Lars Pegelow

8. Februar 2018

So schlimm wie bei Dennis Diekmeier war es bei Bernd Hollerbach nicht, immerhin konnte der Linksfuß in seiner Karriere sechs Bundesligatreffer erzielen. Am 2. November 2002 hätte Treffer Nummer sieben dazu kommen können, beim Auswärtsspiel des HSV im Dortmunder Stadion. Wie waren die Rahmenbedingungen? Hollerbach war unter Trainer Kurt Jara nach einem schlechten Saisonstart – gemeinsam mit Jörg „Ali“ Albertz – aussortiert worden. Fünf Spiele lang saß Hollerbach auf der Tribüne, doch im Gegensatz zu Albertz kämpfte sich Hollerbach ins Team zurück. Eins der ersten Comeback-Spiele war nun diese Partie beim BVB vor mehr als 68.000 Zuschauer. Dortmund führte mit 1:0 durch den Tschechen Tomas Rosicky, als es plötzlich in der 87. Minute Elfmeter gab für den HSV. Den würde doch wohl nicht Hollerbach schießen? Würde er doch – und wie. In bester Uli-Hoeneß-Manier jagte „Holler“ die Kugel in den Oberrang. Der Dortmunder Keeper Jens Lehmann hatte keine Chance, sich auszuzeichnen. „Das stimmt, ein furchtbarer Schuss“, lachte Hollerbach dieser Tage, angesprochen auf den Elfmeter. „Aber ich habe das 1:1 trotzdem noch vorbereitet.“ Das ist zumindest fast korrekt, denn der heutige HSV-Trainer leistete zwei Minuten nach seinem Fehlschuss die Vor-Vorarbeit zum 1:1. Über Erik Meijer kam der Ball zum Dänen Kim Christensen – und schon hatte der HSV einen Punkt aus Dortmund entführt. (Übrigens sah Erik Meijer in der Nachspielzeit noch Rot. „Ich habe den Schiedsrichter Mixer mit W genannt.“ – Legendär!)

 

Einen ähnlichen Spielverlauf würden Bernd Hollerbach und die mehr als 8000 Hamburger Fans, die sich am Sonnabend auf den Weg in den Ruhrpott bestimmt auch kaufen. Es wäre nicht nur eine Schablone auf das Spiel 2002, sondern auch eine Schablone auf die ersten beiden Auftritte des aktuellen HSV unter ihrem neuen Trainer. Was Mut mache, wurde der Trainer heute in unterschiedlichen Fragestellungen immer wieder gefragt. Und es fiel in unterschiedlichen Varianten auch immer wieder der Begriff „Moral“. Moral gezeigt in den ersten beiden Spielen unter seiner Regie, und aus einem Rückstand noch ein Unentschieden gemacht. Moral gezeigt und nicht aufgegeben. Moral bewiesen und daraus Mut geschöpft. Vielleicht, so Hollerbach, bietet der BVB mit seiner offensiven Spielweise dem HSV mehr Räume als die unangenehmen Hannoveraner zuletzt. „Man hat immer seine Chancen, in jedem Spiel“, bemüht der Trainer einen Allgemeinplatz. „Wir müssen wie in Leipzig stabil stehen und trotzdem den Weg nach vorne finden. Unser Rucksack, den wir gegen Hannover auf dem Rücken hatten, war schon sehr schwer. Kann schon sein, dass es uns in Dortmund leichter fällt.“

 

Damit seine Mannschaft gut in Schuss ist, gab es heute zwei Trainingseinheiten. Eine am Vormittag, bei der allerdings gleich sieben Spieler fehlten. „Wer über 30 ist, bekommt in einer Woche mit zwei Doppelschichten einen Vormittag frei“, erklärte Hollerbach freimütig. In den Genuss dieses Privilegs kamen heute Mergim Mavraj, Aaron Hunt und Sejad Salihovic. Dazu fehlten Fiete Arp (Schule), Luca Waldschmidt (Ferse), Lewis Holtby (Grippe) und Kyriakos Papadopoulos (ging joggen, fehlt in Dortmund ohnehin Gelb-Rot-gesperrt). Dass einer der genannten, Sturm-Juwel Fiete Arp, dabei im Moment nicht besonders gut in Schuss ist, gab Hollerbach unumwunden zu. „Es ist gerade eine schwierige Situation mit Fiete. Er macht sein Abitur und war einige Zeit krank. Ich muss täglich schauen, wie es ihm geht, und mit ihm reden. Ich bin grundsätzlich sehr froh, dass wir ihn haben“, so der Trainer, der dann noch einmal ein Gepäckstück ins Spiel brachte. „Aber Fiete jetzt in unserer schwierigen Situation einen Rucksack aufzuschnallen, wäre nicht gut. Er wird in Dortmund dabei sein – ob von Anfang an, wird man sehen.“ Vermutlich nicht, lässt diese Aussage erahnen. Somit dürfte die Doppelspitze Wood/Kostic die Nase vorn haben. Dem US-Amerikaner Bobby Wood bescheinigte Hollerbach zuletzt gegen Hannover großen Einsatz, der Serbe Kostic sorgte mit seinen beiden Toren in Leipzig und gegen Hannover für die Glanzlichter des HSV unter Hollerbach.

 

Mit ziemlicher Sicherheit wird der Brasilianer Walace in Dortmund auflaufen. Nachdem weit und breit darüber spekuliert wurde, wann denn in Brasilien die Niederkunft seiner Freundin zu erwarten sei, stellte Bernd Hollerbach heute klar: „Stichtag ist erst in 18 Tagen.“ Mit anderen Worten: Wenn alles wie geplant läuft, könnte der Mittelfeldspieler bei den Spielen in Dortmund (Hollerbach: „Das ist safe!“), gegen Leverkusen und vielleicht sogar in Bremen dabei sein, ehe seine kleine Babypause beginnt. „Walace ist im Moment voll auf Fußball fokussiert“, versichert Hollerbach.

 

Kurz nach dem Trainer betrat vorhin der Vorstands-Vorsitzende Heribert Bruchhagen den Presseraum des Volksparkstadions. Gekonnt nahm er wie immer alle Fragen zu E-Mail-Affäre und Putschversuch auf, suggerierte Ruhe im HSV so gut es ging. Bruchhagen erläuterte, dass bei allen Bundesliga-Vereinen, die sportliche Probleme haben, nicht-sportliche Themen auf den Tisch kämen. „Bei den einen ist es die Debatte um Trainer oder Sportchef, bei anderen wird über Vorstand und Aufsichtsrat diskutiert.“ Diese Debatten seien Teil des Ganzen. Spezifische Probleme (Kritik von Aufsichtsrat Felix Goedhart, Verhältnis zu Finanz-Vorstand Frank Wettstein) wischte Bruchhagen nonchalant vom Tisch. „Mein Ziel ist es, dass wir wieder ausschließlich über Fußball sprechen.“

 

Zugegeben – das wird in den kommenden Wochen ein nicht zu erfüllender Wunsch sein. Nach dem Dortmund-Spiel ist nicht nur vor dem Leverkusen-Spiel – sondern auch die Woche vor der mit Spannung erwarteten Mitglieder-Versammlung in der „Kuppel“ in Bahrenfeld. Meier oder Hoffmann, das ist hier die Frage. Beide Protagonisten werden in den kommenden Tagen reichlich mediale Aufmerksamkeit bekommen – übrigens auch hier in der „Rautenperle“. NDR-Sportclub, Sky, diverse Tageszeitungen, diese Wahl wird uns stark beschäftigen bis zum 18. Februar. Und vielleicht sogar darüber hinaus, wenn ein möglicher Wahlsieger Hoffmann seine Ankündigungen wahrmacht und die Besetzung des gerade gewählten Aufsichtsrates zumindest in Frage stellt.

 

All dies wäre am Ende des Tages verhältnismäßig wenig Wert, wenn der HSV von Niederlage zu Niederlage eilt und am Ende absteigt. Bis es soweit ist, nimmt Bernd Hollerbach jede Gelegenheit wahr, um Zusammenhalt zu veranschaulichen. Auf die Frage nach seiner persönlichen Wahrnehmung des HSV-Gefühls in der Stadt sagte „Holler“: „Die Reaktionen sind vom ersten Tag an sehr positiv hier in Hamburg. Ich weiß, wie sich die Fans nach jahrelangem Abstiegskampf fühlen. Und ich weiß, dass uns jeder, der den HSV im Herzen trägt, unterstützt. Ich bin begeistert, wie die Leute uns unterstützen.“ Mehr als 8000 HSV-Fans werden es sein am Sonnabend in Dortmund. Und auch das Auswärtskontingent für das Auswärtsspiel in Bremen am 24. Februar ist schon ausverkauft.

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