Marcus Scholz

11. Dezember 2017

Nicht einmal 40 Minuten waren die Spielerheute draußen. Aktive Erholung nannten meine Trainer das früher immer. Bei Schneegestöber gab es ein kurzes Aufwärmen und ein Abschlussspiel in Turnierform. Drei bunt gemischte Mannschaften ließen dabei keinen Schluss zu, wer morgen von Beginn an auflaufen wird und ob Trainer Markus Gisdol wechseln will. Denn das Spiel gegen Wolfsburg hat Kräfte gekostet. Nicht nur Euch, die Ihr hier seit Tagen heiß und kontrovers diskutiert, sondern auch den Spielern, die wieder extrem hohen, läuferischen Aufwand betrieben haben. Und das spricht sich herum: „Der HSV hat eine sehr laufstarke, kampfstarke Mannschaft, Der HSV hat sich schon in den letzten Wochen sehr stark präsentiert. Deshalb brauchen wir dort frische Kräfte. Wer nicht frisch ist, der spielt nicht.“ Sagt Niko Kovac, der Trainer des nächsten Gegners Eintracht Frankfurt (siehe Video).

 

Egal, ob man es mag der nicht: Wenn dem Gegner von vornherein klar ist, dass ihm eine Mannschaft gegenübersteht, die ackert bis zum Umfallen, die kämpft und sogar Spieler in ihren Reihen hat, die bei Gegnern ob ihrer Härte für Frust sorgen – dann ist das zunächst einmal kein Nachteil. Zumal dann nicht, wenn man ansonsten spielerisch zu den eher schwächeren Teams der Liga gehört. Insofern sollten wir bei unseren Erwartungen an diese Mannschaft immer auch beachten, welche Möglichkeiten dieser HSV überhaupt hat, die Klasse zu sichern. Denn gegen Mannschaften wie den HSV spielt keine Mannschaft gern. Ein gutes Indiz. Dass der HSV auch spielerisch Möglichkeiten hat, okay. Das ist in Ansätzen zu erkennen. Zuletzt etwas häufiger. Aber es darf nicht dazu führen, dass wir glauben, der HSV könne konstant spielerisch dominieren.

Gegen den VfL Wolfsburg ging es zwar bis zum Sechzehner immer wieder – und stoppte dort abrupt. Wobei man festhalten muss, dass es HSV-Angreifer Jann-Fiete Arp an jenem Sonnabend auch mit einem wirklich bärenstarken Innenverteidiger Brooks zu tun bekam. Der US-Amerikaner zählt zweifelsfrei zum Besten, was die Bundesliga derzeit zu bieten hat. Und dass Arp trotzdem zu seiner Hundertprozentigen kam (nach schönem Pass von Walace), spricht für Arps Qualität. Er ist einfach nie ganz aus dem Spiel zu nehmen. Selbst dann nicht, wenn es bei ihm mal nicht so läuft. Denn Arp hat trotz seiner erst 17 Lenze neben der sportlichen auch schon eine unglaublich hohe mentale Qualität: Er hört einfach nie auf, an sich und seine Qualität zu glauben.

Deshalb würde ich auch jetzt weiter auf ihn setzen. Selbst wenn die Statistiken irgendwelche Ermüdungserscheinungen andeuten, Arp ist einfach einer dieser Typen, die gar nicht genug Fußball spielen können. Er wollte als Jugendlicher immer, und irgendwie sei er in dem Zustand hängengeblieben, hatte Arp vor kurzem gesagt. Daher meine Bitte an HSV-Trainer Markus Gisdol: Lassen Sie den Jungen weitermachen! Keine falsche Vorsicht, kein „den Jungen muss man schützen“ und dergleichen. Einfach die Jungendlichkeit nutzen und ihm zeigen, dass er hier seine Zukunft gestalten, sich entwickeln kann. Mit allem, was dazugehört. Also auch solch unglücklicheren (und dennoch nicht schlechten) Spielen wie am Sonnabend gegen Wolfsburg.

Und es sieht so aus, als erhöre Gisdol diesen Wunsch. „Wir werden personell wahrscheinlich hier und da etwas ändern müssen“, hatte der HSV-Trainer gestern noch gemutmaßt – heute berief er den identischen Kader aus dem Wolfsburg-Spiel auch für das Spiel gegen die auswärtsstarken Frankfurter mit dem rhetorisch starken ehemaligen HSV-Sechser Niko Kovac als Trainer. Erst eine Niederlage – am 6. Spieltag mit 1:2 in Leipzig - musste die SGE auswärts hinnehmen. Nur Bayern ist hier besser. Bis morgen – hoffe ich. Denn da muss der HSV gewinnen, um sich im Kampf gegen den Abstieg wieder etwas abzusetzen, während Dortmund parallel Mainz schlägt. Dann würde der BVB an Frankfurt in der Auswärtstabelle vorbeiziehen, und der HSV Mainz überholen. Schön wär’s auf jeden Fall...

Und obgleich es eigentlich keinen zwingenden Grund gibt, erwarte ich zumindest einen Wechsel: Ito wird aller Voraussicht nach wieder auf die Bank rotieren. Für ihn könnten entweder Hahn oder Waldschmidt kommen. Alles andere würde mich überraschen. Denn weder die zuletzt starke Viererkette, die dem VfL am Sonnabend wirklich gar keine Chance ließ, als auch das defensive Mittelfeld mit Jung (wenn schon, dann würde Sakai ihn ersetzen) und dem wieder erstarkten Walace gegen Anlass, zu wechseln. Kostic ist links gesetzt (und nahezu konkurrenzlos), Arp vorn nicht zu ersetzen, zumal sich Wood heute wieder verletzte und humpelnd vom Trainingsplatz schritt. Aaron Hunt gewinnt im Ausschlussverfahren gegen seine internen Konkurrenten – von daher bleibt nur eine Position zu ersetzen. Und hierfür bieten sich Waldschmidt mit seinen technischen und/oder Hahn mit seinen läuferischen Qualitäten an. Sollt Hahn kommen, würde Hunt sicher im Zentrum bleiben. Kommt Waldschmdt, wäre der HSV etwas flexibler. Waldschmidt und Hunt könnten die Positionen immer wieder tauschen. Entscheidend ist aber, egal wie gut oder schlecht der HSV auch spielt: Es MUSS gepunktet werden.

Denn bei allem Lob für gute Leistungen zuletzt, wenn man nicht wieder eine extrem beunruhigende Winterpause hinlegen will, muss der HSV mindestens die von Bruchhagen geforderten 18 Punkte holen. Auch deshalb hatte ich zuletzt immer wieder geschrieben, dass es mir egal sei, ob der HSV gut oder eben dreckig gewinnt. Denn in einem Punkt muss ich den vielen Kommentaren hier zustimmen: Das Schönreden von verpassten Siegen ist für einen kurzen Moment okay. Zumindest zweckmäßig, um in der durchgehend angespannten Situation Selbstvertrauen zu erzeugen bzw. zu konservieren. Aber es darf nicht dazu führen, dass man tatsächlich mit einem Punkt zufrieden ist, wie am Sonnabend. Vielmehr muss auch bei den HSV-Spielern das Gefühl dominieren, dass hier mehr drin war. Deutlich mehr. Zumal dazu nur ein einziger Treffer gefehlt hat.

Denn, und jetzt kommen wir zu dem aus meiner Sicht erfreulichsten Teil der letzten drei Wochen: Die Defensive gewinnt zunehmend Stabilität. Die Viererkette samt defensivem Mittelfeld harmonierte zuletzt. Dreimal in Folge zu Null – DAS kann Selbstvertrauen geben. Siehe Mergim Mavraj. Der Albaner genießt bei Gisdol unbändiges Vertrauen und zahlt es nach langer Zeit zurück. Gegen Wolfsburg zeigte er meiner Meinung nach sein bislang bestes Spiel, nachdem er zuletzt von Spiel zu Spiel besser wurde. Bleibt zu hoffen, dass Mavraj das kompensiert. Gegen Frankfurt wird er mit dem schnellen und wendigen Dribbler Ante Rebic einen deutlich unangenehmeren Gegner haben als am Sonnabend zuvor mit dem staksigen, unbeweglichen Gomez.

Es wird auf jeden Fall wieder  spannend. Zum einen, ob uns Gisdol im letzten Heimspiel 2017 personell doch überrascht. Und zum anderen, ob der HSV endlich die Punkte holt, die er braucht. Denn die Situation vor dem Spiel gegen Frankfurt ziemlich klar: Es darf nicht verloren werden, wenn der HSV nicht auf einem Abstiegs- oder Relegationsplatz überwintern will. Von daher muss endlich wieder dreifach gepunktet werden - völlig egal wie.

 

In diesem Sinne, bis morgen!

Scholle

 

Voraussichtliche Aufstellungen:

HSV: Mathenia – Diekmeier, Papadopoulos, Mavraj, Santos - Jung (Sakai), Walace – Waldschmidt, Hunt, Kostic – Arp.

Frankfurt: Hradecky – Salcedo, Abraham, Falette – M. Wolf, P. Boateng, Fernandes, Willems – Barkok, Rebic - Haller

 

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