Marcus Scholz

14. Januar 2019

Das Schlechteste am heutigen Tag? Es war für mich nicht das 0:3 des HSV gegen den FC St. Gallen. Obwohl das Spiel wirklich schon sehr hart anzusehen war... Nein, vielmehr kam die schlechteste Nachricht des Tages heute aus Hamburg: Ex-HSV-Profi und zuletzt Übergangstrainer sowie Talentbetreuer Marinus Bester -  mehr HSV-Pathos in einer Person gibt es wahrscheinlich im gesamten HSV nicht - verlässt seinen Herzensklub. Auf eigenen Wunsch und einvernehmlich, wie mir auch von ihm versichert wurde. Das bedeutet, der Mann, der dem HSV 2000/2001 mit seinem Tor gegen Hansa Rostock in der Nachspielzeit den Klassenerhalt sicherte und den damaligen Trainer Frank Pagelsdorf zum Weinen brachte, der gegen den FC St. Pauli beim Torjubel für den Lüneburger SK sein Trikot hochzog und die Raute (und noch mehr) präsentierte, verlässt den HSV nach nunmehr 20 Jahren als Mitarbeiter auf allen Ebenen. Bis zum 31. Januar läuft der Arbeitsvertrag des am Mittwoch 50 Jahre jung werdenden HSVer noch - danach ist Schluss. Und obgleich mich diese Nachricht wirklich traurig stimmt, wünsche ich Marinus auch von dieser Stelle aus nur das Allerbeste. Er wird hier fehlen. Und das ganz sicher nicht nur mir.

Aber zurück nach La Manga, wo es heute zwar sehr schönes Wetter und beste Rasenbedingungen zu bestaunen gab, allerdings auch ein Fußballspiel, das absolut gar keinen Grund zur Freude gab. Im Gegenteil. Auf die Frage, was er denn Positives aus dem Spiel mitnehmen könne, antwortete Wolf  (siehe auch das Video dazu) nach langem Überlegen und einem Tipp eines Kollegen: „Ja, das stimmt: Dass es keine Verletzten auf unserer Seite gab. Das sah bei den Schweizern schon übel aus“, so Wolf direkt nach Schlusspfiff des 0:3 im ersten Testspiel 2019 gegen den FC St. Gallen. Ein Spiel, in dem Wolf sehr viel probierte - und nichts dabei gewann. Abgesehen natürlich von unzähligen Eindrücken, was man alles nicht von dieser Mannschaft erwarten kann und was abgestellt werden muss, womit Wolf dann doch noch einen zweiten "positiven" Aspekt fand.

Wir hatten gestern gesagt, wir würden Euch heute den Zusammenschnitt der besten Szenen zur Verfügung stellen. Aber: Den wird es nicht geben, denn es gab nicht eine einzige gute Szene auf HSV-Seite. Vielmehr ging der Versuch von Wolf, mit einer Dreierkette zu spielen, komplett in die Hose. David Bates nahm dabei in der ersten Halbzeit eine tragende Rolle ein, indem er zwei Tore maßgeblich mitverschuldete. Erst konnte er einen Ball an der Außenlinie nicht ordentlich annehmen, ließ ihn prallen und eröffnete dem schnellen Schweizer Dereck Kutese die große Konterchance. Und der Schweizer nutzte sie, indem er auch noch Gideon Jung ausspielte und den Ball gekonnt ins lange Eck schlenzte. Tom Mickel, der den angeschlagenen (und daher geschonten) Julian Pollersbeck ersetzte, war zwar noch mit den Fingerspitzen dran, konnte den Rückstand aber nicht verhindern (24.).

 

Bis hierhin hatte der HSV viel Ballbesitz, kam immer bis kurz hinter die Mittellinie. Aber hier war dann Schluss. Pässe in die Spitze, die in der ersten Halbzeit Forte Arp bekleidete, gab es nicht. Einmal kam der Ball an - allerdings verstolperte Arp ihn. Und statt den Ausgleich zu erzielen, mussten die Hamburger noch vor der Halbzeit das 0:2 hinnehmen. David Bates hatte einen Schweizer unmittelbar an der Sechzehnmeterraumgrenze gefoult. Zentral vor dem Tor des HSV lief Jodie Quintilla an - und schoss den Ball unter der Mauer hindurch (39.). Das 2:0 für den FC St. Gallen - ein Treffer mit Slapstick-Faktor. Und das, obwohl vorher angesagt war, dass die HSV-Spieler in der Mauer stehen bleiben und eben nicht hochspringen sollen. Wobei, ganz genau genommen sprang nur einer hoch, wie ihr im Video mit Tom Mickel sehen könnt - nämlich David Bates, der sich dafür auch Kritik der Kollegen gefallen musste.

Allerdings muss man festhalten, dass es längst nicht an Bates allein lag. Im Gegenteil: Mit Gideon Jung und Patric Pfeiffer bildete der Schotte die Dreierkette, die nicht funktionierte. Douglas Santos und Khaled Narey rückten im Defensivverbund in eine Fünferkette und bei Offensivaktionen vor ins Mittelfeld, wo Gotoku Sakai in der ersteh Hälfte als Sechser agierte und Lewis Holtby die Rolle von Aaron Hunt einnahm, ohne diesen auch nur annähernd ersetzen zu können. Im Gegenteil: Wenn das Spiel heute eine personelle Erkenntnis mit sich brachte, dann die, dass dem HSV ohne Aaron Hunt den Fixpunkt im Aufbau- und Offensivspiel fehlt. Null Kreativität, kein Pass in die Spitze und zu viele Ballverluste in de gegnerischen Hälfte - und das wurde auch in der zweiten Halbzeit nicht besser.

HSV 1. Halbzeit: Mickel - Bates, Jung, Pfeiffer - Narey, Moritz, Sakai, Santos, Vagnoman - Holtby - Arp.

In der zweiten Halbzeit brachte Wolf elf Neue. Sportlich betrachtet völlig zurecht, könnte man sagen. Allerdings war das in diesem Fall eh geplant und keine Reaktion auf die schwache erste Hälfte. Mit Leo Lacroix als zentralen Abwehrspieler, Jonas David rechts und - Matti Steinmann links hinten. Eine Aufstellung, die die Schweizer schnell entschlüsselt hatte und immer wieder mit Tempo auf Steinmann losgingen bzw. über die linke HSV-Seite Angriffe fuhren. Was der HSV offensiv zustande brachte? Nichts. Wirklich nichts. Dass Wolf im Anschluss zwei, drei Flankenläufe als Ansätze von Offensivaktionen bezeichnete, war schon sehr wohlwollend. Dass die Flanken nicht kamen, hatte sich allerdings schon am Vormittag im Training angedeutet...

 

Aber man konnte Wolf auch deutlich ansehen, dass er alles andere als zufrieden war. „Mal sehen, ob es beim freien Tag bleibt“, sagte Tom Mickel (das Tagebuch-Video wird gerade hochgeladen) anschließend - aber Wolf hatte bereits klargemacht, dass er die Pause am Dienstag schon aus sportphysiologischen Gründen definitiv beibehalten will. Ergo: Am Vormittag wird noch einmal eine härtere Einheit auf dem Plan stehen, anschließend geht es erst am Mittwochnachmittag weiter. Zeit genug für die Spieler, sich zu erholen - und das Spiel noch einmal aufzuarbeiten. Szenen, die Fehler von ihnen aufzeigen, gibt es für jeden Spieler zu finden. Also abgesehen von Pollersbeck und Rick van Drongelen. Letztgenannter fehlte übrigens wegen muskulärer Probleme.

HSV 2. Hz.: Behrens – David, Lacroix, Steinmann – Ito, Mangala, Janjicic, Jatta, Opoku – Wintzheimer, Lasogga

Hier das Spiel noch mal zum Nachsehen in voller Länge:

Fazit: Die Dreierkette ist definitiv noch keine echte Option. Hannes Wolf erklärte im Anschluss auch dementsprechend zurückhaltend, dass man sich diese Option eher als Reaktion auf verschiedene Spielverläufe und Gegner aneignen wolle.  Und das spätestens seit diesem 0:3 in dem sicheren Wissen, dass der Weg dahin noch sehr lang ist. Zudem wurde deutlich, dass Gideon Jung (verständlicherweise) noch Zeit braucht, um sich nach dem halben Jahr Pause inklusive schwerwiegender Knorpel-Operation wieder zu akklimatisieren. In der Innenverteidigung machte derweil Lacroix tatsächlich den besseren Eindruck. Im Mittelfeld wirkte Sakai auf der Sechs in den ersten 20 Minuten sehr ballsicher und aktiv, ehe er wegbrach, zu viele Bälle leicht verlor, Fehlpässe spielte und zum Spielaufaufbau nichts beitragen konnte. Insgesamt - und das schließt die zweite Halbzeit mit ein, litt das HSV-Spiel heute wieder unter dem alten Problem, offensiv zu wenig Ideen geschweige denn Lösungen anbieten zu können. Arp und Lasogga in der Spitze blieben auf jeden Fall die Akteure mit den wenigsten Ballkontakten von allen.

 

Letztlich war es ein Spiel, das nur ein Gutes hat: Hannes Wolf hat eine ganze Menge Spielszenen, die zeigen, woran genau der HSV noch arbeiten muss.  Auch von den jungen Nachwuchskräften, von denen Patric Pfeiffer und Jonas David mit unspektakulären aber soliden Leistungen noch angemessen abschnitten, während Keeper Behrens beim schönsten Tor des Tages, dem 3:0 per 18-Meter-Hammer in den Winkel von Tranquillo Barnetta (59.) chancenlos war. Josha Vagnoman, Fiete Arp und Aaron Opoku wussten ihre Chancen, sich zu präsentieren, derweil nicht zu nutzen. Und auch das untermauerte noch einmal den Verdacht, dass der HSV hoffen muss, von schwerwiegenden Ausfällen seiner Leistungsträger aus der ersten Elf verschont zu bleiben. In der Breite hat dieser HSV auf jeden Fall Probleme, das Niveau eines Tabellenführers bzw. zumindest das eines Aufstiegsfavoriten zu halten.

 

In diesem Sinne, bis morgen. Da melde ich mich natürlich zunächst um 7:30 Uhr mit dem MorningCall bei Euch, ehe es am Abend das Tagebuch mit Tom Mickel und natürlich den Tagesblog gibt. Bis dahin Euch allen einen schönen Abend,

Scholle

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