen und Hunt oder Ito beginnt. Arp wird auf der Bank Platz nehmen und falls nötig in der Schlussphase kommen (können). Und ich freue mich darauf. Also nicht allein auf Arps Einwechslung – sondern auch auf das Spiel. Denn der HSV hat personell endlich auch mal die Möglichkeit, das Spiel von der Bank aus noch mal nachhaltig zu verändern, es zu verbessern. Zuletzt war es zumeist eher so, dass man im Ausschlussverfahren den Einwechselspieler ausgewählt zu haben schien...

In diesem Sinne, bis morgen! Ich melde mich danach wieder bei Euch. Und das dann hoffentlich mit drei Punkten im Gepäck. Denn die sind absolut drin.

 

Scholle

 

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