Marcus Scholz

7. Januar 2018

Die Antwort war kurz und klar. „Ja.“ Und die Frage dazu vorweg war: Werden Sie gegen den SC Freiburg schon die Elf bringen, die sie im Moment als erste Wahl ansehen? Insofern überraschte es dann doch schon, dass heute gegen den SC Freiburg Bobby Wood hinter Jann-Fiete Arp begann, während Aaron Hunt nur auf der Bank saß. Dass zudem Vasilije Janjicic neben Albin Ekdal auf der Doppelsechs begann – okay, das lag an der Blessur von Gideon Jung. Ansonsten scheint sich Gisdol derzeit bei der Frage nach dem Rechtsaußen auf Andre Hahn festgelegt zuhaben, während die Torwartposition auch nach dem heutigen Spiel trotz guter Szenen von Pollersbeck beim 1:1 vor 300 Zuschauern am Fuße des Felsen von Gibraltar noch offen sein dürfte. Aber der Reihe nach:

Gerade einmal zwei Minuten und sechs Sekunden dauerte es, bis Julian Pollersbeck den ersten Ball halten musste. Und das meisterte er problemlos. Nur knappe zwei Minuten später brachte ihn Mergim Mavraj mit einem zu kurz geratenen Rückpass in Schwierigkeiten. Allerdings war der Pass etwas länger als der von Papadopoulos am Donnerstag vor dem 1:1 auf Mathenia, zudem reagierte Pollersbeck schneller als Mathenia und schoss den Ball sicherheitshalber ins Seitenaus. Insofern: Guter Beginn für Pollersbeck in einem absolut nicht guten Spiel. Im Gegenteil: Der HSV begann zweikampforientiert, dafür weniger ballorientiert. Mergim Mavraj produzierte weiter Böcke und nach Pollersbeck (7.) bügelte Papadopoulos (8.) selbige aus. Der HSV? Fand nur im Mittelfeld statt, ohne hier eine zündende Idee zu entwickeln, geschweige denn umzusetzen. Auch deshalb ging es immer wieder dahin über, den Ball hinten aus der Abwehr übers Mittelfeld in den nicht präsenten Angriff zu schlagen. Nicht schön das Ganze. Auch von Freiburg natürlich. Der Kampf gegen den Ball war primär – das Spiel mit dem Ball Nebensache. Devise: Hauptsache kein Gegentor, Rest ist erst mal egal. Und das Vorhaben schien zur Halbzeit gelungen – 0:0.

Mein Highlight bis hierhin (neben dem Ambiente) war übrigens Freiburgs Trainer Christian Streich vor dem Spiel. Denn der absolvierte höchstpersönlich ein Aufwärmprogramm mit Dehnübungen, die mir schon beim Zusehen weh taten und deren Ausführung mir höchsten Respekt abringen. Selten habe ich einen so biegsamen Bundesligatrainer gesehen...

Aber zurück zum Spiel, das zunächst nicht schöner wurde. Der HSV spielt aktuell eher Karo einfach. Mehr scheint nicht drin zu sein. „Wir dürfen uns nicht in Schönheit verlieren, sondern müssen wieder effektiv spielen“, hatte Gisdol zu Beginn des Trainingslagers gefordert. Und genau das setzt die Mannschaft hier um. Keine Ballpassagen, kein Pass in die Spitze – nichts nach vorn eigentlich. Und deshalb nahm Gisdol in der zweiten Hälfte auch Arp vom Platz. Er war schlichtweg überflüssig. Stattdessen durften sich Andre Hahn und Bobby Wood im Wechsel im Sturmzentrum versuchen, während Gotoku Sakai den wieder angeschlagenen Albin Ekdal ersetzte und Sejad Salihovic auf die Position hinter den Spitzen.

Die erste Torchance des Spiels hatte in der 60. (!!!!) Minute dann – der SC Freiburg. Wenig überraschend nach einem Fehler des HSV, wo wieder Mergim Mavraj einen Fehlpass spielte und Freiburgs Angreifer Nils Petersen plötzlich auf Pollersbeck zulief. Petersen scheiterte (noch leicht gestört von Gotoku Sakai) an dem herausstürmenden Pollersbeck (60.). Und nachdem Aaron Hunt (in der 63. für Wood) und Rick van Drongelen (für Mavraj) gekommen waren, kam auch der HSV seinerseits zu der ersten echten Torchance, die er auch gleich nutzte. Nach einer Ecke des ebenfalls eingewechselten Sejad Salihovic bekommt Papadopoulos den Ball, nimmt ihn mit dem Oberschenkel an und verwandelt aus sieben Metern mit links – das 1:0 (68.) flach ins rechte, untere Eck. Die etwas überraschende Führung.

Aber das bis hierhin schwache Spiel wurde jetzt zumindest interessanter. In der 71. Minute hatte Pollersbeck wieder die Chance, Werbung in eigener Sache zu machen, als Bartosz Kapustka plötzlich frei vor ihm auftauchte. Pollersbeck zögerte zwar eine Moment, schmiss sich dann aber gekonnt in den Ball und wehrte diesen ab. Und mit dieser zweiten Aktion hatte er schon mehr Aktionen, als Mathenia im ganzen Spiel gegen die im Vergleich mit Freiburg offensiv noch schwächeren Spanier am Donnerstag. Und dennoch kamen die Freiburger zum Ausgleich.

Ausgerechnet der nach Ito kleinste Spieler auf dem Platz traf per Kopf, nachdem sich Santos bei einer Grätsche verschätzt hatte und der Freiburger Lukas Kübler den Ball unbehindert auf den Kopf von Amir Abrashi flanken konnte (86.) und Pollersbeck chancenlos ließ – das 1:1. „Wir haben ein gutes Spiel gemacht“, sagte Papadopoulos und schien von seinem Tor ein wenig euphorisiert. Aber er relativierte schnell: „Wir waren besser als Freiburg.“ Ob er sich besonders viel vorgenommen hätte? Immerhin kommandiert er 90 Minuten durchgehend lautstark. „Es gibt keinen Spaß mehr, wir müssen Punkte holen, deshalb versuche ich immer, alle wachzuhalten.“ Na dann.

Jens Todt war nicht ganz so euphorisiert wie Papadopoulos. „Es war ein zäher Test in den ersten 60 Minuten“, konstatierte der Sportchef nach dem Spiel, „aber am Ende hätten wir das Spiel nicht nur gern gewonnen, wir hätten es auch gewinnen können.“ Ob das Spiel in Sachen Torwartfrage einen Aufschluss gegeben hätte? „Wenn, dann den, dass sich beide Torhüter sehr gut präsentiert haben. Julian hatte heute ein, zwei Eins-gegen-Eins-Aktionen, die er gut gemeistert hat“, so der Sportchef, der sich allerdings nicht darauf festlegen wollte, wer jetzt den Kampf um die Nummer eins gewonnen habe. Und ehrlich gesagt, kann man das nach diesen beiden aus Torhütersicht kaum vergleichbaren Testspielen auch nicht. Und dennoch muss sich Trainer Markus Gisdol bis nächsten Sonnabend spätestens entscheiden.

Wie Ihr im Interview hören könnt, war dagegen Sejad Salihovic tatsächlich ei belebendes Element in den beiden Testspielen und den Trainingseinheiten. Der Bosnier scheint seine (letzte) Chance auf Bundesligafußball noch mal unbedingt ergreifen zu wollen. Zusammen mit Hunt belebte er heute in der zweiten Halbzeit die Kreativzentrale. Oder besser gesagt: Er weckte sie überhaupt erst auf. Dennoch hat der HSV gerade im offensiven Bereich noch dringenden Handlungsbedarf. Ob noch was passiert? Todt: Die Chancen sind 50:50, jeden Tag kann sich das aber ändern.“

Ich hoffe es sehr. Weiterhin.

Und ich melde mich morgen vor dem Abflug noch mal bei Euch mit einem Blog, den ich nach der Rückkehr nach Hamburg ergänzen werde. Anbei noch der letzte Tagebucheintrag von dennis Diekmeier, den ich wieder direkt nach Spielende mit ihm am Mannschaftsbus aufgenommen habe, da es ansonsten (nach Rückreiese, Abendbrot, Behandlung) zu spät geworden wäre.

 

Bis dahin,

Scholle

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