Marcus Scholz

24. März 2020

Na denn! Das war doch schon ein mal ein Vorgeschmack auf das, was uns erwartet, wenn der Aufsichtsrat keine salomonische Lösung für das bestehende Kommunikation-und Vertrauensproblem im Vorstand des HSV findet. dann melden sich plötzlich von allen Seiten Leute, die Indizien gegen den einen oder eben den anderen finden. Heute war es Klaus Michael Kühne, der sich immer wieder die Freiheit gönnt, einfach geradeaus zu sagen, was er denkt. Ihn interessieren dabei seltenst die Folgen. Dass er gern Jansen im Vorstand sehen würde, hat er jetzt gesagt. Dass Jansen selbst zuvor Amtsgier nachgesagt wurde und Jansen selbst sagte, das Amt gar nicht ausüben zu wollen - es interessiert Kühne nicht. Vielmehr versucht er seine Interessen zu wahren und spricht unverhohlen aus, wie er sich diese umgesetzt wünscht. Mit anderen Worten: Kühne macht kein Geheimnis daraus, den eigenen Vorteil vorne an zu stellen. Was es inhaltlich aber nicht besser macht.

Dennoch behaupte ich, dass aus diesem selbstzerstörerischen Pseudo-„House-of-Cards“-Konstrukt HSV endlich ein „stabiler Laden“ (O-Ton AR-Boss Max Arnold Köttgen) werden muss, bei dem erwachsen angesprochen wird, was bislang immer nur hinter vorgehaltener Hand in den Raum gestellt wird. Schluss mit Hintergedanken! Oder auf Hamburgisch: Butter bei die Fische! Frank Wettstein soll in der Aufsichtsratssitzung recht eindeutig und klar gesagt haben, dass die Vertrauensbasis zum Vorstandsvorsitzenden auf allen Ebenen gestört ist. Jonas Boldt soll das intern zwar ähnlich formulieren, verweigerte es aber, es den Kontrolleuren in der großen Runde so zu sagen und bot stattdessen an, in persönlichen Gesprächen auch seine persönliche Meinung zu erläutern. Das soll jetzt passieren.

Der Ist-Zustand kann niemanden überraschen

Dabei ist es fast schon absurd, sich hier hinzusetzen und überrascht zu tun. Und überrascht ist beim HSV intern auch niemand ernsthaft. Die meisten „Geheimnisse“ waren nie welche und sind spätestens seit letztem Donnerstag öffentlich. Denn der Neuanfang mit Bernd Hoffmann begann schon mit der Hypothek seiner Fehler aus der ersten Amtszeit, die sich in den Augen seiner Kritiker gerade wiederholen. Hoffmann ging derart vorbelastet ins Rennen, dass es kaum vorstellbar schien, auf lange Sicht hier den erfolgreichen Neuanfang schaffen zu können. Inzwischen hat Hoffmann sicher ebenso einige Befürchtungen bestätigt wie er auf der anderen Seite einige Hoffnungen erfüllt hat. In dem persönlichen Gespräch mit den Aufsichtsräten wird es für ihn darum gehen, seine Art zu führen zu rechtfertigen. Und daraus wiederum resultiert für die Kontrolleure eine Richtungsentscheidung: Sie haben die Wahl zwischen dem starken Mann an der Spitze und dem Team um Boldt, Wettstein und Co. So zumindest wird es weiterhin dargestellt. Nur beides zusammen wird es nicht geben. Warum das so ist, ist schnell erklärt, wenn man sich einmal kurz mit den Hauptdarstellern beschäftigt:

Kühne hat kaum Kontakt zu Hoffmann, weil er ihm nicht vertraut und bei ihm auch seine Ziele nicht durchsetzen kann. Kühne würde auch deshalb gern Jansen in den Vorstand ziehen, damit er neben Frömming im Aufsichtsrat einen zweiten Vertrauten in führender Position hat. Inwieweit Kühne für den HSV letztlich zum Vorteil werden kann, ist aktuell nicht zu sagen. Fakt aber ist, dass weder Hoffmann noch sonst ein HSV-Verantwortlicher je geleugnet hat, dass Kühne für den HSV noch sehr wichtig werden kann. Schon deshalb hat Kühnes Wort - selbst wenn es immer wieder unberechenbar ist - weiter Gewicht. Aber es darf auch nicht zu wichtig werden.

Kühnes Wort hat Gewicht - darf aber nicht zu wichtig werden

Kühnes Mann des Vertrauens, Marcell Jansen selbst, muss als Vertreter des Hauptanteilseigners die Interessen der Mitglieder vertreten, die bislang keinen Verkauf von Anteilen über die 24,9 Prozent hinaus befürwortet haben.  Das wird sich auch so schnell definitiv nicht ändern, was wiederum seinen Protegé Kühne nicht wirklich erfreut. Der Präsident des HSV e.V. hatte zu Beginn seiner Präsidentschaft zudem sehr von Hoffmanns Unterstützung profitiert und stand eng an Hoffmanns Seite. Inzwischen gilt Jansen wieder als strenger Kritiker Hoffmanns. Diesmal in seiner Funktion als Aufsichtsrat - was Hoffmann mächtig aufstößt. Die Interessengemeinschaft Hoffmann/Jansen ist auf jeden Fall längst aufgelöst und hat sich inzwischen aus der Camouflage gelöst auf zwei deutlich erkennbare Lager verteilt.

Auch Hoffmann weiß um seine Stellung innerhalb des HSV und bei Kühne. Hoffmann befürchtete seit seiner knappen Wahl zum Präsidenten des HSV e.V. und seinem schnellen Aufstieg zum Vorstandsboss der HSV AG (zurecht), von seinen Kritikern aus dem Amt befördert zu werden. Unvorbelastet war hier nie etwas. Und deshalb baute sich Hoffmann präventiv sein eigenes Netzwerk aus entscheidenden Aufsichtsräten auf. Hintergrund: Hoffmann weiß um die Fülle seiner Kritiker und ist proaktiv auf Absicherung gegen sie aus. Das wiederum wird ihm als Machtsicherung angelastet. Das alles führt zu einer nicht enden wollenden Spirale aus Misstrauen und dadurch auch immer wieder zu Vertrauensbrüchen. Die trotzdem „professionelle Ebene“ funktionierte eine Weile im Vorstand, lässt aber nach Aussagen seiner Vorstandskollegen inzwischen auch im aktuellen Vorstand keine vertrauensvolle Zusammenarbeit mehr zu. Hoffmann selbst sieht das nicht so und würde mit Boldt/Wettstein grundsätzlich weiterarbeiten.

Aufsichtsrat muss Grundsatzentscheidung fällen

Sportvorstand Jonas Boldt ist wie Hoffmann sehr genau, was seine Verantwortungsbereiche betrifft und lässt sich Übergriffe grundsätzlich nicht gefallen. Er geht dagegen vor. Boldt ist gut vernetzt, hätte immer Möglichkeiten, woanders zu agieren und hat sich beim HSV als Sportvorstand schnell eine gute Position erarbeitet. Er  hat viele Fürsprecher im Aufsichtsrat, die befürchten, dass Boldt das Handtuch schmeißen könnte. Der Streit zwischen ihm und Hoffmann würde und wird aktuell für Hoffmann gefährlich, denn der Aufsichtsrat weiß, das hinter Boldt auch der sportliche Bereich um Trainer Dieter Hecking steht, zu dem Boldt ein sehr vertrauensvolles, intaktes Verhältnis pflegt.

Frank Wettstein war und wird nie ein Freund von Bernd Hoffmann. Dem Finanzvorstand wurde schon beim Amtsantritt Hoffmanns als Präsident des HSV e.V. suggeriert, dass seine Zeit beim HSV dadurch vorbei sein dürfte. Dennoch hielt sich der Finanzvorstand - auch, weil er es versteht, schwere finanzielle Phasen nach außen gut aussehen zu lassen, bis heute im Amt. Wettsteins „Geschick“ in diesem Bereich ist auch für die Lizenzierungsverfahren wichtig gewesen. Zudem wird Wettstein ein gutes Verhältnis zu HSV-Investor Klaus Michael Kühne nachgesagt. Kurzum: Wettstein war und ist hilfreich. Die „Zusammenarbeit auf professioneller Ebene“ hat sich durch seine offen kritischen Worten vom vergangenen Donnerstag aber wohl erledigt.

 

Deshalb sollen die Einzelgespräche mit den drei Vorständen den Aufsichtsräten möglichst umfänglich Aufschluss darüber geben, inwieweit die Vertrauensbasis auf Vorstandsebene zerstört bzw. ob eine erfolgreiche Arbeit in der Konstellation wieder hergestellt werden kann. Und ich kann nur hoffen, dass auch die Kontrolleure ihre Deckungen aufgeben und dass es in den Gesprächen keine taktische Zurückhaltung mehr gibt. Nur wenn hier alle Interessenlagen offen ausgesprochen werden, hat der HSV überhaupt erst wieder eine Chance, in absehbarer Zukunft als Ganzes erfolgreich zu agieren.

In diesem Sinne, die DFL hat seinen angehörigen Klubs nahegelegt, für eine Ausweitung der Ligapause bis Ende April zu stimmen. Vernünftig. Und es ist sich davon auszugehen, dass das letztlich so angenommen wird. Bis morgen! Da wieder um 7.30 Uhr mit dem MorningCall und am Nachmittag dann auch mit dem CommunityTalk. Bis dahin!

Scholle

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