Lars Pegelow

6. Januar 2019

Zum Abschluss tat es noch mal weh. Tempoläufe am Ende des zweiten Trainingstages für die HSV-Profis, die in drei Gruppen um den Platz rennen mussten. Dem einen oder anderen brannten die Beine, das sah man, aber so ist das nun mal in der Vorbereitung. In 24 Tagen startet Teil zwei der Mission Wiederaufstieg im Volkspark. Bis zum 30. Januar werden die Grundlagen geschaffen, damit am 19. Mai im Stadion nach der abschließenden Heimpartie gegen den MSV Duisburg gefeiert werden kann. Der HSV hat das Zeug, es zu schaffen, aber dafür müssen acht Bedingungen erfüllt werden.

 

Der HSV benötigt, erstens, das Selbstvertrauen eines Meisters. Im Laufe der Hinrunde hat das Team, insbesondere unter Hannes Wolf, Stabilität und Selbstsicherheit gewonnen. „Wir haben das Selbstvertrauen und die Überzeugung, dass wir am Wochenende entscheiden, ob wir die Spiele gewinnen“, sagt dazu Sport-Vorstand Ralf Becker. „Wenn wir unsere Job gut machen, wird es wahnsinnig schwer, uns zu besiegen.“ Drei Niederlagen haben sich die Hamburger in den ersten 18 Saisonspielen geleistet. Der HSV war in allen drei Spielen schludrig. Sowohl in den Partien gegen Holstein Kiel (0:3 und 1:3), und erst recht beim 0:5-Debakel gegen Regensburg. Auch einige andere Auftritte waren fehlerhaft, was sich erst im Laufe der Hinrunde gelegt hat. Da hat der HSV zeitweise seine Überlegenheit dauerhaft auf den Rasen gebracht und die Gegner dominiert. Dass viele Konkurrenten davon sprechen, der HSV sei sowieso der Top-Favorit auf den Aufstieg, mag manchmal taktisches Understatement sein. Doch am Ende kann sich Hannes Wolf mit seinem Team über intensives Training und souveräne Leistung selbst mit breiter Brust belohnen.

 

Dabei dürfen, zweitens, die richtigen Lehren aus den Fehlern nicht vergessen werden. Ausrutscher dürfen passieren – und werden vermutlich auch im Rest der Saison noch zu sehen sein. Die Niederlage in Kiel gilt allerdings als Paradebeispiel, wie es dauerhaft nicht gehen darf. Denn, bei allem Selbstvertrauen, der Grat hin zur Sorglosigkeit ist schmal. Ralf Becker: „Wir sind weit davon entfernt, überhebliche Themen rauszuhauen. Wir sind eine gute Truppe und ein großer Verein, aber unsere Ziele erreichen wir nicht, wenn wir große Töne spucken. Wir müssen unsere Leistung jede Woche abrufen.“ Becker weiter: „Wir predigen ja immer, dass uns in dieser Liga nichts geschenkt wird. Das wird bis zum Ende so bleiben.“ Gewinnen von Zweikämpfen, das Verhalten bei Standard-Situationen – das sind zwei Komponenten, die besser werden müssen. „Wenn es wieder los geht, müssen wir da anfangen, wo wir vor dem Kiel-Spiel aufgehört haben“, so Becker weiter.

 

Um die Leistungsbereitschaft hoch zu halten, muss – drittens – Druck aus der zweiten Reihe kommen. In den letzten Wochen des vergangenen Jahres hat der HSV mehr oder weniger mit einer Stamm-Elf gespielt. Veränderungen gab es lediglich punktuell durch kleinere Verletzungen oder Sperren. Das spricht im Prinzip für ein homogenes Team – für eine Mannschaft, die sich gefunden hat. Jedoch: Immer wieder müssen Impulse kommen. Durch Fiete Arp zum Beispiel, der den Stürmern Pierre Michel Lasogga und Hee Chan Hwang Dampf macht. Heute feiert Arp seinen 19. Geburtstag. Am Trainingsplatz gab es ein Ständchen von einigen Fans und sogar ein paar nette Präsente. Erstmals seit drei Jahren, berichtete der Stürmer, könne er seinen Geburtstag mal wieder mit der Familie verbringen, anstatt in irgendeinem Trainingslager zu sitzen. „Ich bin immer noch Jugend-Spieler eigentlich“, sagt Arp bescheiden. „Ich kann und muss im Training noch viel dazu lernen.“ Und mit dieser Einstellung will er sich heranpirschen an die Platzhalter. Wie schnell es gehen kann, hat Bakery Jatta gezeigt. Der Gambier hat sich mit guten Trainingsleistungen zuletzt seine Position auf der linken offensiven Seite ergattert. Durch Gideon Jung kommt zusätzliche Spielstärke in den Abwehrbereich. Dieser Konkurrenz-Kampf kann dem gesamten Team helfen.

 

Der HSV wird vermutlich relativ lang in der Saison nicht wissen, wohin die Reise definitiv geht. So gesehen muss Ralf Becker nötigenfalls bis in den Mai hinein zweigleisig planen. Dessen ungeachtet ist, viertens, personelle Klarheit wichtig. Natürlich: Die Spieler können nicht erwarten, dass sie im Februar unabhängig von der sportlichen Zukunft des HSV und der Beantwortung der Frage, ob es wieder in die Bundesliga geht, lukrative und langfristige Verträge vorgelegt bekommen. Dass der HSV auf Sicht sparen muss, ist das eine. Wenn Ralf Becker offen kommuniziert, wann er mit wem sprechen oder verhandeln möchte und/oder plausibel erklärt, warum Gespräche beispielsweise erst nach Saisonende geführt werden sollen, so sorgt dies für Klarheit. Auf der anderen Seite spricht nichts dagegen, Profis ligaunabhängig zu halten, wenn der HSV sie halten möchte. So wird es in den kommenden Wochen wohl mit Bakery Jatta geschehen. „Ich hätte nichts dagegen, wenn wir es bis zum ersten Spiel geklärt hätten“, sagte Ralf Becker. Hier steht also eine Vertrags-Verlängerung unmittelbar bevor. Was das Wintertransfer-Fenster angeht, bleibt es bei der ursprünglichen Ansage: Geplant ist eigentlich nichts. Becker: „Ich sehe uns sehr gut aufgestellt. Wir haben eine gute Truppe. Man sollte im Winter nur Dinge machen, wenn man eine große Notwendigkeit sieht. Die sehen wir im Moment nicht.“ Wobei er bis 31. Januar nichts ausschließen wolle, wie Becker hinterher schob.

 

In der Sommer-Vorbereitung hat es beim HSV nicht so gut geklappt mit dem Vermeiden von Verletzungen. Mit Gideon Jung, Kyriakos Papadopoulos (beide Knorpelschaden) und Jairo (Kreuzbandriss) sind drei schwere Fälle eingetreten. Um erfolgreich zu sein, benötigt der HSV, fünftens, wenige Verletzungen. Ein paar Wochen ohne Pierre Michel Lasogga gehen schon mal, aber wahrscheinlich nicht dauerhaft. In der Innenverteidigung wurde es gelegentlich recht eng, hier hat der HSV einige Male nur ganz knapp den Kopf über Wasser halten können. Bates, van Drongelen und Lacroix werden nun um Jung ergänzt. Leistungsträger wie Hunt, Mangala und Douglas Santos wären aber nur schwer zu ersetzen und ihr Ausfall würde den HSV schwächen. Wobei gerade die genannten drei die Vorrunde körperlich gut überstanden haben. Dennoch: Vor außergewöhnlichen Ereignissen ist keine Mannschaft gewappnet.

 

Ein guter Start würde, sechstens, zusätzlichen Rückenwind geben. Mit Sandhausen hat der HSV einen „guten“ Gegner zum Start. Geht diese Partie erfolgreich aus und meistert die Mannschaft anschließend auch ihre potentiellen Auswärts-Stolpersteine Bielefeld, Heidenheim und Regensburg, dann ist der Boden bereitet für den Durchmarsch. Vielleicht hilft dem HSV und seinem Umfeld auch noch das Erreichen des Viertelfinals im DFB-Pokal. Am 5. Februar kommt der 1. FC Nürnberg ins Volksparkstadion. Ein gutes Los im Achtelfinale, um sich selbst weiteren Schwung zu verschaffen.

 

Siebtens braucht der HSV Ruhe. Wer braucht das nicht? In Hamburg ist dieser Aspekt immer eine besondere Erwähnung wert, weil es in den Vorjahren damit oft nicht weit her war. Am 19. Januar steigt beispielsweise die Mitgliederversammlung. Der Termin ist insofern gut gewählt, weil er elf Tage vor dem ersten Punktspiel ist und sich eventueller Rauch bis zum Pflichtspiel-Start wieder verzogen haben könnte. Aber natürlich birgt die Präsidenten-Wahl Diskussionsstoff. Das Ergebnis dieser Wahl könnte ebenso wie der Verlauf der Veranstaltung ablenken oder anschieben. Im vergangenen Jahr war der enorm polarisierende Wahlkampf sowie die teilweise aggressive Stimmung auf der Versammlung, bei der Jens Meier und Bernd Hoffmann gegeneinander antraten, sicher kein Stimmungs-Trampolin für den HSV im Abstiegskampf. Ob es diesmal weniger hitzig hergeht? Und welche wirtschaftlichen Hiobs-Botschaften (Stadion-Sponsoring, Trikotsponsor, Fan-Anleihe) wird dieser HSV im Laufe der kommenden Monate verkraften müssen?

 

Am Ende des Tages benötigt ein Aufsteiger, achtens, Fortune. Im Fußball kann man sich Erfolge oder Misserfolge verdienen, doch gelegentlich spielt auch das Glück eine Rolle. Gerade wenn es Richtung Mai in der Tabelle eng werden oder – Gott bewahre – eine erneute Relegation auf den HSV zukommen sollte.

 

P.S.: Einen Fehler von gestern muss ich noch klarstellen. Der Vertrag von Kyriakos Papadopoulos endet erst 2020, nicht 2019.

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