Marcus Scholz

21. Januar 2018

Bernd Hollerbach wird es. Am Montag soll der einst so rustikale Verteidiger einen Vertrag bis Sommer 2019 unterschreiben. Das ist also die „lustige Überraschung“, die mir heute früh angekündigt wurde. Wobei das mit dem „lustig“ jetzt auch verstanden habe. Denn während alle Kollegen und auch ich immer wieder den Namen Felix Magath in die Runde geworfen haben, wird es nun dessen Ziehsohn auf Fußballtrainer-Ebene. Und ich hoffe, dass sich das Ganze am Ende nicht als schlechter Scherz entpuppt, sondern dem HSV noch einmal die Impulse gibt, die er benötigt, um den harten Kampf gegen den Abstieg wider alle Erwartungen zu schaffen.

Um 9.42 Uhr habe ich unmittelbar vor meinem deutlich verspäteten Abflug die Textnachricht bekommen, dass es auf Bernd Hollerbach hinauslaufen würde. Dazu bekam ich als Tipp noch die Nebelbombe Horst Hrubesch als weitere Option. Allerdings konnte ich die aus vorangegangenen Gesprächen ausschließen. Zudem war, wie ich im Zuge dessen erfuhr, schon seit einigen Tagen klar, dass der ehemalige Linksverteidiger des HSV der Nachfolger vom heute Morgen entlassenen Markus Gisdol wird. Aber: Dass man es dennoch nicht schafft, an einem Tag den einen Trainer zu beurlauben und den nächsten zu installieren – HSV-Style. Formelle Dinge galt es noch abzuklären, hieß es von Seiten des HSV-Vorstandsbosses Heribert Bruchhagen heute. Aber wie gesagt, nachdem er vorweggeschickt hatte, dass man sich schon im Laufe der vergangenen Woche auf den Fall einer Trainerbeurlaubung nach dem Köln-Spiel vorbereitet hatte.

Womit ich wieder bei meinem Kernvorwurf an alle Beteiligten (Gisdol ausgenommen) bin: Wie kann man schon einen zweiten Trainer auf seinen neuen HSV-Job vorbereiten und dennoch den alten Trainer noch ein so eminent wichtiges Spiel wie das gegen Köln leiten lassen? Warum entlässt man Gisdol nicht in dem Moment, wo die Zweifel derart groß sind sofort, um weder Zeit noch unnötig Punkte zu verlieren? Warum opfert man die Punkte gegen einen direkten Mitabstiegskandidaten wie Köln so fahrlässig? Und vor allem, was wäre passiert, wenn Gisdol gewonnen hätte?? Dann hätte der HSV ein Dilemma gehabt.

Nein, ich hatte es vor ein paar Tagen geschrieben und bleibe dabei: Dieser HSV ist planlos – auf allen Ebenen. Und damit meine ich nicht Hollerbach, den ich als Spieler für seinen Ehrgeiz und seine Disziplin außergewöhnlich geschätzt habe. Im Gegenteil: Er verdient eine faire Chance. Aber wenn ich mir Hollerbachs Vorzüge ansehe, wundere ich mich schon. Denn wenn diese HSV-Mannschaft eines kann, dann laufen und kämpfen. Der Einsatz war nie das Problem. Stattdessen fehlt dem HSV die spielerische Qualität – auch personell – sowie Effizienz im Angriff. Und ob der als Spieler eher robust zu Werke gehende, knallharte Linksfuß darin seine erste Kompetenz hat – zumindest  fraglich.

Aber gut, es ging auch darum, einen Trainer zu finden, der dieser Mannschaft neues Leben einhauchen kann. Und diesen Effekt dürfte schon allein der Trainerwechsel haben...

Dennoch, das grundlegende Problem des HSV im Moment löst es nicht. Denn dieser Mannschaft – da bin ich mir immer sicherer – fehlt die sportliche Qualität. Der HSV hat wohlwollend formuliert eine halbwegs gute erste Elf. Mehr leider nicht. Und diese Elf verträgt keine Verletzungen und andere Ausfälle, ohne eben in diese Abstiegs-Sphären der Tabelle zu rutschen. Die verletzten bzw. kranken Ekdal, Müller und Arp sowie die Dauerausfälle Wood, Holtby und Mavraj sind schon zu viel für diese fragile Mannschaft. Das fängt sie nicht auf, womit wir zu der Frage kommen, wer für diesen Kader verantwortlich ist. Und die erste, unbestritten richtige Antwort lautet: Jens Todt. Aber der darf im Gegensatz zu Gisdol noch bleiben, wobei Bruchhagen heute schon andeutete, dass man den aktuellen Tabellenstand auch an Fehlern in der Kaderplanung festmache...

Dass diese Planung ob der Finanzlage gar nicht möglich ist, ohne sich weiter zu klein zu machen – klar. Denn Klaus Michael Kühne hat keinerlei Vertrauen in die Künste der aktuellen (sportlichen) HSV-Führung. Weder in Bruchhagen noch Todt. Der HSV-Mäzen und Investor scheint einzig auf die Tipps seines engsten Vertrauten Volker Struth zu hören, der jüngst den gestrigen Doppeltorschützen und HSV-Bezwinger Simon Terodde zum 1. FC Köln brachte. Wissend, dass man in Hamburg händeringend nach einem Knipser sucht. Aber okay, Struths Aufgabe ist es nicht, den HSV erfolgreich zu machen. Zudem scheint es zwischen dem eigenwilligen, mächtigen Berater (hat sieben Spieler beim HSV unter Vertrag) atmosphärische Störungen zu geben. So ist zu hören, dass die Vertragsverlängerung von Wood und die Verpflichtung von Andre Hahn voneinander abhängig gemacht worden seien. Kurzum: Der HSV hat sich erpressen lassen. Oder bestechen lassen? Urteilt selbst. Egal wie, es ist aus heutiger Sicht unfassbar. Denn weder das/der Eine noch das/der Andere konnten dem HSV nachhaltig helfen...

Aber das ist nicht die einzige seltsame Entscheidung gewesen, auch heute nicht. Denn wie man in eine kurze Wintervorbereitung gehen kann mit einem Trainer, den man angezählt hat, dessen Training man im Trainingslager schon kritisch beäugt und den man in der Form in Frage stellt, dass man parallel Ersatz sucht, das erschließt sich mir nicht. Denn dieser HSV hat nichts zu verschenken. Weder Zeit noch Punkte. Mit neuen Impulsen, also Trainerwechsel und neue Spieler, hätte man der Mannschaft in der Winterpause etwas Auftrieb geben können und in den ersten zwei Spielen der Rückrunde gegen zwei wirklich nicht starke Mannschaften ganz sicher mehr erreicht.

Aber das Schlimmste wäre, wenn stimmt, was mir heute gesagt wurde. Denn demnach steht auch Jens Todt unmittelbar vor dem Aus. Das ist angesichts der Bilanz seiner letzten 12 Monate sicher zu argumentieren. Aber dass er dann trotzdem  die nächsten Wochen noch derjenige sein soll, der die wichtigen Neuzugänge findet und mit Verträgen ausstattet – schwierig. Denn was passiert, wenn es wirklich so kommt und wenn der nächste Sportchef ganz andere Vorstellungen hat? Haben wir dann die nächsten Walace’s? Soll heißen: Die wichtigen Neuzugänge werden noch von dem Mann verpflichtet, dessen Abschied intern schon diskutiert wurde und weiter diskutiert wird. Ein Déjà-vu wie bei Gisdol im Winter – und ein Indiz dafür, dass sie einfach nicht aus ihren Fehlern lernen...

Aber zurück zum Neuen: Neu ist, dass morgen um 15 Uhr Bernd Hollerbach auf dem Trainingsplatz stehen wird. Nicht Felix Magaht. Wobei, vielleicht sehen wir Magath ja schon sehr zetnah in anderer Funktion als neuer Sportchef. Zumal alles, was anders ist als jetzt, tendenziell erst einmal positiv bewertet wird. Und das nicht zu Unrecht. Denn viel schlechter konnte es tatsächlich nicht werden. Und dennoch warne ich davor, dass man den Moment der Veränderungen jetzt nicht einfach nur umbesetzt, um eine neue Besetzung zu haben. Nein, wenn man diese wichtigen Positionen diskutiert, dann sollte man endlich mal einen langfristigen Plan konzipieren und ihn rigoros durchsetzen. Gern auch mit Hollerbach als Retter Nummer vier nach Slomka, Labbadia und Gisdol in den letzten vier Jahren. Insofern: Herzlich Willkommen zurück, Holler!

 

Bis morgen!

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