Marcus Scholz

17. April 2018

Mainz gegen Freiburg – für mich ein neuer Tiefpunkt für den Videobeweis. „Das ist Fußball“, sagte Schiedsrichter Guido Winkmann direkt auf den Elferpfiff nach Halbzeitpfiff angesprochen. Und ich möchte ihm, ohne ihn für diese Regel verantwortlich zu machen, widersprechen. Denn DAS ist zumindest nicht mehr mein Fußball. Ich war von Beginn an gegen den Videobeweis auf ganzer Länger und fühle mich nicht erst seit diesem Kuriosum aus dem Spiel des FSV Mainz gegen den SC Freiburg darin bestätigt. Selbst Lutz Michael Fröhlich, der Videobeweis Projektleiter, sagte bei Eurosport. „Das sind Szenen, die will am Ende keiner richtig haben. Das nützt am Ende nicht viel, wenn man darüber redet, dass die Entscheidung korrekt ist. Das war keine Werbung, was den Ablauf betrifft.“

Und nur um das auch ganz klar zu sagen: Der HSV wird dieses Jahr nicht schlechter als verdient dastehen, weil es den Videobeweis gibt. Der ist nicht die Ursache, ganz klar. Der hat alle getroffen. Köln gefühlt sogar noch häufiger als den HSV. Aber so? Bitte nicht. Plötzlich werden gelbrote Karten Tage später zurückgenommen, Elfer nachträglich gegeben, obwohl die Mannschaften schon in der Kabine sind. Und diskutiert wird auf Ebene der Paragrafenreiter. Wie auch in diesem Fall, wo Schiri Winkmann die Info aus dem Studio in Köln erst nach Verlassen des Spielfeldes bekommen hatte. Schließlich lautet die DFB-Regel 5 „Schiedsrichter“: „Wenn (...) der Schiedsrichter die erste Halbzeit (...) beendet und das Spielfeld verlassen hat, darf er eine Entscheidung nicht ändern (...).“

Wenn ich das Video richtig deute, dann hat Winkmann die Auslinie bereits überschritten, als er (Minute 0:51 im Video) den Hinweis auf seinen Hörer bekam. Oder was meint Ihr?

Und das hat Winkmann, der die Momente nach seinem Halbzeitpfiff so schilderte, getan, wenn ich die Szene bei 0:51 Minuten im beigefügten Video richtig deute: „Aus Köln kam dann der Hinweis, dass ich die Szene in jedem Fall selbst überprüfen muss, weil ein strafbares Handspiel vorgelegen habe. Weil ich schon abgepfiffen hatte, habe ich kurz den Hinweis gegeben, dass die Spieler bitte warten müssen. Ich bin dann zur Kontrolle rausgelaufen und habe mir die Szene nochmal angeschaut.“

Es kommt zum Elfmeter nach Halbzeitpfiff, der nur eine Spielunterbrechung darstellt. Damit sei alles regelkonform. Nebenbei noch erwähnt, um der ganzen Sinnfreiheit noch die Krone aufzusetzen: Ein Nachschuss wäre bei diesem Elfer im Gegensatz zu allen anderen nicht mehr erlaubt gewesen...

Ich muss zugeben, selbst Winkmann tut mir Leid. Denn dem war die ganze Sache hörbar unangenehm: „Wenn ich der betroffene Verein bin, wäre ich natürlich auch nicht davon begeistert. Aber es gibt in der heutigen Zeit eben den Videoschiedsrichter, der auch diesmal wieder zu Gerechtigkeit geführt hat, weil ich im Spiel keine Chance hatte, dieses Handspiel zu erkennen.“

Schade, dass man sich nicht auf den Torlinienbeweis beschränkt hat, sondern anfängt, das Fußballspiel zu fragmentieren. Es wird alles emotionsloser und von der Technik bestimmt. Und wenn wenn jetzt trotz der tausend Einstellungen, Zeitlupen und der Hightech Fehler passieren (und davon gibt es noch genug), hat das für mich ein ganz anderes Geschmäckle als vorher bei einem Menschen auf dem Platz, dem ich – wenn auch nicht im ersten Moment, dann aber doch auf Sicht – jeden Fehler verziehen hätte...

So viel zu gestern, kommen wir zum Heute. Denn da hat sich Vorstandsboss Frank Wettstein proaktiv zur Situation geäußert. Man sei handlungsfähig, wisse um die sportliche Situation und sei vorbereitet für den Fall des Abstiegs, so der Interims-Vorsitzende heute, der parallel dazu noch einmal die Arbeit von Trainer Christian Titz lobte. Mehr noch, er appellierte schon fast an alle Verantwortlichen: „Unser Trainer macht seine Sache richtig gut. Die Fans empfinden den neu eingeschlagenen Weg mit ihm und mit vielen jungen Kräften als richtig und können sich damit identifizieren, das hat auch die Reaktion der Anhänger nach der 0:2-Niederlage in Hoffenheim gezeigt. Wir werden weiterhin diesen neuen Weg beschreiten müssen, unabhängig von der Ligazugehörigkeit, wenn wir unseren HSV wieder erstarken lassen wollen.“

Nun ist bekannt, dass Wettstein ebenso wie der Direktor Sport Bernhard Peters von Titz überzeigt sind, sich aber intern noch nicht damit durchsetzen konnten. Der neue Aufsichtsratsboss Bernd Hoffmann, der aktuell dabei ist einen neuen Vorstand Sport zu suchen, ist dagegen noch nicht gänzlich überzeugt und möchte mit der Wahl des neuen Trainers noch warten. Zumal noch nicht hat klar ist, wer hier als Sportchef letztlich für die Kaderzusammenstellung sowie die sportliche Ausrichtung verantwortlich sein wird. Leverkusens Manager Jonas Boldt ist der Wunschkandidat von Hoffmann, wird aber in Leverkusen derzeit hofiert wie nie zuvor, um ihn zu halten. Zudem gibt es anhaltend Kontakt zu Holstein Kiels Geschäftsführer Sport, Ralf Becker, der allerdings seinerseits mit den Störchen vor dem Aufstieg in die Erste Liga steht.

Dennoch sollte es doch möglich sein, den Neuen vom HSV zu überzeugen, oder? Immerhin ist der HSV ein großer Verein mit riesigem Fanpotenzial, einem großen Stadion (in das die Kieler umziehen wollen) und potenten Gönnern im Umfeld. Im besten Fall kann man hier mit dem richtigen Scouting, den richtigen Zugängen und den Multimillionen von Milliardär Klaus Michael Kühne, der ja schließlich auch nichts mehr will als Erfolg, auch wieder große Erfolge schaffen. Oder? Ich behaupte:, aktuell entfernt sich der HSV von dieser Möglichkeit von Woche zu Woche. Denn die Rechnung, dass man auch im Mai, Juni und später noch seine Spieler verpflichten kann, ist gefährlich, da die anderen ambitionierten Zweitligisten werden zugeschlagen haben.

Ablösefreie oder zumindest günstige Topspieler werden nicht mehr auf dem Markt sein. Und wenn man bis dahin nicht wieder Aber-Millionen von Klaus Michael Kühne zur Verfügung gestellt bekommt, dürfte es schwer sein. Zumal erst noch geklärt werden muss, dass sowohl der Chefscout Johannes Spors als auch der neue Vorstand Sport sowie der Trainer einen gemeinsamen Weg finden und gehen. Wobei Spors und Titz bislang gut zusammenarbeiten, wie Wettstein heute noch mal betonte. Und auch Becker dürfte nichts gegen Titz als Trainer haben. Im Gegenteil: Dem Vernehmen nach hätte Kiel gern Titz für die kommende Saison, da ihr aktueller Trainer gen 1. FC Köln abwandert.

Apropos Trainer: Der hatte heute zwei Einheiten angesetzt und schien mit der ersten Einheit so gar nicht zufrieden zu sein. Immer wieder unterbrach er die Einheit, bei der insbesondere das Pressingspiel geübt wurde. „Wie oft denn noch, Matti?“, entfuhr es ihm als beispielsweise Matti Steinmann wiederholt den falschen Laufweg machte. Aber Steinmann war längst nicht der einzige, der wiederholt von Titz erklärt bekam, was er falsch macht. Immer im Mittelpunkt der Übungen: Chancen herausspielen, Tore erzielen. Immer wieder mussten die Offensivleute auf die Viererkette los und den Torabschluss suchen.

Mit dabei: Nicolai Müller, der allerdings noch ein ganzes Stück davon entfernt ist, wieder am Spielbetrieb teilzunehmen. Dass Bernd Hollerbach vor einigen Wochen davon sprach, schon sehr zeitnah auf Müller setzen zu wollen/können – abstrus. Müller vermeidet ganz offensichtlich weiterhin starke Belastungen des operierten rechten Knies. „Es gibt keinen festen Plan. Bei ihm schauen wir von Tag zu Tag und von Woche zu Woche“, so Titz, der heute Vormittag auf Vasilije Janjicic (Grippe) und Gotoku Sakai (Sprunggelenk) sowie am Nachmittag auf Albin Ekdal (Erkältung) und Sejad Salihovic (Kopfschmerzen) verzichten musste.

 

In diesem Sinne, bis morgen. Da wird um 11 Uhr trainiert. Zum letzten Mal in dieser Woche öffentlich.

 

Bis dahin!

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