Marcus Scholz

22. Mai 2019

 
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Die Trainersuche ist DAS Thema derzeit. Logisch. Am Montag saßen der Vorstand und der Aufsichtsrat zusammen, um über die potenziellen Kandidaten zu diskutieren. Und wenn man dem Hörensagen glauben darf, scheint die Tendenz klar zu sein: Die Erfahrung schlägt Jugend. Damit rücken Dieter Hecking (54) und Bruno Labbadia (53) wieder in die Rolle der Favoriten. Auch Peter Stöger (53) wird in diesem Zusammenhang inzwischen genannt. Und wie Ihr unschwer habt herauslesen können, pushen die Kollegen der BILD Dieter Hecking. Zu dem ehemaligen Gladbach-Coach  pflegen die Kollegen ein sehr vertrauensvolles Verhältnis - Vorteile in der Berichterstattung inklusive.  Es wäre nach dem Winter, wo in einem Hinterzimmer eines bekannten italienischen Restaurants Bernd Hollerbach reingedrückt wurde, schon der zweite Trainer auf Wunsch des Boulevards. So abschreckend das Beispiel Hollerbach auch sein sollte…

Und nur um das klarzustellen: Ich will hier keinesfalls Hecking in seinen nachgewiesenen Fähigkeiten zu nahe treten. Im Gegenteil. Und wie die Kollegen berichten, soll man sich mit Hecking schon in unterschiedlichen Zusammensetzungen getroffen habe. Dabei sei es allerdings noch nicht um inhaltliche Fragen wie die Kaderzusammenstellung gegangen, woran ein Engagement schon scheitern könnte, wenn die Forderungen Heckings (und Labbadias) zu hoch sein könnten. Wobei Labbadia, so berichtet es die SportBild heute, schon abgesagt haben soll.

In diesem Fall würden André Breitenreiter (45) und der inzwischen auch von Hannover 96 umworbene Markus Anfang (44) in der internen Rangliste weiter nach oben rücken. Breitenreiter, der mit Paderborn und Hannover schon zweimal aus der Zweiten Liga in die Erste Bundesliga aufsteigen konnte, hatten die HSV-Bosse schon im Verlauf der Rückrunde kontaktiert, um abzuklopfen, ob er für eine kurzfristige Ablösung Hannes Wolfs bereitstünde. Zudem soll der ehemalige HSV-Angreifer (absolvierte von 1994 - 1998 insgesamt 85 Pflichtspiele für den HSV) bereits signalisiert haben, mit dem geplanten Spieleretat von rund 25 Millionen Euro arbeiten zu können. Egal wie, die Suche nach einem Trainer bleibt spannend.

 

 

Und vielleicht überrascht der HSV am Ende ja auch alle mit einer bislang noch ungenannten Idee. Was mir tatsächlich ebenso recht wäre, da es längst nicht mehr um Namen und Titel geht, die der nächste HSV-Trainer mitbringen muss. Vielmehr geht es darum, dass der Neue mit dem bereits zusammengestellten Kader zurechtkommen und bei der Suche nach der noch fehlenden Mittelachse mit eingebunden werden muss. Seine Spielidee und seine Philosophie müssen sich mit denen des HSV decken. Soll heißen: Bestenfalls hat Ralf Becker ein sportlich langfristig ausgelegtes Konzept erarbeitet und orientiert sowohl die aktuelle Spieler- wie auch die aktuelle Trainersuche ausschließlich daran.

Denn die letzten Jahre haben deutlich gezeigt, was passiert, wenn nominell gute Trainer auf nominell gute Spieler treffen und die Spielidee nicht zum Spielermaterial (hässliches Wort…) passt. Dann werden gute Spieler schwächer, wechseln günstig zu anderen Vereinen, wo sie funktionieren und teurer verkauft werden - und die Trainer werden am Ende wegen Erfolglosigkeit beim HSV gefeuert.

Genau DIESEN Kreislauf gilt es zu durchbrechen.

Ich behaupte auch, Ralf Becker wäre sicher in der Lage, hier etwas Neues aufzubauen. Aber auch der Sportvorstand ist in den letzten Monaten brutal geerdet worden. In der letzten Woche, als es um die Analyse der verkorksten Zweitligasaison ging, stand er plötzlich relativ allein als Hauptverantwortlicher da. Spätestens da hatte Becker für sich erkannt, dass es beim HSV nicht vorrangig um guten Fußball, Loyalität und gute Konzepte geht, sondern um Machtaufbau und den daraus resultierenden Machterhalt. Ein System, das es zuallererst durchbrechen gilt. Denn genau das hat den HSV der letzten 15 Jahre krank werden lassen, bis hin zu den sportlichen Zusammenbrüchen heute. Und Fakt ist: es ist zum Scheitern verurteilt. Früher oder später.

Aber immer. Umso wichtiger wäre es, dass sich der Vorstand nicht mehr von äußeren Einflüssen steuern lässt. Wenn man dem Verein endlich eine neue, eine langfristig funktionierende DNA geben will, ist dieser Weg alternativlos. Probleme hierbei: Die Zeit bekommt niemand. Auch Becker und Hoffmann haben schon jetzt genügend Gegenspieler im näheren und weiteren Umfeld, die aus dem Hintergrund schießen. Die Saison gab ihnen zuletzt ausreichend Argumente, um das Ganze noch einmal zu forcieren. . womit wir wieder zum Thema Schulterschluss mit dem öffentlichkeitswirksamen Boulevard kommen. Er dient als Schutzschild. Zumindest so lange, bis  ein besserer Kooperationspartner kommt oder man selbst nicht mehr zu retten ist. Dann geht es genau so schnell mit dem Fahrstuhl in den Keller, wie man zuvor hochgefahren ist.

Ein echtes Kacksystem.

Auch deshalb traut sich der aktuelle HSV-Vorstand nicht, realistische Ziele auszugeben sondern setzt sich selbst unter Druck, indem man wieder den Aufstieg als einziges Ziel formuliert. Platz fünf sei ja in Hamburg nicht zu vermitteln… Eine Äußerung, die ich bis heute inhaltlich für falsch halte und die dazu führt, dass vor allem die Protagonisten selbst unter Zugzwang kommen. Bewusst. Denn sie müssen schneller Erfolg haben, als es gesund wachsend herzustellen ist. Und was das im Ergebnis bedeutet, wissen wir alle: Man braucht Geld.  Mehr als man hat. „Spiegel online“ berichtet aktuell, dass intern weitere Anteilsverkäufe an Klaus Michael Kühne geprüft werden - was schon lange als offenes Geheimnis gilt.

Ergo: Dieser HSV ist leider noch immer weit davon entfernt, wieder gesund zu werden. Vielmehr werden bislang nur die Symptome kurzzeitig behandelt, nicht die Ursache. Anspruch und Wirklichkeit decken sich weiterhin nicht. Obwohl das Umfeld längst sensibilisiert wurde, kleiner denken zu müssen. Umso wichtiger wäre es meiner Meinung nach, wenn sich Becker traut, sich unabhängig von allen möglicherweise drohenden Folgen auf einen Weg festzulegen, der sehr wohl im Aufstieg müden kann - aber eben nicht muss. Denn was niemand sehen will: Beim HSV ist schon lange der Weg (den man ob seines maßlosen Anspruchdenkens immer wieder verfehlt) das Ziel. Und genau diesen Weg muss der neue Trainer mitgehen wollen. Vor allem muss er diesen Weg auch inhaltlich mitgehen können. Und ja, ich weiß, dass ich mich hier wiederhole. Aber gerade deshalb ist es zwingend nötig mit dem neuen Trainer zusammen den Kader zu planen.

In diesem Sinne, hoffen wir einfach mal, dass Becker hier einen Plan hat und diesem alles unterordnet. Beim HSV ist allein das schon eine sehr mutige Haltung - aber auch die letzte Hoffnung, dass dieser HSV irgendwann noch einmal gesund UND autark dasteht.

Bis morgen,

Scholle

 

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