Marcus Scholz

3. Januar 2018

Ein Tag im Zeichen des Nachwuchses, möchte man denken, wenn man sich so in den aktuellen Medien umschaut. Die Sportbild kommt mit Hrubesch, das Abendblatt mit Urs Siegenthaler, der Jann-Fiete Arp mit der Nationalmannschaft in Verbindung bringt, und der HSV interviewt Arp selbst. Exklusiv, weil man ihn noch weitestgehend aus dem Fokus nehmen möchte. Bei Interviews wohlgemerkt. Gäbe es die akut gefährliche Tabellensituation nicht, es könnte tatsächlich ein schöner Tag sein.

Ein Tag, der den HSV auf dem richtigen Weg wähnt und der einen von erfolgreichen Zeiten träumen ließe. Am Ende aber bleibt hängen, dass Albin Ekdal wieder angeschlagen ist, Kyriakos Papadopoulos auch vorsichtshalber behandelt werden musste. Vor allem aber, dass das Positive rund um den HSV derzeit fast immer nur im Konjunktiv verfasst werden kann.

Oder nicht?

Immerhin ist Arp heute wieder voll ins Training eingestiegen (nur die Ausdauerläufe am Nachmittag ließ er noch aus) und scheint sich für das neue Jahr einiges vorgenommen zu haben. Nachdem die Mannschaft schon die erste Einheit beendet hatte, legte er sich noch mal Bälle zurecht und schoss aufs Tor, weil „die anderen schonen einen Tag weiter“ seien, so der Angreifer, dessen Rolle beim HSV schneller wächst, als sie sollte. Dass Siegenthaler heute nicht explizit sagte, dass „Arp schon bei Löw auf dem Zettel“ steht (In Anführungszeichen gleich schon die Überschrift der Hamburger Zeitungen und anderen Medien), empfand ich als großes Glück.

Noch mehr aber hat mich gefreut, was er in seiner letzten Antwort dieses sehr lesenswerten Interviews meines Berliner Kollegen Jörn Meyn zum Thema bestmögliche Entwicklung von Talenten sagte. Siegenthaler: „...Aber damit, ein Talent zu sein, darf das nicht enden. Man müsste sich vielleicht für Folgendes entscheiden: Man kauft einen Spieler weniger und nimmt das Geld, um einen Ausbildungstrainer zu holen, der sich nur mit diesen Talenten beschäftigt. Der jeden Tag mit ihnen völlig losgelöst vom Mannschaftstraining anderthalb Stunden trainiert. Was glauben Sie, was da möglich wäre?“

SEHR VIEL MEHR ALS JETZT...

Siegenthaler sagt hier nichts anderes, als dass das normale Training einem (Top-)Talent nicht ausreicht, um nach oben zu kommen. Es gehört schon zum guten Ton, Individualtrainer zu engagieren – also, warum macht es gerade ein Verein wie der HSV nicht, der sich damit rühmt, aktuell mehr denn je auf junge Talente zu setzen? Ich verstehe es nicht nur nicht, ich behaupte gern noch mal in aller Deutlichkeit: Das ist ein unverzeihlicher Fehler. Hier wird etwas übergangen, was ein moderner Verein einfach machen muss, wenn er wirklich von sich behaupten will, alles versucht zu haben, um seine Talente bestmöglich auszubilden. Vor allem muss es ein Verein machen, der eigentlich gar keinen anderen Weg gehen kann als den über die jungen Talente aus der eigenen Schmiede.

Fakt ist: Einem Arp muss wirklich niemand mehr sagen, welch überbordendes Potenzial er hat und was mal aus ihm werden kann. Im Gegenteil: Es wird Zeit, dass man ihm zeigt, WIE er das Potenzial nutzen kann, um seine Träume zu verwirklichen. Theoretisch auf der einen Seite, aber praktisch eben auch. Ich bin weit davon entfernt, zu behaupten, dass Gisdol das nicht versucht. Aber Gisdol allein kann das schlichtweg gar nicht leisten. Nicht, während er sich parallel noch mit absoluten Großbaustellen wie schnellen Neuzugängen, wild urlaubenden Brasilianern, und nicht zuletzt dem drohenden Abstieg des letzten Bundesligagründungsmitgliedes beschäftigen muss. Da bleibt nicht ausreichend Zeit.

Und doch brauchen die jungen Leute sie. Alle. Aber um hier weiter bei Arp zu bleiben: dem jungen Angreifer muss niemand mehr sagen, wie toll er ist. Vielmehr muss ihm jemand deutlich machen, was ihm noch fehlt, damit er gerade jetzt in seiner ersten Euphorie den Blick für seine nächsten Entwicklungsschritte nicht aus den Augen verliert und diese nach und nach nimmt. Beim HSV schon DER Hoffnungsträger im Angriff zu sein, das gehört ganz sicher noch nicht dazu. Hier sollte er – wie gestern und zuvor schon häufiger betont – alles machen dürfen, weil er es kann. Aber er sollte nie unter den Druck gesetzt werden, etwas machen zu müssen, um den ganzen Verein vor großem Schaden zu bewahren.

Denn bei aller außergewöhnlichen Coolness, die ich Arp zugestehe – das wäre zu gefährlich. Fast so gefährlich, wie einfachste, notwendige Maßnahmen wie Zusatztrainer zu ignorieren. Ich befürchte sogar, dass viele andere Vereine diesen Schritt gehen werden, den der HSV schon einmal - mit den besten Erfahrungen übrigens – gegangen ist. Und auch das wird ein Argument für junge Spieler sein, sich für einen anderen Verein zu entscheiden. Wer sowas nicht bietet, der hat einen Nachteil. Vielleicht sogar einen entscheidenden. Aber okay, es nützt nichts. Sportchef Jens Todt kann nicht über den Trainerwillen hinwegentscheiden – und solange der nicht will, wird es hier in Hamburg nichts werden.

Insofern bleibt nur, zu schauen, ob es diesen anderen Stürmer in der Mannschaft gibt. Bis es einen neuen Offensivspieler gibt, der den Druck von Arp abwendet, der ihm Verantwortung abnimmt. Trainer Markus Gisdol machte deutlich, dass sich selbst seine schier endlose und mich in dem Ausmaße oft verwundernde Geduld mit Bobby Wood dem Ende entgegenneigt. Im Training wird das Umschaltspiel geübt – und hier kommt gerade den Angreifern eine ganz entscheidende Rolle zuteil.

Im Training heute mussten die Männer von Trainer Gisdol im Zuge der Nachmittagseinheit noch einige Belastungsläufe absolvieren, wie im Video am Ende zu sehen ist. Ansonsten drehte sich alles wieder um Spielformen, die das schnelle Umschalten beinhalteten. Zwischendrin musste Albin Ekdal zweimal behandelt werden, konnte aber weitertrainieren. Und in der Causa Walace gibt es auch noch nichts Neues, außer, dass der Brasilianer morgen nach Jerez kommt und hier zum Gipfel mit Todt und Bruchhagen antreten muss. Ergebnis: offen. Dazu ein Link zu Hamburg1, die mich heuet telefonisch dazu interviewt haben. Sehr viel mehr als dort gibt es auch nicht zu sagen.

Und, wenn Ihr selbst eine Frage an Dennis habt, stellt sie mir per Email an marcus.scholz@rautenperle.com. Ich werde dann versuchen, ein paar davon morgen schon mit einzubauen. Dann übrigens in einer späten Nachtausgabe, da wir vorher noch das Testspiel gegen Malaga in Cadiz haben und erst gegen 21.30 wieder im Mannschaftshotel sein werden, die Mannschaft dann noch isst und ich erst danach mit Dennis sprechen werden kann.

Bis nachher!

Scholle

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