Tobias Escher

18. Februar 2019

35 Fouls, 29 Torschüsse, vier Tore: Ganz schön was los in Heidenheim! Rautenperle-Taktikanalyst Tobias Escher blickt auf die Partie und erklärt, wieso sich der HSV von der Hektik der Gastgeber anstecken ließ.

Not macht erfinderisch. Diese Weisheit musste HSV-Trainer Hannes Wolf vor der Partie in Heidenheim beherzigen. Seine Stamm-Außenverteidigung aus Gotoku Sakai (gesperrt) und Douglas Santos (verletzt) fiel aus. Ersatz-Mann Josha Vagnoman zog sich beim Aufwärmen eine Blessur zu. Wolf musste improvisieren und seine Taktik umstellen.

Keine einrückenden Außenverteidiger

Khaled Narey rückte auf die Linksverteidiger-Position. Diese kennt er bereits aus Fürther Zeiten, in Hamburg kam er hier eher selten zum Einsatz. Durch seine Aufstellung änderte sich die Statik des Hamburger Spiels. Narey ist ein schneller, geradliniger Spielertyp, der gerne mit Geschwindigkeit den Flügel entlang saust. Ein Spielmacher, der ins Zentrum einrückt, ist er nicht.

Der HSV agierte damit erstmals seit längerer Zeit ohne einrückende Außenverteidiger. Das hatte große Auswirkungen auf die Positionierung des Mittelfelds: Lewis Holtby musste auf der halblinken Seite tiefer agieren und den Sechser-Raum neben Orel Mangala sichern. Rechtsaußen Hwang Hee-Chan wiederum rückte häufig ins Zentrum ein, um den halbrechten Raum zu füllen.

Der HSV agierte demnach in einer Mischung aus 4-3-3 und einer Raute im 4-3-1-2. Dies hing vornehmlich von der Positionierung von Berkay Özcan ab. Mal agierte er als Zehner, mal als zweite Spitze neben Pierre-Michel Lasogga. Der HSV zeigte sich in der Formationsfindung in der ersten Halbzeit recht flexibel.

Taktische Aufstellung FCH-HSV

 

Heidenheim: Intensität statt Kompaktheit

Auch Gegner Heidenheim ließ sich nicht auf eine feste Formation festlegen. Gerade im Spiel gegen den Ball wechselten einzelne Spieler häufig die Positionen, um Druck herzustellen auf den nahen Gegenspieler. So rückte Marc Schnatterer häufig als zweiter Stürmer neben Robert Glatzel. Linksaußen Robert Andrich rückte wiederum ins Zentrum ein. Heidenheim pendelte zwischen einer Raute und einem 4-1-4-1.

So verworren und verwirrend diese Formationswechsel beider Teams auf dem Papier klingen, so chaotisch war auch das Resultat auf dem Platz. Heidenheim versuchte immer wieder, weit in der Hamburger Hälfte den Zugriff herzustellen. Die Hamburger wiederum waren im Spielaufbau selten gut gestaffelt, sodass die Anspielstationen fehlten. Zweikampf um Zweikampf folgte, beide Teams verloren in der ersten Halbzeit häufig den Ball.

Hamburgs Spiel verbesserte sich erst nach dem Heidenheimer Treffer zum 0:1 (16.). Die Hamburger versuchten nicht mehr krampfhaft, das eigene Mittelfeld mit Pässen ins Spiel zu bringen; hier fehlten mangels einrückender Außenverteidiger schlicht die Anspielstationen. Stattdessen ging der HSV dazu über, das Heidenheimer Pressing mit langen Bällen zu überspielen. Hier half die einrückende Positionierung von Hwang, zweite Bälle zu gewinnen. Nach solch einem Angriff kam der HSV zum Ausgleich (31.).

Festere Formationen, gleichbleibendes Chaos

In der Halbzeit-Pause veränderten beide Trainer leicht ihre Formationen. Beide Teams agierten fortan aus einer 4-4-1-1-Formation. Wolf brachte dazu Vasilije Janjicic, der fortan als zweiter Sechser neben Mangala agierte. Auf Heidenheimer Seite wiederum hielt sich Schnatterer zunächst stärker auf dem Flügel auf, später übernahm der eingewechselte Denis Thomalla (62.) die Flügel-Position.

Trotz klarerer Struktur auf beiden Seiten blieb es ein intensives Duell. Dadurch, dass beide Teams nun ähnliche Formationen spielten, ergaben sich viele Eins-gegen-Eins-Duelle auf dem Feld. Heidenheim hielt den Druck hoch und ging aggressiv in die Zweikämpfe. Im Verlaufe der Partie begingen sie 19 Fouls, der HSV hielt mit 16 Fouls dagegen. 35 Fouls in einer Partie – das zeugt von einem intensiven Kampf.

Spielerisch hatte der HSV weiterhin Mühe, sich am Pressing des Gegners vorbeizuspielen. Özcan, nun nominell Linksaußen, rückte häufig ein und versuchte, das Spiel aus dem Halbraum anzukurbeln. Er suchte die Kombinationen mit Holtby, zusammen versuchten sie Narey auf dem Flügel einzusetzen. Das waren noch die erfolgversprechendsten Angriffe der Hamburger.

Viele Wechsel

Im Verlaufe der zweiten Halbzeit wechselte Wolf sein Personal durch. Jann-Fiete Arp kam für Gideon Jung und besetzte den rechten Flügel, Leo Lacroix rückte kurze Zeit später in die Innenverteidigung. Es blieb dennoch bei der 4-2-3-1-Variante, da Rick van Drongelen die Linksveteidiger-Position übernahm und Narey nach rechts rückte. All die Wechsel änderten aber wenig an der Statik der Partie; der HSV hatte große Probleme mit dem intensiven Spiel der Heidenheimer. Das 2:2 war am Ende leistungsgerecht.

Dass sich der HSV mit einem derart intensiv auftretenden Gegner schwertut, ist keine gute Nachricht im Hinblick auf die kommende Partie. Der HSV reist nach Regensburg, also zu jenem Team, gegen das sie in der Hinrunde 0:5 verloren. Jahn agiert noch immer so, wie sie das in der Hinrunde taten: intensives Pressing aus einem 4-4-2-System, dazu schnelle Konter und hohe Hereingaben von den Flügeln.

Es dürfte wieder einmal ein umkämpftes Spiel werden für den Hamburger SV. Viel wird davon abhängen, ob der HSV das Mittelfeld besser in den Griff bekommt. Bleibt zu hoffen, dass Wolf auf der Außenverteidiger-Position nicht erneut improvisieren muss. Die einrückenden Außenverteidiger sind schließlich die größte taktische Errungenschaft der Ära Wolf.

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UPDATE: Josha Vagnoman hat sich eine Teilruptur des Innenbandes zugezogen. Das ergaben die Röntgenuntersuchungen heute. Der Youngster wird damit knapp vier Wochen ausfallen.

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