Marcus Scholz

25. Dezember 2017

Von meinen Wünschen zu Weihnachten haben sich zumindest die erfüllt, die man nicht mit Geld bezahlen kann. Ich hatte alle die Menschen um mich herum, die mir wichtig sind. Und ich hoffe, den meisten von Euch erging es genau so, bzw. ich hoffe, es geht Euch auch heute und/oder morgen noch genau so. Und bevor ich mich in die Revanche für gefühlt 300 verlorene Brett- und Würfelspiele gegen meine Kinder stürze, noch ein Wort zu unserem HSV, beziehungsweise, in diesem Fall zum Thema Torhüter. Womit ich auch den Hinrundenrückblick beginnen will. Zu Beginn sogar ohne die Spiele zu bewerten, denn diese Personalie bedarf einer Aufarbeitung, die schon lange vor Saisonbeginn seinen Lauf nahm. Genau genommen mit dem Weggang von Rene Adler, den es zum FSV Mainz zog.

Viele hier, auch ich, hielten die Rochade von Adler und Julian Pollersbeck für falsch. Und ich glaube noch immer, dass der HSV nicht in der Situation war, einen jungen Keeper für vier Millionen Euro zu holen. Zumindest nicht, bevor er nicht seine echten Baustellen abgearbeitet hat. Rene Adler indes abzugeben hielt ich für vertretbar, da er nicht bereit war, trotz seiner vielen Ausfälle dem HSV gehaltstechnisch ausreichend entgegenzukommen. Bei einem 32-jährigen Torhüter, der im Jahr immer wieder mit Knie- und Rückenproblemen verletzt ausfällt, muss man Abstriche machen dürfen. Das hätte Adler auch machen müssen, hätte er wirklich bleiben wollen. Ich hätte Adler noch einen stark leistungsbezogenen Einjahresvertrag angeboten. Auch, weil die HSV-Finanzen eben nichts anderes hergeben. Und mit Adler im Rücken hätte ich versucht, eine neue Nummer eins aufzubauen.

Letztlich kam stattdessen der U21-Europameister und beste Keeper der EM, Julian Pollersbeck. Leider für sehr viel Geld in einer Phase, in der der HSV dieses Geld dringend gebraucht hätte, um an anderen Stellen im Kader nachzubessern. Pollersbeck wurde dabei als Toptalent gefeiert. Und ich will hier nicht ausschließen, dass sich der Transfer irgendwann, wenn der 23-Jährige dann doch noch durchstartet und plötzlich ein Vielfaches davon wert ist, rentieren wird. Irgendwann. Aber bis dahin werte ich es als Fehler, weil es das Gesamtgebilde HSV wanken lässt. In meinen Augen konnte und kann sich der HSV diesen Luxus in der aktuellen Situation nicht erlauben. Wenn schon vier Millionen Euro, dann nur für eine klare Nummer eins – aber die sucht der HSV aktuell wieder, nachdem Christian Mathenia in der Hinrunde nicht überzeugen konnte.

Mein Problem hierbei ist zudem, dass Mathenias Leistungen nicht überraschend waren. Im Gegenteil. Der 25-Jährige hält insgesamt sogar besser, als ich es vor Saisonbeginn erwartet hätte. Er ist als Typ eine glatte Eins und in der Mannschaft ob seiner vorbildlichen Einstellung im Training und Ligabetrieb in der Mannschaft absolut akzeptiert. Er kann an guten Tagen Spiele retten - aber er hat eben auch immer wieder seine kleinen oder größeren Aussetzer. Die hatte er in der Vorsaison, ebenso in der davor – und eben auch in dieser Saison wieder. Das überrascht nicht. Immerhin ist Mathenia als Nummer zwei geholt worden - doch zuletzt wurde er mit aller Macht in die Rolle der Nummer eins gedrückt. Weil kein besserer Keeper da war, nachdem Pollersbeck eine katastrophale Vorbereitung hinlegte und auch anschließend im Training nicht zu überzeugen wusste. Und es bleibt abzuwarten, ob Mathenia diesem Vorhaben überhaupt gewachsen ist.

Im Januar werde es wieder einen offenen Kampf um die Nummer eins geben, haben Sportchef Jens Todt und Trainer Markus Gisdol zuletzt prognostiziert. Es werde einen fairen Konkurrenzkampf geben mit gemischten Karten. Wirklich?

Ich behaupte: nein.

Dem wird mitnichten so sein. Vielmehr wird die Vorbereitung mit der Hoffnung beginnen, dass Pollersbeck endlich die neue Nummer eins wird. Zum einen, weil Mathenia auch auf längere Sicht eben nicht hundertprozentig überzeugen konnte. Zum anderen natürlich, um seine teure Verpflichtung im Sommer zu rechtfertigen und die hier Verantwortlichen nicht komplett dumm dastehen zu lassen, nachdem Pollersbeck zwischenzeitlich sogar nur nur auf der Tribüne saß. Wie mehr als einmal zu hören war, hielt in der Phase U21-Trainer Christian Titz seine Ersatzkeeper sogar für formstärker als den jungen Ältöttingerer, der sogar grundlegende Probleme hatte. Seine körperlichen Werte ließen nach, er konnte seine Fitness nicht auf einem vorgegebenen Level halten, was mitten in der Saison schon beachtlich ist und Trainer Markus Gisdol zu einem klärenden (und zunächst erfolgloses) Gespräch veranlasste. Ergo: Gisdol stellt im Tor derzeit weniger nach Wunsch denn im Ausschlussverfahren auf. Die Frage ist nicht wer besser ist, sondern: Wer der beiden macht weniger Fehler? Weniger Fehler als die Kaderplaner im Sommer.

 

Es wird allemal spannend sein, die neue Konkurrenzsituation im Winter zu beobachten. Denn mit 23 und 25 Jahren sind beide Torhüter noch jung und entwicklungsfähig. Vielleicht gibt es ja am Ende das momentan nicht zu erwartende Happy-End und einer der beiden steigert sich nicht nur deutlich, sondern wird auch zu einer richtig gut funktionierenden Nummer eins...

 

Wobei Mathenia derjenige ist, der mehr über den Fleiß kommt. Fußballerisch hat er Defizite. Er ist kein mitspielender Keeper sondern eher der, den man immer erst dann anspielt, wenn man keine bessere Option hat. Mathenia ist körperlich einer der fittesten Spieler im Kader und zeigt in jedem Training, dass er sich zu einer echten Nummer eins entwickeln will. Er pusht dabei mit Anfeuerungen seine Konkurrenten, lobt sie immer wieder für gute Aktionen und ist absolut nicht der verbissene Typ, der alles dafür tun würde, seine Konkurrenten hinter sich zu lassen. Kurzum: Er ist ein richtig guter Sportsmann, von dem man sich erhofft und dem man es von Herzen wünscht, dass er eine echte Nummer eins wird. Allein seine Sicherheit auf dem Platz fehlt dafür. In mindestens vier von 17 Spielen patzte er entscheidend. Zuletzt zweimal in Folge gegen Frankfurt und in Gladbach (zuvor Hannover, Mainz). Wirklich ein Spiel gewinnen konnte er – zumindest hatte er daran maßgeblichen Anteil - nur einmal. In Köln am zweiten Spieltag. Und das ist zu wenig. Leider.

Allerdings, um mal das Gute auf der Torwartposition zu benennen, hier hat der HSV zumindest in Tom Mickel eine klaglos fleißige, gute Nummer drei, wie sie nur wenige andere Klubs im Abstiegskampf haben. Das ändert aber nichts an meiner Bewertung. Dreimal gehobenes Mittelmaß auf einer Position, die im Abstiegskampf sehr entscheidend sein kann - (auch) hier hat sich der HSV im Sommer verplant.

In diesem Sinne, ich melde mich am Mittwoch wieder bei Euch und beleuchte dann die Defensive, die zumindest rein statistisch betrachtet in einigen Punkten wirklich Hoffnung macht. So viel vorweg.

Bis dahin wünsche Euch einfach zwei schöne Weihnachtsfeiertage und mir viel Glück beim „Kniffeln“ und „Mensch ärgere Dich nicht“ gegen meine Zwerge. Denn da bin ich allemal zweitklassig im Vergleich...!

 

Scholle

 

 

 

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