Marcus Scholz

28. Dezember 2018

Ich hatte gestern davon berichtet, dass das Duo Bruchhagen/Todt für mich im Winter den entscheidenden Fehler gemacht hat, als man auf Verstärkungen verzichtete, anstatt sie mit aller Macht anzustreben. Das hatte ich nachweislich auch damals schon so geschrieben, als es noch nicht zu spät war. Und ich stehe weiterhin dazu, dass das Wirken von Jens Todt als Sportchef in Hamburg schwach war. Mit Ausnahmen: Denn eine zweifellos wirklich sehr gute Tat Todts war die Verpflichtung von Torhütertalent Julian Pollersbeck im Sommer 2017. Damals kam der frisch gebackene U21-Europameister vom 1. FC Kaiserslautern. Er kostete den HSV 3,5 Millionen Euro Ablösesumme und hatte anfänglich noch Probleme, sich hier einzufinden und sich sportlich einzubringen. „Julian hat ein noch lange nicht gänzlich ausgeschöpftes Potenzial und hat grundsätzlich eine eher wettbewerbsorientierte Ausrichtung“, sagte mit Nico Stremlau zuletzt. Der aktuelle Torwarttrainer umschrieb damit diplomatisch, dass Pollersbeck nicht der Keeper sei, der sich im Training aufdrängt. Dafür aber einer, der unter Druck funktioniert.

Und das sahen offenbar auch die Trainer Markus Gisdol und Bernd Hollerbach so. Zumindest den ersten Teil mit dem Training. Denn unter Gisdol absolvierte Pollersbeck gerade einmal zwei Spiele, während Christian Mathenia die Hummer eins wurde. Und diese beiden Spiele unter Gisdol absolvierte Pollersbeck auch erst ganz am Ende, also unmittelbar bevor Hollerbach übernahm - und „Polle“ wieder auf die Bank setzte. Erst unter Titz begann Pollersbecks Zeit beim HSV besser zu werden. Stremlau, der zusammen mit Titz zum Profikader stieß, hat es geschafft, dass Pollersbeck inzwischen konstant gut spielt - und auch so trainiert. Alle 20 Spiele in Folge stand Pollersbeck seit Titz’ Übernahme im Tor. Und auch unter dem aktuellen Trainer Hannes Wolf hat sich das nicht verändert. Pollersbeck ist inzwischen die unbestrittene Nummer eins beim HSV - und das zurecht. Acht Spiele zu Null in der aktuellen Saison, Tabellenführer mit dem HSV in der Zweiten Liga, es passt bei Pollersbeck derzeit.

Und nehmen wir den Aussetzer gegen Jahn Regensburg mal raus, hat Pollersbeck (zumindest mich) in bislang allen Spielen überzeugt. Und das mit einer Cooles, die schon beachtlich ist. Zunächst meisterte er das hohe Torwartspiel unter Titz mit Bravour. Der HSV-Keeper hat sich fußballerisch erkennbar verbessert und dabei seine Fähigkeiten auf der Linie nicht eingebüßt. Er ist im Training noch immer der eher leise Vertreter - aber im Spiel präsent wie eine gute Nummer eins. „Polle holt immer mal einen raus. Auf ihn können wir uns verlassen“, hatte Lewis Holtby gesagt und damit angesprochen, was einen Torwart Nummer eins ausmacht: Er verleiht seinen Vorderleuten Sicherheit.

Und das alles mit gerade einmal 24 Jahren. Selbst der ehemalige Weltklasse-Torhüter Oliver Kahn hatte zuletzt großes Lob ausgesprochen und Pollersbeck als einen der ganz wenigen Kandidaten für die DFB-Nationalelf der Zukunft genannt. So weit würde ich jetzt - ohne das fachlich wirklich begründen zu können - zwar noch nicht gehen. Aber angesichts der Zutaten, die Pollersbeck in seinen jungen Jahren schon mitbringt, sehe ich ihn als absoluten Glücksfall für den HSV. Menschlich allemal, wenn man den Kollegen glauben kann.

Womit wir sehr gut überleiten können zu Tom Mickel, der das Niveau unter den Torhütern als Nummer zwei hochhält. Mickel ist in etwa das, was man unter dem Begriff „Teamplayer“ versteht. Er gibt Vollgas, ist ehrgeizig, aber freut sich für seine Teamkameraden, wenn die besser sind und es am Ende für alle den gewünschten Erfolg bringt. Eine ganze Weile dachte ich, Mickel wäre nicht ehrgeizig genug. Anders konnte ich mir nicht erklären, wie man als zweiter (früher teilweise sogar dritter)  Torwart beim HSV verlängert in dem Wissen, eher keine Einsätze zu bekommen. Inzwischen weiß ich es besser: Mickels Verein ist der HSV. „Ich liebe den Klub - das lässt sich leider nicht ändern“, hatte Mickel mir zuletzt in einem unserer Tagebücher im Trainingslager gesagt.

Und ich nehme es ihm ab. Denn Fakt ist: Mickel trainiert saustark. Und das so regelmäßig, dass ich die Ausnahmen hiervon nicht mal mehr erinnere. Mickel ist deutlich präsenter als Pollersbeck und könnte zweifellos Ansprüche stellen, macht das aber nicht. Im Gegenteil: Er er ist sich nicht einmal zu schade, Pollersbeck anzufeuern und ihm mit seinem Rat zur Seite zu stehen. „Mickel ist in unserem Team ein ganz entscheidender Faktor“, so Stremlau, „er hält den Laden immer wieder zusammen. Und mit seiner verbindenden, ruhigen Art hilft er den jungen Keepern. Er macht die Jungs besser.“

Gespielt hat Mickel derweil nur in Tests sowie im Pokal. Und während er bei den Tests überzeugte, hatte er im Pokal nicht nur Glanzmomente. Dennoch wussten bislang alle Trainer, dass sie im Notfall auf Mickel zählen könnten. Und das wiederum ist das Wesentliche, was man von seinem Ersatzkeeper erwarten können muss. Nein, ich behaupte sogar, dass ein derart hochwertiges Paket aus Teamgeist und individueller Qualität so in keinem zweiten Zweitligateam zu finden ist. Auch deshalb hat Mickel beim HSV einen langfristigen Vertrag bis 2021 bekommen - ligaunabhängig. Man weiß hier, was man an dem 29-Jährigen hat.

Mit Morten Behrens, hat der HSV zudem ein junges Torwarttalent, das sich gerade bei der U21 in der Regionalliga unter Beweis zu stellen versucht.  In der bisherigen Saison stand er 14-mal im Kasten der U21 und musste dabei 21 Treffer hinnehmen. Auch, weil er das hohe Torwartspiel nicht so beherrschte wie beispielsweise Mickel und vor allem auch Pollersbeck. „Morten ist ein sehr talentierter Torhüter, der zudem sehr viel Eigenmotivation mitbringt. Er komplettiert unser Torwartteam“, so Stremlau, der davon sprach, die Konstellation aktuell unter den HSV-Keepern sei nahezu optimal.

So viel fürs Erste zu den Torhütern. Morgen folgt dann die Defensive um Abwehrchef Rick van Drongelen. Wobei, dann doch noch ein Wort zu Todt. Im  heutigen MorningCall sagte ich, er sei noch unter Vertrag. So, wie es mein Abendblatt-Kollege schrieb. Und das, obwohl die Mopo behauptete, der Vertrag sei aufgelöst. Und wie so oft, liegt die Wahrheit in der Mitte: Denn Todts Vertrag wurde schon im August ausbezahlt, läuft aber offiziell noch bis Montag (31. Dezember 2018). Insofern habe ich meinem geschätzten Kollegen Simon Braasch von der Mopo hier Unrecht getan, wofür ich mich an dieser Stelle herzlich und ehrlich entschuldigen möchte.

In diesem Sinne, Euch allen einen richtig schönen Abend. Und bis morgen!

Scholle

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