Marcus Scholz

11. November 2017

Na dann mal gut, dass ich doch nicht hingefahren bin. Mit 1:4 hat die U21 heute bei Eintracht Braunschweig verloren. Gegen die U23 des Zweitligisten riss somit die Serie von 15 Spielen in Folge ohne Niederlage, was zweifellos sehr schade ist. Aber es ist nicht schlimm. Denn parallel kam der erste Verfolger, Weiche-Flensburg, gegen Eutin nicht über ein 1:1 hinaus und bleibt somit (bei einem Spiel weniger) mit sechs Punkten Rückstand zurück. Also: Noch ist die U21 auf gutem Kurs und ich bin mir sicher, dass sich die Mannschaft von Trainer Christian Titz schnell von dieser Niederlage erholen wird. Immerhin kann der HSV-Nachwuchs schon am kommenden Sonnabend (13 Uhr, Wolfgang-Meyer-Sportanlage) den Abstand auf Weiche direkt wieder um drei Punkte erweitern - denn die Flensburger sind dann hier zu Gast.

Zudem wird in dem Top-Spiel sicher auch wieder der eine oder andere Spieler aus dem Profikader dazustoßen, was heute nicht der Fall war. Die U21 musste heute ohne „Hilfe von oben“ auskommen, obgleich die Profis frei haben – und der eine oder andere gern spielen würde. Und dabei spreche ich nicht nur von den jungen Talenten wie Jatta, Ito, Pollersbeck und Co., sondern auch von einem Spieler, der sich seit längerer Zeit um Spielminuten bei der U21 bemüht hat, der aber nicht darf: Lewis Holtby. Der Linksfuß hätte heute zwar eh krank passen müssen, aber in den letzten Wochen hatte er immer wieder darum gebeten, sich im Nachwuchsteam Spielpraxis zu holen.

„Es wäre der falsche Weg“, so HSV-Trainer Markus Gisdol zu mir, „wir wollen nicht unseren Talenten den Platz nehmen, sich zu entwickeln. Wir wollen von unten nach oben ausbilden und nicht von oben nach unten.“ Zudem fürchtete der HSV schlechte Presse, wenn ein gestandener Profi wie Holtby in der Bundesliga auf der Bank oder der Tribüne sitzt, um anschließend U21 zu spielen. Immerhin gilt Holtby noch immer als Topverdiener. Und ohne eine vorangegangene längere Verletzungspause oder sonstige vorschiebbare Gründe unten bei der U21 – dieses Echo wollten sich die HSV-Verantwortlichen ersparen. „Die Aufmerksamkeit der Mannschaft liegt in sich, in der Ausbildung der vielen tollen Talente. Das wollen wir nicht ändern und schon gar nicht stören“, spricht Gisdol die Reaktionen der verschiedenen Medien an. Und damit hat er tatsächlich Recht. Plötzlich wäre die Aufmerksamkeit der äußerst erfolgreichen U21 Lewis Holtby gerichtet – ein solches Theater drumherum könnte ablenken.

Allerdings muss man hier an dieser Stelle einmal eine Lanze für Holtby brechen, der etwas macht, wofür sich der absolut überwiegende Teil der arrivierten Profis zu schade wäre: Er würde einen Schritt rückwärts gehen, um so anschließend wieder zwei vorwärts zu kommen. Ein ganz wesentlicher Grund für diese Bereitschaft ist sicher der Trainer der U21, Christian Titz. Denn der war in den letzten Jahren immer auch Holtbys persönlicher Trainer. Man kennt sich also. Sogar in- und auswendig. Nichtsdestotrotz finde ich die Aktion beachtenswert. Sie spricht für Holtby, der bei aller verdienter Kritik immer ein absoluter Teamplayer war und ist. Man muss ihn ja nicht mögen. Weder seine Spielart, noch seinen Habitus. Auch mir ist er in den letzten Jahren zu sehr mit Anfeuerungen und ineffizientem Spiel denn durch sportliche Topleistungen aufgefallen. Dass bei ihm das Preis-Leistungs-Verhältnis nicht stimmt, ist klar. Aber dafür kann er weniger als der HSV, der ihm diesen Vertrag gewährt (hat). Und ja, auch ich würde (Stand heute) den auslaufenden Vertrag am Saisonende nicht verlängern. Aber zumindest in Sachen Einstellung ist dem Mittelfeldspieler eben wirklich nichts vorzuwerfen. Ackern tut er immer, er ist sich für nichts zu schade. Und gerade weil ich Holtby immer wieder massiv kritisiere, ist es nur fair, das Positive zu erwähnen.

Apropos: Wenn ich höre, wie sich Werder Bremens Sportdirektor Frank Baumann heute um Kopf und Kragen geredet hat, habe ich tatsächlich die ganz ehrliche Hoffnung, dass die Bremer auch am Saisonende hinter dem HSV landen. Bei der Bestätigung für Interimstrainer Florian Kohfeld ließ Baumann kein Fettnäpfchen aus und machte deutlich, dass der bisherige U23-Trainerv nur zweite wenn nicht gar dritte oder vierte Wahl war. Der Ma­na­ger: „Wir hat­ten eine sehr große Liste mit zwei, drei Top-Lö­sun­gen, die wir auch an­ge­fragt haben. Wir wuss­ten, dass es sehr schwer wird, sie los­zu­ei­sen und haben Ab­sa­gen be­kom­men, was zu er­war­ten war.“ Baumann gab auf der Pressekonferenz zu, dass er „bes­se­re Trai­ner, die für un­se­re Si­tua­ti­on in­ter­es­sant ge­we­sen wären“, im Vi­sier hatte. Kon­kret waren es wohl zwei bis drei Kan­di­da­ten, darunter auch Bruno Labbadia. Ergo: Trotz der von Baumann attestierten „vollen Rückendeckung“ geht Kohfeld angeschossen ins Rennen. Und ich bin mir sicher, dass man den HSV für eine derart dilettantische Trainerfindung aufs Schärfste kritisiert hätte. Zurecht übrigens. Aber so? So soll es uns nur Recht sein...!

Gar nicht gut sind die Nachrichten, die mal wieder vom schwedischen Patienten kommen: Der Rücken. Mal wieder. Seitdem er beim HSV spielt ist Ekdal gefühlt ein Spiel dabei, bevor er anschließend drei ausfällt. Trotzdem setzt Gisdol auf den Sechser, der gegen Stuttgart am vergangenen Wochenende tatsächlich wieder eine sehr ordentliche Partie machte. Schon da flachsten die Kollegen: „Heute war er echt gut. Das heißt, er fällt bald wieder länger aus.“ Und wenn Ekdal Pech hat, ist das bereits eingetreten. Zumindest musste er im WM-Playoff-Hinspiel gegen Italien, das Schweden überraschend mit 1:0 gewann, verletzt ausgewechselt werden und droht auch im Rückspiel am Montag auszufallen.

Und so wohl auch wieder für den HSV, der am Sonntag auf Schalke ran muss. Es wäre dann übrigens das 34. Bundesligaspiel, das er seit seinem Wechsel nach Hamburg ausfällt – somit hätte er quasi in zweieinhalb Saisons eine komplett gefehlt. Allein das würde mich als HSV-Verantwortlichen dazu anregen, trotz seines bis 2019 laufenden Vertrages über einen Verkauf nachzudenken. Zuletzt gab es angeblich ein Angebot aus Portugal – allerdings stellte sich das als Falschmeldung heraus. Bleibt für den HSV zu hoffen, dass sich das bis zum Sommer ändert.

 

In diesem Sinne, heute mal ohne Vereinspolitik. Tut auch mal gut. Bis morgen!

Scholle

 

 

Wer sich das 1:4l der U21 von heute noch mal anschauen will, der kann das übrigens hier machen: Eintracht Braunschweig U23 - HSV U21

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