Marcus Scholz

28. Oktober 2017

Er ist dann doch noch fit geworden und konnte beginnen: Bobby Wood, der gestern beim Abschlusstraining mit Knieproblemen abbrechen musste, stand in der Startelf gegen Hertha BSC. „Es ist ein wenig falsch interpretiert worden“, versuchte Trainer Markus Gisdol zu beschwichtigen, dass Wood angeschlagen war. Der Knieverband sei „normal“ gewesen, und das von uns als Abbruch titulierte vorzeitige Trainingsende sei abgesprochen gewesen. „Bobby ist bei 100 Prozent“, so Gisdol vor dem Spiel. Dass er für einen etwaigen Ausfall Woods dennoch 19 Mann mit nach Berlin genommen hatte und heute Luca Waldschmidt aus dem Kader strich, weil Wood eben doch fit war – vergessen. Was aber am allermeisten dafür sprach, dass Wood doch angeschlagen war, war das Spiel des US-Nationalspielers, der wieder nicht ins Spiel fand und ein wesentlicher Teil der unnötigen 1:2-Niederlage bei Hertha BSC war. Zumindest bis zu seiner überfälligen Auswechslung.

Fast ein Wunder, dass die erste Halbzeit trotz aller Harmlosigkeit beider Offensivabteilungen mit einem Treffer für die Berliner endete. Und das, obwohl der HSV tendenziell mehr von dem insgesamt sehr schwachen Spiel beider Mannschaften hatte. In der siebten Minute wäre der Schuss von Ekdal nach einem Abpraller gefährlich geworden, konnte aber von den vielen Berliner Beinen geblockt werden und in der 11. Minute setzte sich Kostic schön über links durch, flankte dann aber zu hoch und zu ungenau auf Hahn, der den Ball nicht mehr aufs Tor bringen konnte. Und dann kam, was in den letzten Spielen zu oft passiert: Der HSV geriet in Rückstand. Wie gestern im Blog beschrieben, wieder durch einen Standard der Hertha. Rick van Drongelen konnte seinem Gegenspieler Niklas Stark nicht folgen und dieser schraubte sich vor der ersten Abwehrreihe am ersten Pfosten hoch und verlängerte den scharf getretenen Ball von Plattenhardt sehenswert per Kopf ins lange Eck (17.) – das 1:0 für die Berliner.

Und Wood? Der sollte als einzige Spitze mit seinem explosiven Antritt und seinem Tempo die Berliner Abwehr vor Probleme stellen, avanciert aber immer mehr zum Problemfall für die eigene Mannschaft. Teilweise sieht das sogar schon richtig bocklos aus, finde ich. Anstatt sich wirklich bei jedem Angriff im Vollsprint vom Gegner zu lösen, trabt er, dreht sich in den Gegner und verliert die Bälle. Torschüsse nach 45 Minuten: Null. Er befand sich nicht einmal annähernd in Tornähe. Und trotzdem vertraute ihm Gisdol weiter, setzte auch zu Beginn der zweiten Halbzeit auf die elf Spieler, mit denen er begonnen hatte.

Und das ging schief. Keine fünf Minuten waren in der zweiten Halbzeit gespielt, als Hertha die Führung sogar ausbauen konnte. Und, wenig überraschend, mal wieder per Standard. Diesmal trat Weiser die Ecke und fand in der Mitte Karim Rekik, der sich im Rücken von Ekdal hochschraubte und den Ball per Bogenlampe ins lange Eck nickte. Das 2:0 (50.) - und Grund genug für Gisdol, doch zu reagieren. Und so kamen in der 55. Minute Tatsuya Ito und Jann-Fiete Arp für Ekdal und –Wood. Das Spiel allerdings wurde zunächst nicht besser. Im Gegenteil. Nach einem Arp-Fehlpass auf Ito kamen die Berliner zu einer sehr guten Konterchance, die Papadopoulos in letzter Sekunde per Grätschen abzuwehren wusste. Nein, das war bis hierhin nichts. Von beiden nicht. Aber das eben mit dem ganz wesentlichen Unterschied, dass die Berliner zweimal getroffen hatten – weil sie Standardschützen haben, die dem HSV seit einer gefühlten Ewigkeit fehlen.

Und so dauerte es bis zur 73. Minute, bis der HSV Ansprüche anmeldete, hier etwas mitzunehmen. Und das durch – JANN-FIETE ARP! Nach einer Diekmeier-Flanke legte Papadopoulos gekonnt ab auf den Youngster, der den Ball direkt nahm und per Innenpfosten zum 1:2 traf. Der erste Treffer für den 17-Jährigen in der Bundesliga – und einer, der es noch mal spannend machen sollte. Denn der HSV kam jetzt besser ins Spiel. Hunt übernahm Regie, während Ito und Arp die Offensive beflügelten und der HSV jetzt ins Risiko ging, offensiver wurde. Papadopoulos war nur noch vorn zu finden, hinten machte man auf. Und hätte Selke in der 79. Minute genauer gezielt, wäre es wahrscheinlich schnell vorbei gewesen. War es aber nicht, weil Mathenia rettete.

Und so versuchte der HSV bis zur letzten Minute inklusive der vier Nachspielminuten alles, kam aber nicht mehr zum Ausgleich. Und deshalb gab es am Ende eine Niederlage, die ganz sicher vermeidbar war gegen schwache Berliner. Aber es war auch eine Niederlage, die zeigte, wie wenig System in dieser Mannschaft steckt. Kein Konterfußball, kein Kombinationsspiel – einfach irgendwie „Fußball versuchen“ ist zu wenig. Und wenn ich sehe, wie sich die Spieler bei Angriffen schon im Mittelfeld auf den Füßen stehen, anstatt Räume anzubieten. Wenn ich das Spiel hinten raus sehe, das heute auch bei van Drongelen erschreckend schwach war und dann die Schlafmützigkeit bei Standards addiere, dann weiß ich schnell, dass diese Saison eine harte wird. Vielleicht sogar eine noch härtere als es die letzten eh schon waren.

Der HSV steht inzwischen, wo er nach den bisherigen Leistungen hingehört – im Abstiegslkampf. Nur gut, dass parallel auch der 1. FC Köln wieder verlor. Und solange Werder gegen Augsburg morgen nicht gewinnt, bleibt der HSV wenigstens noch auf dem Relegationsplatz. Aber das mit einer Menge Arbeit vor sich. Ob die weiter mit Markus Gisdol vonstatten gehen wird, ist offen. Zwar demonstrierte man zuletzt Einheitlichkeit und stärkte dem HSV-Trainer von Vorstandsseite demonstrativ den Rücken, allerdings sind acht Niederlagen aus elf Spielen ein bitteres Zeugnis, das es am kommenden Sonnabend gegen den VfB Stuttgart im Volksparkstadion zwingend aufzubessern gilt, wenn man nicht schon wieder einen Trainer wechseln will. Dass Arp dann wieder dabei sein wird ist klar. Fraglich nur, ab wann er mitwirken darf. Geht es nach mir, beginnt der Junge endlich für den formschwachen Wood, der das in ihn gesetzte Vertrauen seit Saisonbeginn noch nicht ein einziges Mal zurückzahlen konnte.

In diesem Sinne, morgen ist trainingsfreu, da die Spieler Fanclubs besuchen. Und eines fällt diesmal ganz sicher weg: Komplimente für die Niederlage. Denn die hat der HSV heute ganz sicher nicht verdient.

Bis dahin,

Scholle

 

FAQs

 
 

Über uns

Die Rautenperle - das ist ein Team aus jungen Medienschaffenden und Sportjournalisten mit großer Affinität zum HSV. Wir sind 24/7 bei den Rothosen am Ball und produzieren frischen Content für Rautenliebhaber.

Unser Ziel ist es, moderne, unabhängige Berichterstattung und attraktiven, journalistischen Content für junge und jung gebliebene HSV-Anhänger zu bieten. Wichtig ist uns dabei, eine neue Art des Sportjournalismus zu präsentieren: dynamisch, zeitgemäß, zielgruppengerecht. Weg von verstaubten Zeitungsspalten und immergleichen Phrasen.

Die Rautenperle ist aber nicht nur ein Ort, um sich zu informieren, sondern soll auch immer ein Ort des Austausches und des Miteinanders sein. Wir wollen eurer Leidenschaft einen Platz im Netz bieten: zum Diskutieren, zum Mitfiebern, zum Mitmachen.