Marcus Scholz

28. Juli 2019

Bibiana Steinhaus, was bitte machen Sie da? Die Schiedsrichter-Dame, heute als Video-Assistentin im Kölner Keller eingesetzt, übersah in der 25. Minute gleich einmal ein erkennbares Foulspiel. Darmstadts Patrick Herrmann hatte Leibold auf der linken Seite des Sechszehners (aus HSV-Sicht) zu Fall gebracht – Schiedsrichter Robert Hartmann aus Wangen aber entschied auf Abstoß – und Steinhaus stimmte offenbar zu. Zumindest wurde der erste und einzige Videobeweis der ersten Halbzeit gegen den HSV entschieden – fälschlicher Weise. Und fast wäre es am Ende ein ganz bitterer Auftakt geworden. Denn bis in die Nachspielzeit erzielten die Gäste  das einzige Tor des Tages, ehe vor 44.475 Zuschauern der HSV ausgleichen konnte. Und das mit einem sehr umstrittenen Elfer, den ich eher nicht gegeben hätte. Denn im Gegensatz zum Foul an Leibold hatte Darmstadts Dario Dumic hier erst den Ball und dann Wintzheimer getroffen. Aber Aaron Hunt war das egal. Er verwandelte sicher und scharf geschossen zum Ausgleich (90.+4) – und damit zum Endergebnis von 1:1.

Aber auch ohne diesen Elfer hätte der HSV in der ersten Hälfte schon (deutlich) in Führung gehen können, nein müssen. 61 Prozent Ballbesitz, 59 Prozent Zweikämpfe gewonnen, und vor allem: eine Passquote von 90 Prozent (die vor allen auf den starken Adrian Fein zurückzuführen  war) belegten die Dominanz des HSV, dessen Spiel an die ersten 45 Minuten der vergangenen Saison erinnerte. Damals verlor man am Ende mit 0:3 und auch heute hatte Darmstadt zwei, drei Konterszenen, die aus dem Nichts gefährlich zu werden drohten – aber in letzter Instanz abgewehrt werden konnten. Ansonsten: nur der HSV. Im wahrsten Sinne, denn mit Chancen fast im Minutentakt (3., 6., 9. 12.) sowie einer 100-Prozentigen in der 14. Minute, als der starke Dudziak seinen Achter-Partner Hunt im Sechzehner den Ball schön in den Lauf legte, war der HSV hier klar Herr der Geschehnisse. Weshalb sich Hunt diese Chance entgehen ließ – es wird sein Geheimnis bleiben.

Chancen en masse in der ersten Hälfte - und dann der Schock

Er schob den Ball mit seinem schwächeren rechten Fuß links am Tor vorbei. Und dann eben noch der vermeintliche Elfer – „normal muss die Mannschaft führen“, sagte auch Ex-HSVer Ailton in der neuen, außergewöhnlich unspektakulären Stadionshow in der Halbzeit und meinte auch die Chance von Dudziak, die Jatta und Hunt per Doppelpass eingeleitet hatten. Aber auch Dudziak verzog knapp – diesmal rechts vorbei. Und deshalb blieb es am Ende der ersten, guten 45 Minuten beim aus HSV-Sicht wenig zufriedenstellenden 0:0.

Wie beim letzten Auftritt gegen Darmstadt, der mit 2:3 verloren gegangen war, hatte der HSV hier alles im Griff. Und wie damals – allerdings nach 2:0-Führung - geriet man völlig unerwartet in Rückstand. 17 Sekunden in der zweiten Halbzeit dauerte das Spiel, als HSV-Keeper Daniel Heuer-Fernandes das erste Mal hinter sich greifen musste. Zunächst hatte er einen Dursun-Schuss noch abgewehrt. Allerdings nicht weit genug, denn so kam der gerade eingewechselte Tim Skarke im Nachschuss per Kopf zum 0:1 für die Darmstädter, wobei der bis hierhin schwächste HSVer, Jan Gyamerah, ganz schlecht (irgendwie gar nicht, er zog den Fuß eher zurück) verteidigte. Das 0:1 in der 46. Minute – ein Tiefschlag.

 

Hecking wechselt und stellt um - aber besser wurde es zunächst nicht

Und Anlass genug für Trainer Dieter Hecking zu wechseln. Er brachte Sonny Kittel für Bakery Jatta und David Kinsombi für den schwächer werdenden Dudziak. Und hätte Narey in der 65. Minute die schöne Kombination nach Pass von Hinterseer per Kopf quer auf Kittel gelegt, anstatt mit dem schwachen linken Fuß schwach abzuschließen – Heckings Wechsel hätte sofort auch im Ergebnis Wirkung gehabt. Aber Nareys Tag war es heute nicht. Nach vernünftiger erster Hälfte, war die zweite dann jedoch schwach. Übrigens ebenso wie bei seinem Kompagnon auf der rechten Seite, Jan Gyamerah, über 75 Minuten. Womit die rechte Seite leider zunehmend zum Komplettausfall mutierte und Gyamerahs Auswechslung in der 75. Minute (für ihn kam Wintzheimer) nur logisch war.

Hecking stellte um. Hinterseer  und Wintzheimer waren offensiv in der Spitze, gegen den Ball rückte Hinterseer rechts raus und Narey auf die Rechtsverteidigerposition – aber Chancen kreierten sich die HSV-Profis nicht mehr. Darmstadt stand tief und sicher, spielte auf Zeit – und machte das clever gegen jetzt zunehmend einfallsloser spielende Gastgeber. Kittel versuchte es zwar immer wieder, auch aus der zweiten Reihe. Aber erfolglos, während während Kinsombi noch nicht fit wirkt. Und so kam es, wie es kommen musste, um hier wenigstens den einen Punkt mitzunehmen: der Videobeweis entschied. Sehr zum Ärger der Darmstädter, bei denen sich Trainer Grammozis gar nicht mehr beruhigen wollte.

 

Ein umstrittener Elfer führt zum 1:1 - glücklich, aber nicht unverdient

Am Ende war es ein im Zustandekommen sicher glücklicher, aber über 90 Minuten gesehen - spielerisch gesehen - sicher nicht unverdienter Punkt für den HSV in einem Spiel, in dem der Videobeweis mal wieder keine Werbung für sich machen konnte.  Aber auch der HSV zeigte alte Schwächen. Im Kreieren von Torchancen sicher weniger als im Verwerten. Aber wie schnell man selbst gegen krass unterlegene Mannschaften den Sieg verschenken oder gar verlieren kann, haben alle heute vor Augen geführt bekommen. Und allein dieses Spiel dürfte die Entscheidenden beim HSV sicher noch mal überzeugt haben, für ganz vorn noch einmal nachzulegen, nachdem vor dem Spiel die Verpflichtung von Arsenal-Talent Xavier Ameachi bekanntgegeben wurde.

Der Außenstürmer unterschrieb beim HSV für vier Jahre. Ein Umstand, der für Jan Gyamerah ein Wink mit dem Zaunpfahl sein könnte. Denn Ameachi („Ametschi“ soll er ausgesprochen werden, sagt Sportvorstand Jonas Boldt), der auch Rechtsaußen spielen kann, könnte dafür sorgen, dass schon beim nächsten Spiel in Nürnberg  Narey als Rechtsverteidiger und er dafür auf dessen offensiver Außenposition aufläuft. Kleine Anekdote zum Ameachi: Eigentlich sollte er schon am Freitag nach Hamburg kommen, aber „dann sind alle Flüge ausgefallen“, sagte Boldt in den Katakomben des Volksparkstadions: „Er ist dann gemeinsam mit seinem Vater nach Hamburg gefahren.“ Auch Dieter Hecking lobte diese Aktion: „Das zeigt seine Einstellung zum HSV.“ Dann wäre Gyamerah, der ohne Gotuku Sakai (soll verkauft werden, war nicht einmal im Kader) und dem schwach trainierenden Josha Vagnoman (nicht im Kader) bislang nahezu konkurrenzlos war, auf die Bank rotiert.

 

In diesem Sonne, bis morgen.

Scholle

 

Das Spiel im Stenogramm:

HSV: Heuer Fernandes - Gyamerah (77. Wintzheimer), Papadopoulos, van Drongelen, Leibold - Fein - Dudziak (64. Kinsombi), Hunt - Narey, Jatta (64. Kittel) - Hinterseer

SV Darmstadt 98: Schuhen - Herrmann (68. Egbo), Dumic, Höhn, Holland - Palsson, Stark - Heller, Schnellhardt (46. Skarke), Mehlem - Dursun (81. Kempe)

Tore: 0:1 Skarke (46.), 1:1 Hunt (90.+8)

Zuschauer: 44.475 

Schiedsrichter: Robert Hartmann (Wangen)

Gelbe Karten: 83. Hinterseer, 85. Papadopoulos / 44. Herrmann, 62. Dumic, 72. Mehlem, 90. Schuhen

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